So´n Cirkus

Am letzten Donnerstag ging der ganze Circus los: Directorin Annette hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt und unser Zelt vom Schulzirkus auf die Bühne des Mahak-Krankenhauses im Nordosten THR´s gebracht und sogar mit Hilfe eines Baugerüsts eine Hochseilnummer ermöglicht.
Ich war spät dran, als ich meinen Kindern und Steffi, die mit dem Schulbus gefahren waren, zur ersten Vorstellung von zu Hause aus mit der „Maschine“ hinterherfuhr. Als ich die Afriqa hochfuhr, musste ich mit meinem 2 m breiten Geschoss einem U-Turner ausweichen und hab dabei den Kia, der schon ein Viertel auf der Straße war, nicht gesehen. Gaanz laangsaam knirschte ich ihm seinen linken Kotflügel zu Altblech. Da überall Polizisten den Verkehr „regeln“ (d.h. sie pfeifen in Trillerpfeifen, winken wild mit den Armen oder schreiben in kleine Bücher, manche bedienen auch Ampelkästen, mit denen nach Bedarf auf Grün geschaltet wird), dauerte es nicht lange, bis sich einer um mich kümmerte. Natürlich versuchte er mir begreiflich zu machen, dass ich Schuld hätte. So standen wir eine Weile rum, bis ich rausgefunden hatte, dass der Schaden vermutlich 80.000 Toman kosten würde. Ich hatte aber nur 50 Euro (etwa 75.000 T) dabei, und 50.000 T in iran. Währung. Beides hielt ich dem Geschädigten hin, weil ich nicht mit einem Versicherungsscheinschnipsel bezahlen wollte. Auch hier wird man höhergestuft, wenn man einen Schaden verursacht. Den Euroschein begutachteten die beiden eingehend und gaben ihn mir kopfanhebend zurück. Vermutlich gibt es hier sehr gute Farbkopierer. Ich kam dann mit der Gabe des iranischen Schecks aus, was ca. 35 Euronen bedeutet. Umpf. War zwar billig, aber ich hab mich doch geärgert. Achja, an unserem Auto ist nichts zu sehen.
3 Vorstellungen mit 300 Zuschauern an drei aufeinanderfolgenden Tagen gab es zu bestehen, und es war eine sehr schöne Erfahrung, zu sehen, wie sechs der Kinder, die in dem Krankenhaus Patienten sind, als Artisten ganz Teil des Zircus (wie schreibt man das denn nun eigentlich?) wurden. Die Behandlung war teilweise sogar so gelegt worden, dass sie nicht wegen Medikamentenübelkeit nicht teilnehmen konnten. Die Erlöse gingen dem Krankenhaus zu, das sich aus privaten Spenden finanziert, und worüber gesagt wurde, dass es Behandlungserfolge wie im Westen hat.
Annette hatte alles gut vorbereitet, um unsere Kinder mit dem Thema todkranker Kinder bekannt zu machen, mit einem Treffen in der Schule, wo die Ärzte Fragen beantworteten. Trotzdem war es besonders für Martje natürlich nicht einfach zu hören, dass eins der Mädchen, die einen Krebs bezwungen hatte, jetzt mit Leukämie geschlagen ist. Wenigstens ein Gutes hat es, hier Patient zu sein: die Lage des Krankenhauses ist ganz oben, der Blick auf die Stadt ist von hier immer schön.

Krankenhäuser bis fast zum Kotzen

Diese Woche fing ja noch ganz lustig an: am 11.11. war St. Martinstag (kennt man in Norddeutschland inzwischen glaub ich auch) für die Grundschule und den Kindergarten. Traditionell spielt der 2. Schulleiter den Bettler (ohne Brille, Ehering und Schuhe), der vom Hl. Martin gerettet wird. Er meinte, die Rolle passt zum Lehrer. Da hat einer mit A14-Gehalt und Auslandszulage aber gut reden.
Am nächsten Tag war ich mittags zu einem Bekannten bei Muttern eingeladen. Es war sehr herzlich und schön, so dass ich Steffi mit einem Taxi von der Schule dorthin bringen ließ.
Während die Kinder mit Steffi im Park waren, durfte ich auf AliReza´s Motorrad in THR eine kleine Runde drehen. Als wir zurückkamen, waren alle in heller Aufregung. Martje hatte sich unter einem Schaukelpferd, das nicht vom TÜV Rheinland abgenommen worden war, den Fuß eingeklemmt und wir mussten ausschließen, dass er gebrochen ist. Also ins Krankenhaus, das zum Glück nur ein paar Schritte entfernt liegt.
Die Prozedur ist für uns eine andere als in D: Zunächst wurden wir in die Ojans (Ambulance) geleitet, wo großer Trubel herrschte, da wir nicht die einzigen waren. Und alle in einem Raum ohne Privatsphäre. Wär mir im Notfall auch egal.
Haben Sie eine Akte ausgefüllt? Na gut, machen wir. Die Ärztin diagnostizierte. Lustig im Ernst war, dass alle Weißkittel erstmal M.´s Kopf und Brust abtasteten, da in die Akte jemand „Pferd“ reingeschrieben hatte, und „Schaukel-“ nicht. Dann wird man mit Zettel zum Röntgen geschickt, von dort wieder zurück zur Kasse, wo man die Bilder bezahlt.

Die Kasse liegt gleich beim Eingang, alle anderen Stellen wie Rö, Doktorenzentrale, Apotheke möglichst weit davon entfernt…
Mit dem Beleg zur Rö-Abteilung zurück. Dann Bild gemacht. (Hier hab ich übrigens zum ersten Mal eine Bleischürze gesehen, und ich kenn leider schon einige Röntgenabteilungen in IR.) Mit Bild zum Doc. Der sagt, mach noch eine Vergleichsaufnahme. Wieder zum Röntgen, und ein Zettel vom Doc mit Nummerncode sagt dem Mann an der Kasse, was es kostet. Beim Röntgen stell ich fest, dass der Zettel für die Arbeit des Arztes war. Beim Röntgen krieg ich einen neuen Zettel. Also wieder zur Kasse. Endlich kann Bild Nummer zwei gemacht werden. Doc sagt, ist nicht schlimm, aber wir wollen den Fuß für ein paar Tage ruhigstellen.
Also braucht er eine Gipsschiene. Die gibts in der KH-Apotheke. Ein Wisch mit Nummerncode sagt dem Apotheker, was er geben und nehmen soll. Er gibt aber lieber eine Rechnung, die ich an der KH-Kasse bezahlen soll.
Mit der Quittung bekomme ich die Heilmittel. Damit zum Gipsraum, wo zwei Gipser sich um Martje kümmern und die gekauften Sachen verarbeiten. Leider wurde das ziemlich schwer, so dass Martje eher unruhig als ruhiggestellt wurde.
Nach 3 Stunden konnten wir wieder nach Hause fahren. Inzwischen ist sie bis auf ihre Influenza wieder obenauf.

2 Tage später: Bei der Generalprobe für die Zirkusaufführung rutschte Solveigh im Flur aus und schlug sich ihr Gesicht blutig. Die eine Hand tat auch weh. Nun waren wir ja schon im KH, weil hier der Circus stattfindet. Also können wir auch einfach runter in die Ambulanz und sicherstellen, dass es nichts Ernstes ist. War leider nix: Wieder ein Röntgenraum mit Bleischürze benutzt – Finger gestaucht und Näschen gebrochen.
Jetzt fehlt nur noch JanIngmar, dann glaub ich an tiefere Mächte, die uns hier rausekeln wollen. Lustig fand ich, dass im Röntgen-Vorraum eine Plüschkuh im Rasta-Outfit hing, die einen Joint raucht und Steeldrum spielt.

Schweinegrippe sei Dank!

Dienstag gab die Schule bekannt, dass der Rest der Woche wegen Schweinegrippe frei wäre. Na ja Schweinegrippe nicht direkt, aber da die Hälfte der Schüler wegen unterschiedlicher Krankheiten fehlten, dachte man sich, es hat für den Rest auch keinen Sinn mehr, zu kommen.
Gut für uns, da wir so Mittwoch nachmittag nach Kashan (ca. 250 km) fahren konnten. Es ist eine ziemlich kleine Stadt mit nur 320.000 Einwohnern.
Wir fuhren einfach so drauflos, hatten aber die Telefonnummer von Kashanis in der Tasche.
Woher wir die kannten? Als wir auf der letzten Tour im Bagh-e Fin (Fin-Garten; warum mein Wörterbuch Fin mit Nasenschleim übersetzt, kann ich mir nicht erklären) Halt machten, bekam eine Frau mit, dass wir Deutsche seien. Sie bat uns zu warten und rief ihren 10-jährigen Enkel herbei, der seit 4 Jahren deutsches Fernsehen kuckt und so fließend Deutsch gelernt hatte. AliReza führte uns durch den Garten und den Hammam (Badezimmer) eines Hauses, und am Schluss luden sie uns mehrfach ein, bei ihnen über Nacht zu bleiben. Leider hatten wir keine Zeit.
So luden wir uns jetzt von unterwegs bei ihnen ein. Wenn es nicht gepasst hätte, wären wir in ein Hotel gegangen. AliReza wohnt mit seinen Eltern weiter außerhalb, aber die Großeltern haben ein relativ großes Haus in Kashan.Die Großeltern fuhren am nächsten Tag auf eine Reise nach Kerbala, Irak, wo sich das größte schiitische Heiligtum befindet. Somit waren AliReza und seine Mutter F. am nächsten Tag unsere Reiseführer über den Basar und in einige historische Häuser. Einige reiche Kaufleute bauten nämlich für sich oder ihre Schwiegertöchter wahre Paläste, die jetzt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.Hier erstmal ein Bild vom Bazar vom Timche-ye Amin-al-Dowleh, wo es ein Teehaus gibt. Der Teehausbesitzer ließ uns für ein großzügiges Trinkgeld und ohne kleinere Kinder auf das Dach, von wo man einen wunderbaren Eindruck vom Bazar und der Altstadt bekommt.Im Vordergrund seht ihr einen Badgir, einen Windturm, der an heißen Sommertagen durch seine Öffnungen den Wüstenwind nach unten führt, von wo er oft über ein Wasserbecken geleitet noch mehr gekühlt im Haus verteilt wird. Altertümliche Klimaanlagen sozusagen. Die neuen Badgirs sind strombetrieben und meistens von Samsung.Natürlich gibt es nirgendwo Geländer, und deshalb durfte Martje auch nur unter der Auflage mit, dass ich sie ständig an der Hand halte. Xatarnake, gefährlich! hörten wir in diesen Tagen öfter als sonst im Iran. Allgemein werden Kinder nicht viel eigener Experimentierfreudigkeit ausgesetzt. Wohingegen es nichts ausmacht, sein Kind auf dem Motorradtank und noch ein Neugeborenes unterm Arm der Sozia durch die Stadt zu kutschieren.
Auf das nächste Dach nahmen wir alle Kinder mit. Steffi liebt es dann, Geschichten aus 1000undeiner Nacht zu erzählen und den Kindern die Räuber mit ihren Eseln, die Ölschläuche tragen, vor den Augen Wirklichkeit werden zu lassen. Unsere Kinder sind ja nun nicht grade aufs Knie gefallen (außer JanIngmar, der einen dicken Verband tragen musste, weil er in der Schule von der Treppe gestürzt war), wir können einfach nicht verhindern, dass sie in diesen herrlich verwinkelten Palästen sich alles ankucken.
Alle dieser Häuser haben einen oder mehrere Chaharbaq´s (Vier-Garten, den von vier Pfaden oder Wasserkanälen geteilten Garten mit Wasserfläche in der Mitte; so stellte man sich hier das Paradies vor), das größte Haus (Xane-Ameriha) hat derer sieben, aber das bedeckt auch eine Fläche von 9000 qm. Als es Ende des 18. Jht. fertiggestellt wurde, war es das größte in ganz Persien. Selbst der Shah musste klein beigeben.Manchmal kam ich mir allerdings vor wie in einem Haus von M. C. Escher.
Dies ist aus dem Tabatabei-Haus, etwa 4500 qm groß, 200 Türen, 40 Räume. Jetzt stellt euch das noch mit wertvollen Teppichen und eingerichtet vor, und ein Haufen Angestellte – dann ist es wirklich wie das Paradies auf Erden.
Zurück in THR nahmen unsere Kinder gleich ein neues Katzenjunges aus der Mülltonne auf. (Das andere hat einen mehrtägigen Ausflug unternommen. Ob und wann es zurückkehrt, steht in den Sternen.)
Inzwischen gibt es einiges an Schee auf den Bergen zu sehen. Das Wetter ist noch immer T-shirt-Wetter, aber am Morgen braucht man inzwischen eine warme Jacke.
Bevor wir unsere Fahrt unternahmen, waren wir im italienischen Staatszirkus, wo wir uns auf den Auftritt des Zirkus Almani vor krebskranken Kindern einstimmten. Hier der Eingang zum Freizeitpark, in dem das Zelt aufgebaut ist.Es gab nur Männer und Tiere, keine einzige Frau zu sehen. Ein Tchador hindert vielleicht zu sehr beim Salto Mortale.Es wird aber noch einen eigenen Blogpost wert sein, wenn unsere Kinder ihre Vorführungen hinter sich haben.