Karneval in Tehran

Tehran Alaaf!
Wir sind, wie ihr alle wisst, begeisterte Karnevalisten, und deshab freuten wir uns auch sehr über die Einladung des 2. Botschafters bzw. seiner Frau zu dem Partyevent schlechthin. Mit dem Babysitter klappte es nicht, daher mussten wir die Kinder mitnehmen und schon um 10 wieder gehen. Für einen ersten Eindruck reichte es alllerdings.
Damit man hingehen kann, braucht man natürlich ein Kostüm. Was bietet sich da eher an als ein Tschador? Ich war in Tajrish auf dem Bazaar:
„Ich möchte einen Tschador für meine Frau (hier log ich), die ist so groß wie ich.“ Es wurde ein teures Modell, aber dafür hat es Ärmel. Später erfuhr ich, dass diese Art letztes Jahr im Parlament als Tschador melli = Volkszelt verpflichtend für alle Frauen diskutiert wurde. Zum Glück wurde nichts draus. So konnte ich den Restposten käuflich erwerben.
Der Verkäufer lachte sich halb schlapp, als ich das Ding im Laden anprobierte und er mir zeigte, wie man es schafft, dass die Kutte nicht vom Kopf rutscht.
Als ich die Kinder und Steffi von der Schule abholte, wollte Steffi natürlich mal probieren (die anwesenden Iranerinnen schauen etwas betreten, weil sie sich freiwillig natürlich nie da drin verstecken):
Die Kids waren relativ schnell verkleidet, Martje kriegte noch einen Umhang von der Schneiderin in der Familie genäht und war glücklich. Auf dem Fest wurde sie oft gfragt, ob die Krücken zum Kostüm gehörten.
Es gab Tatsache echtes Bier und auch andere Alkoholika zu trinken, nicht nur dieses Holsten, was sonst so auf den Straßen beworben wird. Mit Apfel, Limonen, Minz und Granatapfel-Geschmack. Lemon geht noch so. Jever Fun ist auch weit verbreitet.Und dann auf zur Party! So schön wie die Iranerinnen kann eine Deutsche sich einfach nicht schminken. Immerhin werden pro Kopf hier weltweit am meisten Kosmetika verkauft, von den Nasen- und sonstigen OP´s ganz zu schweigen.
Da sehen die Deutschen doch echt scheiße aus, oder?
Und da endlich ich mit dem Dank immer ausreichend Zahnpasta strahlenden Lächeln.
In diesem Sinne: Helau und Allah!

[Jochen]

Wir sind…


Am 9. 2. 09 (21. 11. 1387) war der Abend vor dem 30. Jahrestag der Islamischen Revolution. Als ich um 21.00 durch die Straßen ging, standen überall Menschen auf den Dächern und riefen Allah-u-akhbar! Gott ist groß! In dieser dichtbesiedelten Stadt hatte ich das Gefühl , die ganze Stadt sei ein Chor, der es nur nicht schafft, im Gleichklang zu singen.
Es wurden die Autobahnen mit grünweißroten Fahnen geschmückt. Ansonsten scherten sich die Leute um die offiziellen Feierlichkeiten recht wenig.
Unser Freund F. berichtete, dass es einen iranischen Satellitensender gebe, der die Unzufriedenheit der Leute in Aktionen kanalisieren will: Die Bewegung gibt sich den Namen „ma hastim“, was „wir sind!“ bedeutet, ähnlich dem Slogan in der DDR „Wir sind das Volk“. Eine Aktion war, dass zu Demonstrationen auf islamischen Märyrerfriedhöfen aufgerufen wurde, bei denen die Gefahr der Verhaftung klein ist, weil man ja schlecht die Heldenverehrung verbieten kann. Trotzdem wurden angeblich Hunderte Leute gefangengenommen, von denen etliche nicht wieder auftauchten.
Deshalb findet jetzt eine andere Aktion statt: Alle, die mitmachen wollen, gehen um 5:00 Uhr zum Bäcker und kaufen Brot. Dagegen kann ja der Staat nichts machen.
Der religiöse Führer benutzte bei seiner Ansprache zum Feiertag auch den völlig üblichen Ausdruck „ma hastim“, wobei alle, die Bescheid wissen, sagen: Siehst du, sogar unser Führer spricht schon davon.
Die Menschen sind sehr unzufrieden mit der derzeitigen Situation, aber viele sagen sich auch, wozu noch eine Revolution, wo es nach der letzten schon nicht besser geworden ist? Aber in der DDR gings ja auch ganz schnell…

Nachtrag zu der Skiwoche, auf der Martje mit dem größeren Teil der Schule war:
Martje ist die auf der rechten Seite, die in rosa. Wir wollten eigentlich vor der Reise mit ihr zum Arzt gehen, weil sie wiederkehrend mal mehr und mal weniger Schmerzen in ihrem Zeh spürte, den sie vor Wochen umgeknickt hatte. Bloß hätte das u.U. dazu geführt, dass sie nicht hätte mitfahren können. Heute waren wir also zum Röntgen (das 2. Mal in Iran), diesmal war es tatsächlich ein Bruch, am großen Onkel. Der wird jetzt mit Gips ruhiggestellt. In 2-3 Wochen soll dann alles wieder gut sein.

Und noch ein Bild vom Abend vorher, wo wir mal alle zu sehen sind. Es ist bei Freunden in Karaj, einer riesigen Trabantenstadt im Westen von Teheran. S. fährt von Karaj jeden Tag 75 km nach THR zur Arbeit und abends wieder zurück. Das Gehalt wird, wenn es gezahlt werden kann, mit 3 Monaten Verspätung gezahlt. Für ihren Sohn geben sie alles, um ihm eine anständige Schulbildung zu ermöglichen, die ihm auch im Ausland eine gute Grundlage schaffen kann. Dafür nimmt S. jeden morgen Pendler mit, die als Fahrpreis zusammen vielleicht umgerechnet 4 € in die Kasse bringen. Ich weiß nicht, wie sie es schaffen, mit weniger als einem Drittel von dem, was uns zur Verfügung steht, zu überleben. Und wir müssen noch nicht mal die Wohnung selbst bezahlen…
Der Zusammenhalt in der Familie macht vieles wieder wett, und das ist das, was sie abhält, das Land zu verlassen, wenn sie es zusammen könnten.
Wir können inzwischen verstehen, warum die Iraner ihr Land gern verlassen würden, aber auch, was sie so sehr hier lieben.

Sicher nicht das, was zu solchen Merkwürdigkeiten führt:
Ein Prospekt aus dem Büro über Badewannen bestand aus etlichen Bildern, in denen jemand sich die Mühe gemacht hat, sämtliche unzüchtigen Körperteile mit schwer entfernbarer Klebefolie zu verdecken. So ganz regierungskonform war er allerdings doch nicht – der Hejab, das Kopftuch fehlt. [Jochen]

Schnee überall

Jetzt haben wir doch noch ein wenig Schnee bekommen. Leider ist es einfach zu warm (3-10°), da bleibt einfach nichts liegen. Als er nachts kam, konnten wir lange nicht einschlafen, weil die Leute auf der Straße trotzdem versuchten, den Berg hochzukommen, was ohne Winterreifen, bevor der Räumdienst da ist, nur mit Reifenquietschen und Motorgeheul abgeht.

Während Martje eine volle Woche mit ihren neuen Skiern und Stiefeln mit der gesamten Schule ab Klasse 4 nach Dizin zum Schulausflug gefahren ist, durften auch die kleinen Grundschüler Spaß im Schnee haben und sind nach Abe-Ali gefahren. Ein Hang war abgeteilt nur fürs Rodeln, man konnte auch Schlitten leihen, die noch zu Shah-Zeiten hergestellt und seitdem nicht mehr groß gewartet wurden (sagte Steffi jedenfalls). Ich war nicht mit.Später kamen auch die Leute aus der Umgebung dazu und wollten etwas Spaß haben.

Zwei Tage später wieder der wöchentliche Ausflug auf den Reiterhof. Inzwischen hat Lori, die Eselin, sich damit abgefunden, dass sie statt Lasten jetzt Kinder durch die Gegend tragen muss, und es scheint, als würde sie es sogar genießen. Jedenfalls gibt es kein Murren oder was man Eseln sonst so nachsagt.


Ein paar Kuriositäten zum Schluss:

Als wir heute mit dem Taxi aus der Stadt zurückfuhren, hatten wir einen Taxifahrer, der uns ganz bereitwillig nach Hause fahren wollte; als wir eingestiegen waren, bedeutete er uns, das Ziel aufzuschreiben. Da meine persische Schrift noch nicht so schnell ist, dass es sich gelohnt hätte, unsere Adresse aufzuschreiben, versuchte ich es mit Sprechen.
Das war aber nun völlig unmöglich, da er offensichtlich taubstumm war. Also ehrlich, dürfen Leute, die nicht hören können, in D überhaupt Auto fahren, geschweige denn Passagiere befördern? Steffi meinte, du weißt doch gar nicht, ob er einen Führerschein hat. Damit hat sie nun auch wieder recht. Er fuhr denn auch so vorsichtig wie sonst noch keiner. Und vielleicht war es auch gar kein Taxi…
Die Härte war, als wir fast zu Hause waren, wollte ein Blinder mit weißem Stock über die Straße, unser Taubstummer wollte ihn rüberlassen, konnte aber nix sagen, der Andere seine Handzeichen nicht sehen – ich hätte mich ausschütten können vor Lachen. Schließlich fuhren wir, ohne ihn rüberzulassen.
Bezahlen sollten wir schließlich 10.000 T! – Hin hatten wir 3.500 T bezahlt. Er fuhr schließlich mit 6.000 T von dannen.

Und zum Abschied noch etwas von der Verpackung von Haferflocken. Wenn ich von meinen Kindern mal genug hab, dann sag ich mir auch, dass weniger Kinder ein besseres (auf persisch: ruhigeres, gelasseneres) Leben bedeuten, aber was soll man machen, wo sie nun schon mal da sind? – Vermutlich ist das ´ne Kampagne für Geburtenkontrolle, aber den Spruch find ich klasse.