Circus

Die letzte große Aktion, die in der Schule stattfand, waren 3 Vorstellungen des Ersten Kinderzirkus in Iran, der sich aus 28 AG-Kindern aus der Grundschule rekrutierte. Seit Oktober wurde Jonglieren, Zaubern, Feuerspucken, Einradfahren geübt, Kostüme angefertigt, Clownsnummern einstudiert und zu guter Letzt ein Circus-Zelt angefertigt, alles auf Betreiben von unserer guten Freundin Annette, die auch 3 Kinder an der Schule hat.
Was für ein verrücktes Vorhaben, auf das alle Beteiligten sehr stolz sein können. Vor allem die Kinder sind selbstsicherer geworden.

Zu jedem Circus gehört auch eine Tiershow, diese bestand allerdings nur aus einem Tier, nämlich aus Lori, der Eselin, die extra aus dem THRer Vorort angekarrt wurde. Sie durfte 3 Tage auf dem Gelände der Englischen Residenz, wo auch die Dt. Schule untergebracht ist, wohnen.

Wir hatten tierisches Glück, dass es am Wochenende der Wahl war, weil seitdem alle Aktivitäten der Freude aus Pietätsgründen abgesagt sind, oder vom Iran. Außenministerium nicht zugelassen werden. Dann verweigern die Guards vor der Schultür allen dunkelhäutigen Menschen den Zutritt zum Gelände. So gibt es dieses Jahr wohl kein Sommerfest.

Es kamen schon Anfragen, ob wir als Wanderzirkus durch Iran ziehen würden.. Wer weiß?

 

Allah-u-Akbar

Da stehen sie, auf den Dächern und singen jeden Abend eine halbe Stunde lang „Gott ist Groß“.
Seit wir mitkriegten, dass in unserm Haus auch viele Junge wie Alte oben sind, gehen wir auch hoch, um zu schauen und gutes Gelingen zu wünschen. Und heute haben wir mal mitgeschrien.
Ach wenn es doch nur gut ausgehen könnte.

Auch aus unserm Haus wollen welche zur Demo morgen, obwohl es nach der Freitagspredigt vom obersten Führer klar zu sein scheint, dass es kein Spaziergang wird.
„in völliger Ruhe“

Dies Bild ist noch von der ersten Demo am Freitag, die noch als genehmigte Veranstaltung vom Enqelab-Platz bis zum Azadi(=Freiheit)monument ging. Eine bis eineinhalb Mio. Teilnehmer.

Spannung in der Luft

Die Wahl ist ja nun gewesen, den rechten Ausgang hat es irgendwie nicht genommen. Mit wem man auch spricht, alle sind unzufrieden. So können die Unruhen noch lange gehen..

Aber macht euch keine Sorgen um uns. Soweit ist also alles in Ordnung. Arbeit und Schule finden geregelt statt, entschieden wird aber jeden Tag neu darüber.Wir sind von den Unruhen nicht direkt betroffen. Unsere Gegend ist kein belebter Treffpunkt, und alles an Unruhen findet an anderen Orten statt.

Am Tag sind wir in der Schule und bekommen sowieso nichts mit. Der Weg nach Hause führt uns nur durch kleine und noch kleinere Straßen, auf denen sich sowieso nur Anwohner bewegen. Ansonsten hören und lesen wir nur, was in der Stadt los ist, bekommen davon aber nichts direkt mit. Die einzige Sache, die wir selbst erlebt haben, war gestern Abend. Um 21.15 Uhr ging aus den Fenstern von den Dächern und aus den Hauseingängen ein lautes Gerufe „Allahu akbar“ (Gott ist groß) los. Es war wie ein Rufen und Antworten und war – wie ich heute erfahren habe – verabredet von Musawi-Anhängern, um ihrer Ohnmacht eine Stimme zu geben. Uns hat es sehr irritiert, weil wir nicht wussten, was los war. Es blieb bei uns alles friedlich. Das war nicht überall so, aber die Berichterstattung aus Teheran ist – wie ich das so mitbekomme – ganz aktuell und kritisch. Es sind etliche ausländische Berichterstatter in der Stadt. So werden diese ganzen Schweinereien wie von der Polizei angezündete Fahrzeuge usw. einfach gefilmt und verbreitet. Wir bewundern die jungen Leute für ihren Mut, fragen uns aber auch, zu welchem Erfolg das führen wird.

Die Kinder bekommen einiges davon mit, und wir haben viel zu erklären. Natürlich wird in der Schule viel geredet. Viele Kinder wohnen an exponierten Plätzen, sodass sie vom Dach, Balkon oder aus dem Fenster einiges sehen. Die größeren sind zum Teil auch auf der Straße. Da wird viel erzählt. Unsere Kinder wissen aber auch, dass diese Unruhen die Unruhen unserer Gastgeber sind, und wir uns da nicht einmischen dürfen. Also bleiben wir brav nach der Schule zu Hause, spielen, lesen, malen und richten es uns gemütlich ein.

Internet ist zeitweise so lahm, dass es eigentlich nicht funktioniert und SMS-Dienste sowie handy-Netze werden vorübergehend blockiert. So will die Staatsmacht die Kommunikation zwischen den Musawi-Anhängern stören. Das können sie natürlich nur vorübergehend, weil auch staatliche Stellen auf diese Dienste angewiesen sind.
[Steffi]

Bald ist Wahl

Allerorten ist es zu spüren: der Wahlkampf tobt. Es ist gar nicht mal so, dass viele Plakate aufgehängt werden. Aber zumindest die Straßen im nördlichen Teil der Stadt sind voll mit hupenden Autos, die mit Zetteln beklebt sind, die für den jeweiligen Kandidaten werben.
Als ich heute von der Arbeit nach Hause fuhr, ausnahmsweise mit dem Auto, waren die Straßen ungewöhnlich frei. Dann erfuhr ich, dass die jungen Leute eine Menschenschlange auf der Vali-e-Asr vom Tajrishplatz bis zum Bahnhof machen würden. Und die Straße ist 30 km lang…
Sie machen das als Demonstration für den Kandidaten, der farblich heraussticht, das ist Mir Hossein Musawi, der eine höchst wirkungsvolle Kampagne laufen hat: alles ist grün. Die Anhänger tragen grüne Armbänder, unterm Tschador lugen grüne Kopftücher hervor und die Antennen der Autos tragen grüne Fetzen.
Dabei ist Musawi noch nicht mal besonders fortschrittlich. Sonst wäre er wohl auch kaum zugelassen worden. Immerhin hat er eine Frau, die gut reden kann und das auch öffentlich tut, so dass er oft als Mann von Sahra Rahnaward beschrieben wurde.
Aber es ist ein bisschen wie kurz vor einer Revolution, oder wenigstens eine große Party, es gibt viel Hoffnung, dass alles besser wird. Schließlich haben die Meisten der Bevölkerung nur die Islamische Republik kennengelernt. Vor allem die Frauen hoffen auf Erleichterung, so dass man sich mit seinem Liebsten nicht nur in der Wildnis treffen kann. Und in der Stadt haben wir schon Frauen gesehen, die T-Shirt-kurze Blusen trugen.
Diese hier ist eigentlich auch schon so alt, dass sie das nicht mehr dürfte, aber es war nicht so voll an dem Platz, den wir am letzten Wochenende ausfindig gemacht haben. Nur 20 Minuten Fahrt von unserer Wohnung eine Schlucht mit einem rauschenden Bach, der von Bäumen gesäumt ist. Herrlich zum Picknicken und natürlich an Gom´e, dem pers. Sonntag, total voll. Deshalb sind wir 2 Tage darauf noch mal hingefahren. Beeindruckt hat uns schon allein dieses Mosaik, das am Eingang zur Schlucht steht.Im Hintergrund unsere glücklichen Kinder, im Vordergrund der Rest von meiner Geburtstagstorte.

Aus Tehran berichtete Jochen Utecht, ich gebe zurück ins Wahlstudio.