Das ganz normale Leben

Diese Woche war zwar nicht langweilig, aber eigentlich tun wir nichts anderes als in D auch – Schule, Arbeit, kleine Ausflüge. Nachdem unser Auto klaglos startet und auch noch ohne Murren fährt, erkunden wir die Gegend um Tehran.Eigentlich wollten wir ganz woanders hin, aber die Straßen führten uns nach Ab Ali, wo wir vor ein paar Monaten schon mal waren. Hier transportieren Esel über Stock und Stein alles, was aus den Bergen raus (Steine, Walnüsse, Holz) und rein (Zement und andere Baumaterialien) muss.
Der Weg dorthin begleitet einen reißenden Bach, der solange malerisch ist, bis man sich an sein Ufer begibt. Die iranischen Picknicker nehmen nämlich nichts wieder mit. (Aber ich glaube, ich beklage das nicht zum ersten Mal) Überall wo es Häuser gibt, stehen Restaurants, die allerdings nicht mit den uns bekannten verglichen werden dürfen. Meistens handelt es sich um Kababis, in denen Fleisch auf Spießen über offener Gas- oder Kohleflamme gegrillt werden. Dazu wird Reis oder Brot und einige gegrillte Tomaten gereicht und man trinkt Dough, ein Joghurtgetränk mit Pfefferminze und Salz. Kulinarisch ist das nicht der Himmel, aber man wird satt und sitzt in entspannter Atmosphäre auf Holzgerüsten, die mit Teppich gefüttert sind, fast an der frischen Luft, denn diese Behausungen halten keiner Deutschen Energieeinsparverordnung stand. (Lüftungswärmeverluste)
Wenn es Eintopf gibt, nehmen wir den und noch lieber Khoresht, was Gemüsesoße mit Fleischeinlage ist, die man über den Reis kippt.Man kann auch Kababis antreffen, die ein kleines Haupthaus haben und einzelne Zelte, in die dann Öfen gestellt werden. Im Moment ist das auch nötig, denn wir haben es nicht grad gemütlich; als wenn der Winter nachgeholt werden müsste. Sobald die Sonne rauskommt, schwitzt man aber auch gleich.
Das Reiterfieber hat beim freitäglichen Ausflug zum Stall jetzt auch Steffi gepackt, und die Kinder üben fleißig mit dem Esel, der als Attraktion bei der Zirkusveranstaltung der Schule eine „tragende Rolle“ spielen soll.
Doof war diese Veranstaltung der Kunst-AG der Schule, die zu sehr schönen Ergebnissen geführt hatte. Die Kinder bekamen zu erfahren, es würde eine Ausstellung geben, in der alle Exponate gezeigt würden (in einer echten Galerie). Als wir zur Vernissage eintrafen, war Martjes Bild gar nicht dabei. Die Enttäuschung bei ihr war groß, aber wir sind ganz froh, denn die Eltern sollten die Bilder für 100.000 Tuman, etwa 80 € zurückkaufen, dabei hatten wir die Materialkosten schon bezahlt.Heute habe ich nochmal einen relativ nutzlosen Tag mit dem Verkäufer unseres Autos zugebracht, der im Bestreben, uns die Hecklappe öffen- und nutzbar zu machen, den Heckscheibenkurbelgriff kaputtrepariert hat. Sie geht jetzt zwar auf und zu, aber es knirscht überall, und mir sträuben sich die Nackenhaare. Er sagte, er bestellt einen neuen Griff, aber ich glaub, ich will den dann selber einbauen.Da steckt das Problem dieses Landes drin, dass alle immer rumbasteln und selten einer was ordentlich zu Ende führt. Die Leidensfähigkeit der Bevölkerung ist auch in diesen Angelegenheiten riesig. Wenn etwas nicht ordentlich funktioniert, dann ist das eben so. Nur wenns wirklich wichtig ist, regt man sich auf.

Wir müssen uns öfter klarmachen: das Leben könnte schwieriger sein.

Schick die Kinder in die Wüste!

Meine Güte, was man in zwei Wochen alles erleben kann, wenn man ein Auto hat. Also erstmal fing es an zu schneien und richtig kalt zu werden, als wenn das Wetter uns auf die Norddeutschen neidisch machen wollte. 2 Tage später wars dann wieder schön, aber eigentlich gehört das so nicht.
Schließlich hatte Martje Geburtstag und wir wollten ordentlich draußen feiern. Zwischen zwei Regenschauern bekamen wir tatsächlich in schönstem Sonnenschein einen Schulbus mit 12 Kindern auf das Grundstück einer Kollegin gefahren, Mittagessen, Kuchen und Spiele verabreicht und Geschenke ausgepackt. Der Einfachheit halber hatten Solveigh und JanIngmar auch gleich miteingeladen, um ihren Geburtstag vorzufeiern. Schließlich sind einige der Kinder im Herbst schon nicht mehr da. Schade, dass nicht alle kommen konnten, der Termin war etwas unglücklich gelegen.
Als wir wieder los mussten, fing es an zu donnern und wie aus Kübeln zu gießen.
Nachdem alles schön Wasser bekommen hat, sieht die Welt hier auch schon fast so aus wie die norddeutsche Tiefebene (denkt euch die Berge weg):
Bei unseren sonstigen Ausflügen haben wir gutes Wetter, nicht zu warm, nicht zu kalt.
Im Osten THR´s gibt es den riesigen Wald-Park Lavizan, der als Aufzuchtpark und grüne Lunge arbeitet, wo man ausgedehnt spazieren kann. Ohne Auto war das für uns alles nur schwer möglich.
Die ersten Melonen aus dem Süden Irans werden auf den Autobahnen auch schon angeboten. Das Hochhalten von Melonen oder Granatäpfeln, wenn am Tag 60.000 Autos an einem vorüberbrausen ist allerdings kein Job, der mir Spaß machen würde.
Die Farbe der Appetizer ist in Wirklichkeit nicht so dunkel, daher findet man nahe der vollgeladenen Autos oft Farbdosen und rote Klexe auf dem Seitenstreifen. Werbung funktioniert nun mal nur so.Mandeln und Aprikosen werden erstaunlicherweise oft schon gepflückt, bevor sie reif sind, und man verzehrt sie als saure Nascherei mit etwas Salz. Wir brausen jetzt also öfter an solchen Ständen vorbei, und damit das auch zuverlässig machbar ist, muss unser Wagen in Schuss gebracht werden. Ohne Hilfe hätte ich diese Werkstatt sicher nicht gefunden. Wieder ging ein ganzer Tag dabei drauf, Bremsbeläge und Zündkerzen zu wechseln, na große Inspektion eben. Das Inspizieren hat jedoch auch seine Grenzen, wie wir bald feststellen mussten. Rundum-Sorglos-Werkstätten hab ich noch nicht kennengelernt. Dieser Mechaniker verstand nun wirklich was von seinem Handwerk, aber die Sache mit der Vorderachse sollte ich doch woanders machen lassen. Und die Öle kann ich in der Werkstatt 3 Garagen weiter prüfen lassen. Ist vielleicht auch nicht schlecht, wenn man überall seine Spezialisten sitzen hat. Ich hätte gern die Klappe zugemacht und ihn mitgenommen…
Bei der Eisdiele konnten wir dann nicht mehr weiterfahren. Wir hatten (wieder) einen Platten, diesmal in einem nagelneuem Reifen. Zum Glück 200 m daneben ein Reifenhändler, der ihn flicken kann.Das alles musste ja noch schnell gemacht werden, weil wir am Freitag in die Wüste fuhren.
Eine kleine Baumgruppe behauptet sich dort 10 km hinter einer Müllkippe bei Kashan gegen die Dürre. Nur Schafe, Käfer und Skorpione (ein ganz kleiner war unter dem Zelt eines Mitcampers) in der Nähe. Und an diesem Wochenende 7 Erwachsene und 11 Kinder. Achja und zwei Spinnen-Geckos, die Bekannte von einer Wüstentour mitgebracht hatten, und für ein Terrarium sind die Viecher nichts. Daher wurden wir das Auswilderungsteam und konnten wieder unser Karma verbessern.Man hätte denken können, es wäre die dänische Nordseeküste, wenn es nur Wasser gäbe. Es war allerdings ungewöhnlich grün, weil es die Tage vorher geregnet hatte.
Hier stehen alle Kinder an, um auf Dosen zu schießen. Hab ich´s schon geschrieben?; für die Kinder war es das Paradies. Manchmal waren sie für 2 h unterwegs und gruben wieder irgendwo Skorpionfallen oder rollten die Dünen runter.Auf dem Rückweg blieben wir, nachdem unsere moderner ausgestattete Begleitung vorgefahren war, auf der Autobahn, aber schon in THR liegen. Es machte klackerklonk und ein paar Metallteile des Blazer sah ich im Rückspiegel noch über den Asfalt springen. Kein Abschleppdienst in Sicht, also muss Papa wieder mal selber ran. Zum Glück hatte ich meinen Glücksbringer dabei, ein astreines Stahlkabel aus ner Mülltonne, das ich bei meinen Spaziergängen gefunden hatte. Den Querlenker hatte ich schon mal kurzfristig damit reparieren können, also auch jetzt das zerrupfte Kreuzgelenk der Antriebswelle. (Ich müsste ne Zeichnung machen, um es genau zu erklären). Bis zur nächsten Abfahrt wollte ich wenigstens, aber es hielt besser als gedacht, so dass wir bis in den Großen Bazaar uns ver-fuhren, wo ich an einem Teilehandel fragte, wo man Amerikaner reparieren würde. Ein Opa stand davor, der angab, selber Mechaniker zu sein, und als ich ihm den Schaden gezeigt hatte, sagte er mir, er würde eben mit dem Motorrad vor uns herfahren und zeigen, wo man es reparieren könnte.
Tatsächlich landeten wir vor einer Werkstatt, die NUR Antriebswellen on Stock hatte. Die beiden Jungs bockten den Wagen hoch, bauten die Welle aus, drehten das defekte Teil mit der Drehbank ab, schweißten ein anderes Gebrauchtteil an, sprühten noch schnell Farbe, bauten wieder ein, und eine Stunde später konnten wir uns durch den Stau Richtung zu Hause begeben.
Ich weiß nicht, ob es an uns liegt, aber irgendwie hatten wir schon immer Glück.

Sizdah Bedar

Jetzt ist Nouruz vorbei. Die nationale Untätigkeit ist beendet. Heute war noch ein Tag, an dem fast alles geschlossen war, aber es ist ja auch Jom´e.
Der wichtigste Tag war Sizdah Bedar, „Loswerden vom Dreizehnten“, dem Unglückstag für den, der zu Hause bleibt und nicht in die Natur geht. Oder fährt..
Hier wandern wir mit Fisch und Grün zur nächsten Taxizentrale.
JanIngmar macht es vor: man bindet eine rote Schleife um den Sabzi und dann wird er in irgendeinen Jub geschmissen.
Ich glaube zwar nicht, dass mehr als 1 Prozent wirklich anwächst, aber die Idee finden wir hübsch. Das mit den Fischen lassen wir allerdings beim nächsten Mal, die Mortalitätsrate war einfach zu hoch.Steffi betont immer, wie schön das Neujahr hier ist – kein dunkles, kaltes Fest, an dem man keinen Hund vor die Tür jagt, sondern der Beginn des Lebens mit zartem Grün an den Bäumen und freudigem Herzen, weil die Tage wieder länger werden. Also sind wir wie im letzten Jahr schon nach Jamshidieh gefahren, um dort unser Sabzi und vor allem die übriggebliebenen Fische der Natur zu übereignen. Wie wir denken natürlich alle Tehranis, also war es entsprechend voll. Alle haben gute Laune, grillen ihr Kabab, machen Musik, rauchen Wasserpfeife, alles sehr entspannt. Und fast überall, wo Platz für eine Picknickdecke ist, saß jemand.
Einen Platz gabs doch noch für uns, und inmitten von Tausenden von Städtern, die auf staubigem Boden rumhängen, fühlten wir uns einfach wohl.
Euch allen wünschen wir ein frohes neues Jahr!

Der erste Besuch

Zwei Wochen liegen hinter uns, die es in sich hatten.
Zunächst war diese Geschichte mit dem Auto, die noch nicht zu Ende ist. Immerhin bekam ich es ja vor den Feiertagen noch angemeldet und fahrbereit, so dass ich meinen Bruder und seine Arbeitskollegin mit dem eigenen Fahrzeug vom Flughafen abholen konnte.
Am selben Tag noch ließen wir uns von der Seilbahn in den Schnee bringen, wir bekamen alle Sonnenbrände, ohne dass uns warm geworden wäre.
Unser erster Auto-Ausflug führte uns in die Berge ca. 30 km von THR entfernt,
die Straße endet an einem Dorf, das einen kleinen Wasserfall hat, der das Dorf mit Wasser versorgt. Dort hielten wir uns mehrere Stunden bei bestem Wetter auf.
Nicht alle Ausflüge waren so erfolgreich, der Letzte führte uns auch wieder Richtung Berg, aber auf halber Strecke wollte der Truck nicht mehr – Motor aus, wahrscheinlich wieder die Benzinpumpe. Beim Aussteigen sagte JT: „Jochen, wir haben nicht nur ein Problem, guck mal nach rechts hinten.“ Dass die Reifen nicht mehr perfekt waren, wusste ich schon, aber dass gleich die ganze Luft rauswollte, hatte ich von ihr nicht erwartet.
Was tun? Der ADAC braucht doch zu lange, also telefonieren wir mal irgendwelche Freunde an. Dumm, ausgerechnet hier hab ich keinen Empfang. Nach 15 min. hielt jemand, der unsere Sprache spricht (Englisch), auf dem Weg über die Berge zum Kaspischen Meer. Ja, er könnte uns helfen.
(Kiitos, Eeva, für dieses Bild, wann krieg ich den sonst schon mal so zu sehn?)
Wagenheber haben wir ja, das Rad kriegen wir schon irgendwo repariert. Blöd, dass Feiertag ist. Zweieinhalb Stunden brauchten wir Familienoberhäupter, um einen neuen Reifen aufziehen zu lassen und zurückzufahren, während der Rest der Truppen am Autobahnrand bräsig in der Sonne saß, Pistazien knabberte und die letzten Neuigkeiten in der Welt diskutierte.
Na ja, der Turmbau zu Babel hat am Gedankenaustausch viel verhindert.

Vielleicht sehn wir unseren freundlichen Helfer noch mal wieder, unsere Tel.-Nr. hat er jedenfalls.

Fortan hatten wir nicht mehr so viel Vertrauen in unser Vehikel, deshalb fuhren wir lieber zu acht in kleinen Kia´s (6 Pers. hinten, 2 vorne) in die Museen oder Parks.
Aber mit unserm Auto würden wir vielleicht sowieso nicht in die Innenstadt kommen. Mit geraden Nummerschildern kommt man Sonntags, Dienstags, Donnerstags und mit ungeraden usw… (Kann auch sein, es ist andersrum) Freitags dürfen alle rein. Soll den Smog bekämpfen. Wer es sich leisten kann, hat 2 Autos mit ungerader und gerader Nummer.

Das Azadi-Monument im Osten der Stadt, das 1971 zum 2500jährigen Bestehen des persischen Reiches errichtet wurde. Man kann 268 Stufen hochkraxeln und ist dann 45 m über den Straßen. Unter dem Bauwerk befindet sich eine Ausstellung, die den Charme der DDR der 70er Jahre hat. Witzig war der Roboter, mit dem man sich unterhalten kann. Bei der Frage, welches Geschlecht er/sie denn hätte, kam die Antwort „Zan=Frau“. Warum sie den keinen Hejab tragen müsse? Für Roboter würde das nicht gelten. – Die Frau, die in irgendeiner Ecke in einem anderen Raum saß und den Mechanismus bediente und die Fragen beantwortete, war allerdings doch komplett in Chador gewandet.

Am letzten Tag wollten wir unseren Gästen den großen Bazar zeigen, wo man kaum durch die Massen kommt, weil normalerweise überall Leute und Lastkarren und Motorräder sich durch die engen Gassen quälen. Aber obwohl geöffnet sein sollte, gab es fast nur verschlossene Fenster-Läden zu sehen. Ein Scenario, in dem man problemlos Endzeit-Horrorfilme drehen könnte.

An all diesen Tagen hatten wir sehr angenehmes Wetter, um die 24 Grad, blauer Himmel, obwohl der BBC-Wetterreport an mehreren Tagen Heavy Rain angekündigt hatte. Das wurde dann unser Running Gag: So sieht also schlechtes Wetter in Tehran aus.

Und einen Tag, nachdem unsere Gäste fort waren: Schneefall mit Matsch und Temperaturen, dass wir den Gaskamin anschmeißen mussten.