Motorräder und Mehr

In letzter Zeit war ich öfter im Bazaar, im Zentrum. Hier ist Tehran noch ursprünglich, fast bin ich versucht zu sagen verkommen. Aber es ist nie langweilig, durch die engen Gassen zu spazieren.
Am Tupxune, dem anderen Namen für den EmamXomeiniPlatz steht das Telekommunikationsgebäude, in dem alle Informationen zusammenlaufen. Der Platz ist das Zentrum Tehrans und weiß Gott kein Aushängeschild für die Stadt. Als Erfrischung reichen Straßenhändler Xakeshir, ein Getränk, dass aus Zuckerwasser mit nach Mohn anmutenden Samen besteht. Dann kommt noch etwas Kirsch- oder Granatapfelsaft rein für die Farbe. Besonders bei Hitze sehr lecker.
Auch wenn die rote Beleuchtung und die Anwesenheit von überwiegend Frauen anderes vermuten lassen, ist dies nicht das Rotlichtviertel, sondern nur der Kleidermarkt für Mäntel und das kleine Schwarze im Privaten. Es war früh am Morgen, viel Geschäfte waren noch nicht auf, daher ist noch nicht viel los.
Heute war ich mit A. auf seinem Motorrad dorthin unterwegs. Er kam schon mit einem Fast-Platten, hatte aber gesehen, dass unter der nächstgelegenen Brücke ein mobiler Motorradmechaniker seine Dienste anbietet. Innerhalb von 10 min hatte dieser den Schlauch gewechselt. Normalerweise ist es verboten, an solchen Stellen sein Geld zu verdienen (im Zweifel ist ja sowieso alles verboten – aber alles ist auch verhandelbar). Neben seinem Arbeitsplatz stand ein Polizist unter der Brücke. Die Tochter des Mechanikers war grade 4 Monate alt, deshalb wird er dort geduldet. Und wir erlebten sogar, dass der Bulle ihm Kleingeld lieh, um eine Rechnung auszugleichen. Sonst ist der Geldfluss genau andersherum.
Ich wünschte, ich könnte das Bazaar-Gefühl besser einfangen. Man muss es wohl selbst erleben. Es ist eine ständig von Motorgeräuschen und Menschengeschrei durchsetzte Stimmung.
Überhaupt sind Motorräder das einzige Mittel, die Verkehrsprobleme dieser Stadt halbwegs in den Griff zu kriegen.
Dieser Kondombeförderer hatte unseren Spruch schon öfter gehört. Er verzog nur noch genervt das Gesicht.

Firuz Kuh – Glücksberg

Für den Freitag hatte Annette eine Tour mit 4 Familien nach Firuz Kuh geplant, was 130 km von THR entfernt liegt. Leider war sie krank geworden und wir übernahmen das Kommando. Wir hatten keine Ahnung, was uns da erwartet; sie hatte nur erzählt, dass wir Wechselkleidung mitnehmen müssen. Nachdem wir den völlig überfüllten Parkplatz glücklich erreicht hatten, mussten wir bis zur Tange washi (=schöne Enge) etwa 1 km an Erfrischungsständen vorbeilaufen, bis wir an eine Stelle kamen, wo es links durch einen Wasserlauf und rechts einen Bergpfad hochging.Da, wo der Baum steht, sind wir schließlich rein und wir waren völlig geplättet, wie viele Leute sich durch die Schlucht quälen. Wer nicht laufen möchte, kann sich auch von Pferden hindurchtragen lassen. Es war wie ein Volksfest, alle lachten und viele sangen, jauchzten gegen die Felswände. Nach einer Kurve erwartete uns ein riesiges in den Berg gehauenes Relief, das aus der Qajarenzeit stammt (etwa 150-200 Jahre alt).Etwa 500 m später wurden wir vom Berg wieder ausgespuckt und man kommt auf eine Ebene, von wo man bis zu einem Wasserfall weiterwandern kann. Dies ist der Blick zurück – die helle Stelle markiert die Schlucht. Weil wir zu spät losgekommen waren, gehen wir mal an einem anderen Tag bis zum Wasserfall.
Den Rückweg haben die Kinder und die Hundebesitzer geritten – genossen haben sie es nicht, weil die Pferdeführer ihre Pferde nicht nett behandelten. Martje Johanna von Orleans sagte dem Führer immer wieder „Schlag nicht!“, wofür sie nur „Halt den Mund!“ als Antwort bekam. Ich bekam das erst nach der Bezahlung mit, sonst hätte er nicht den vollen Betrag erhalten.
Wenigstens auf der Ebene durften unsere Pferdefans eine kleine Runde vor atemberaubender Kulisse drehen.
Die Moschee des Ortes bei dem Naturschauspiel:
Der Klassiker: Die Wolken wollen über die Berge.
Ansel Adams wäre stolz auf mich gewesen:

Grad noch Sommer

Jetzt ist JanIngmar wieder ohne Gips. Nach 2 Wochen sollte er abgemacht werden. Als gelernter Krankenpfleger hätte ich das ja eigentlich selber machen können. Aber diese neuartigen Fiberglasgipse sind so hart, dass ich meine Flex gebraucht hätte. Also gingen wir doch ins Krankenhaus. Dort wird gerade eine Moschee gebaut, direkt an den Krankenhausbau dran. Es wird bestimmt ganz hübsch, aber einen größeren Stilbruch kann man sich kaum vorstellen.Am Tag drauf waren wir zu einem deutschen Kindergeburtstag eingeladen. Vorm Haus schlief der Straßenkehrer um 15:00 noch seine Siesta.Da das Wetter noch zuverlässig traumhaft ist, fuhren wir zum Feiern in die Berge an unseren Lieblingswildbach in Darabad, der kaum noch Wasser führt. Am Sonnabend ist nicht viel los, einige Liebespärchen waren dennoch da und turtelten miteinander.
Und Jungs ohne Mädchen haben wenigstens eine Wasserpfeife, die die Rundungen eines Frauenkörpers besitzt, dabei und bringen mit einem Metallkorb, der durch die Luft geschleudert wird, die nötige Kohle zum Glühen.
Zwei Königskinder am gleichen Ufer – trotzdem kommen sie nicht zusammen.Es lag nicht an uns; man besichtigte uns förmlich.
Ein paar Tage vorher waren wir in der Schweizer Residenz geladen. Da der Hausherr ein experimentierfreudiger Koch ist, gab es das persische Nationalgericht Kallehpatche mal unzerstückelt. Ich aß das erste Mal Hirn, war erstaunt, wie weich und schmackhaft das ist, und bin wenigstens darüber schlauer geworden. Das Beste ist jedoch das Wangenfleisch. Schließlich tun Schafe den lieben langen Tag nichts als Kauen, da soll wohl gutes Muskelfleisch bei rauskommen.
Und endlich fanden wir noch vor Schulbeginn Muße, auf dem Dach zu übernachten. Eigentlich wäre es noch nur mit Matratzen und Schlafsäcken möglich gewesen, aber der Mücken wegen bauten wir noch das Zelt auf.
An der Deutschen Schule ist die Einschulung mit einer Woche Verspätung wegen Umbau gewesen, an den persischen geht es jetzt wieder los. Hier ist alles für die Einschulung vorbereitet.
Aber das größte Fest war wahrscheinlich Eid-e Fetr, das Fest am Ende des Ramazan. An dem folgenden Abend waren wir zu Schulkameraden unserer Kinder gefahren, die in der Nähe des Burj-e Milad wohnen. Nach Dunkelheit gab es wiederum Feuerwerk (ich hatte am Vorabend auf Revolution getippt, hätte aber keinen Treffer gelandet) und der Fernsehturm war mit Lichterspielen beleuchtet.Sogar Schwarzrotgold haben sie für uns gemacht:Hier noch ein paar Eindrücke aus dem täglichen Leben: Die Brücke, über die ich fast täglich rüberlaufe, wurde um ein Mittelstück erweitert. In der Mitte der vielspurigen Stadtautobahn wird nämlich eine Busstation eingerichtet. Nun können die Leute ja aber nicht in der Mitte rechts aussteigen, also wurden neue Busse angeschaft, die den Ausstieg auf der linken Seite haben. Bisher fahren sie aber noch auf normalen Routen, und so muss man manchmal ganze Gelenkbusse umrunden, um an eine Tür zu kommen, die man als Mann auch benutzen darf (Frauen nehmen ja bekanntlich die andere).
Jedenfalls ist der Treppenaufgang so bestimmt nicht für die Ewigkeit geplant, es kann aber eine halbe dauern, bis der richtige Zustand wiederhergestellt ist.
Im Schuhgeschäft: Mit Hejab nah bei Gott.
Und wenn Gott nicht dabei ist: Motorradairbag auf Persisch.

Back in the I.R.IRAN.

Jetzt sind wir schon wieder eine ganze Woche zurück in Iran und der Alltag hat uns (fast) wieder. Fast, weil die Schule noch nicht angefangen hat, jedenfalls nicht für die Kinder, für die das Schulgelände momentan zu gefährlich wäre. Vor 2 Wochen wurde angefangen, die maroden Gebäude der DBST umzubauen, und zwar mit vollem Einsatz von mehr als 30 Arbeitern.
Dies ist unser Baubüro – nett, nicht wahr?
Den Arbeitern muss man eigentlich alles an Arbeitsutensilien mitbringen – nur selten haben sie ihr Werkzeug dabei. Der Gips wird noch in echter „Handarbeit“ angerührt und auch aufgetragen. Presslufthammerahmed hat auch meistens keinen Gehörschutz. Aber selbst wenn man Arbeitsschutzgeräte mitbringt, werden diese oft anders genutzt. Seufz.

Weil das Geld aus D zunächst nicht bereitstand, dauert es diese Woche noch, in der Steffi die plötzlich bekanntgegebene „Ganztagsschule“ (jeden Tag bis 16:00) mit ihren Kollegen mit vorbereiten muss. Wie man hört, hat der neue Schulleiter das Visum schon bewilligt bekommen. Die Kinder haben frei.
Auch ist der Alltag nur fast eingekehrt, weil wir noch im Fastenmonat sind. Das heisst, nicht essen, nicht trinken von Sonnenaufgang bis -untergang. Die Jungs warten darauf, endlich essen zu können. Offensichtlich haben sie genug Kraft geschöpft, denn am Tag darauf war die ganze ehemalige Leinwand samt Stütze abgebaut. Abgeschlossen wird der Tag dann mit dem Iftar, dem Fastenbrechen, den die Familien unter sich gemeinsam feiern. Wir waren dennoch bei A. und seiner Familie eingeladen. Vor allem für die, die fasten (und davon gibt es gar nicht mal so viele in der islamischen Republik) wird heißes Wasser mit Nabat (´ne Art Safran-Zuckerwasser) gereicht, um den Magen zu beruhigen. Dann gab es Suppe und Datteln mit Schafkäse und Walnüssen, und als wir schon fast satt waren, raunte A. uns zu, das wäre gerade die Vorspeise gewesen, und nach dem Obst gäbe es dann Abendessen…Da die Kinder schon genug stillgesessen (und fast nix gegessen) hatten, machten wir uns vorzeitig auf den Weg nach Hause, nicht ohne noch genug für die nächsten Tage eingepackt mitzubekommen.
Noch im Haus von A. und seiner Mutterknallte JanIngmar mit dem Zeh gegen ein Stuhlbein, den er sich am Tag vor dem Abflug umgeknickt hatte. Die Mutter von 9 Kindern wusste, was zu tun ist und befahl mir, am kommenden Tag zum Arzt zu gehen. Wir gingen.Natürlich kam dabei raus, dass ich einen Jungen mit Gips nach Hause bekam.
Das läuft hier ja so: Erst kommt man rein ins Krankenhaus. Zur Information. Dort sagt man uns wo der Empfang ist. Schreib mal eure Namen hier auf diesen Zettel. Dann geht ihr mit diesem neuen Zettel zum Sandugh, der Kasse. Dort wird der Gang zum Doktor bezahlt. 11.500 T, etwa 9 € (wie die Praxisgebühr in D), dann diagnostiziert der Doktor mit einem Griff, es ist die Wachstumsfuge angeknaxt. Ob JanIngmar ein Shejtun wäre? Rennt er viel rum? – Ja, antworte ich wahrheitsgemäß. Also bekommt er einen Gips. Woher kriegen wir den? Kaufen wir aus der Apotheke. Die liegt außerhalb des Krankenhauses, immerhin auf gleichem Gelände. Dort bezahlen etwa 12.000 T. Und werden wir wieder mal fotografiert. Also fotografieren wir zurück.Danach zurück zum Empfang, wo jemand wartet, der den Gips macht. Der bekommt auch Geld, seltsamerweise mehr als alle anderen zusammen, 36.000 T. Also müssen wir noch mal zur Kasse. Aber schließlich sind wir wieder zu Hause, und JanIngmar hat einen Fiberglas“gips“ vom feinsten. Am nächsten Tag war er damit sogar baden.Die Plastiktüte war nachher nutzlos, das wäre mit Klebeband wohl haltbarer gewesen. Egal, in 2 Wochen soll er eh wieder ab.Auch für unsere Mädchen gab es viel Spaß am Pool der Kulturbeauftragten, wo wir zwecks Kennenlernens der deutschen Neuankömmlinge mit Kindern eingeladen waren.
Das Wetter ist noch über 30 Grad am Tag, aber es ist recht erträglich. Die Granatäpfel sind in THR fast reif, jedenfalls in unserem Garten,und man bemüht sich, fröhliche Graffitis und Mosaike an den Wänden der Stadt zu befestigen.
Der nahezu tägliche Gang der Kinder führt in den nahegelegenen Park, wo die neu kennengelernte Katze gefüttert werden will.Und vom Grabmal Khomeinis hab ich bei unserer Ankunft aus dem fahrenden Bus (denn 11 Koffer und Handgepäck von 5 Menschen kann nicht im Kleinwagen transportiert werden) ein halbwegs anständiges Foto machen können. Bei Nacht sieht es wirklich nett aus. Man sieht dann nämlich die Baukräne nicht, die seit 20 Jahren die Ruhestätte belagern.