Alles Lüge!

Noch 5 Tage, dann ist Sommer. Das wurde uns versprochen. Wer war das nur nochmal? Nix da, gestern waren die fünf Tage um, aber heute musste ich ein T-Shirt UND ein Hemd anziehen, damit ich auf dem Fahrrad in der früh nicht fröstle. Ist nicht so schlimm, man kann es absehen, dass bald die Sandalenzeit kommt. Und dann stöhnen wir andauernd: Zu heiß!

In den Parks trifft man sich schon jetzt zum Singen in Fischer-Chöre-Massen oder mit den Freunden im Pavillon. Man geht einkaufen, und vorher trifft man sich zum gemeinsamen Singen oder zum Zeitlupensport. Die Chinesen kennen keine Noten wie wir. Es werden Zahlen geschrieben und Bögen darüber und Striche darunter gelegt, ganz nach unten kommen die Schriftzeichen. X1006625

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Und am Nachmittag kann man im Park noch mehr Remmidemmi erleben. Oder einfach nur mit den Kindern seinen Spaß haben. Oder sitzen. Oder sein Zelt aufbauen und dösen. Die meisten Parks kosten Eintritt, bis zu 5 Kuai, das sind 60 ct.X1006811

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Die Sonne sticht schon so stark, dass es schwer wird, seine SMS ohne Schatten zu lesen.X1006822

Jetzt ist die Zeit der Fotosessions gekommen. Wir sind ja keine Ausnahme, wenn es um die Erinnerungsbeweise geht: Wir waren da, und es war soo schön.X1006817

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Die Professionellen können das natürlich viel besser. Soll ich mir meine Kinder als Assistenten heranzüchten? Ach was, so viel besser fotografieren die Profis auch nicht.X1006823

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Die beiden Schreihälse im letzten Wagen sind unsere Süßen.X1006853

Solch ein Messer haben wir jetzt auch in der Schublade liegen. Ich hab gefragt, wo man die Messer kaufen kann, da zeigt der Ananasschnitzer wortlos auf eine Styroporplatte, in dem drei Messer pieken und verlangt 5 Kuai.X1006904

Für Fahrräder ist freie Fahrt. Und für Ostereier sowieso. Dies ist sogar ein Glücksei. So viele 8en hat kein Auto im Nummernschild. E-Bikes, und ein solches ist das Gefährt, brauchen keine Zulassung – glaube ich. Aber wehe, die Polizei kontrolliert, dann wird konfisziert. Von dieser Art Willkür hab ich schon gelesen. Im Bekanntenkreis allerdings noch nie gehört. Dieses weiße Fahrzeug, das kein Nummernschild hat, braucht selbstverständlich eines. Aber konfisziert wird es deshalb bestimmt nicht. Wer Geld hat…X1006907

Unterwegs geht Steffi mit mir in den Drum-Tower, der in mittelalterlicher Zeit die Zeit verkündete.  Die Treppe ist abenteuerlich, ohne Podest, 45° steil, 20 m hoch. Die Holzkonstruktion, die das Dach hält, ist so oft schon übermalt worden,dass die Metallbeschläge nur noch zu erahnen sind. Von oben hat man einen guten Blick über die Gulou-Straße ud die angrenzenden neuen Hutongs.X1006912

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Als Touristenattraktion wird heute noch getrommelt, fast jede Stunde (außer Mittags) zu den Öffnungszeiten. Dafür kommen 5 Mönchhausener und trommeln sich auf den Spanplattenschränken warm, um dann ein kleines feines Konzert zu geben. Ich hatte befürchtet, auch noch Ohrstöpsel zu der Sonnenbrille und der Feinstaubmaske zu tragen zu müssen, aber so laut wird es dann gar nicht. Listen to the music, raise your handys in the air…X1006947

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Bis in den Park, in dem die schöne Kirschblüte zu sehen ist, schaffe ich es mit Steffi nicht mehr, denn es sind so viele Einkaufsmöglichkeiten unterwegs zu sehen. Im Tianyi-Markt, den ich schon zur Weihnachtszeit gesehen habe, müssen wir einen Blick wagen. Die Weihnachtsmänner stehen nur noch vor der Tür, die Verkaufsräume sind nicht mehr ganz so vollgestellt. Aber immer noch sieht es hier aus, als hätte Disneyland ein Ladengeschäft aufgemacht.

Diese Aschenbecher würde es in Disneyland natürlich nicht geben. Dazu ist Amerika vermutlich zu prüde.X1006972

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Die Blüten machen einfach gute Laune.X1006998

In unserer Nachbarschaft ist ein neuer Park entstanden, der zur Zeit fast unter Wasser steht. Der freie Platz, der durch die aufgeständerten Stadtautobahnen vakant wird, hat man hier für den Erhalt der Lebensqualität genutzt. Obwohl, ich bevorzuge eine Möglichkeit der Entspannung, bei der ich nicht direkt vor Augen habe, wovon ich mich entspannen muss.X1007005

Mysterien von Mittelerde

Jeder Tag im Reich der Mitte zeigt uns, wie wenig wir von den Gepflogenheiten begreifen. Viele Dinge können wir uns erklären lassen von denen, die schon länger als wir hier leben. Manches wird auch auf viele Arten falsch erzählt und geistert dann als Hörensagen in der deutschen Community herum. Als Beispiel fällt mir das Gebäude, das neben der „Großen Unterhose“ steht, ein. Verbrieft ist, dass es in der Nacht zum Neuen Chinesischen Jahr 2009 in diesem Hochhaus gebrannt hat. Und zwar so lange, bis es nicht mehr nutzbar war. Schuld war ein Feuerwerk, das auf dem benachbarten CCTV-Tower abgebrannt wurde. Seitdem sind einzelne Raketen im Stadtgebiet verboten. Noch immer steht ein Bauzaun davor und man hört, dass es nicht renoviert werden kann, weil es voller Asbest steckt. Das steht aber irgendwie im Gegensatz zu dem Gerücht, dass der Architekt eine brennbare Wärmedämmung verbaut haben soll, die hinter der Fassade schmorte, bis das ganze Ding wie eine Riesenfackel in Flammen stand. Angeblich kann man es nicht abreißen, weil die Statik des CCTV-Towers dadurch nicht mehr ausgeglichen sei und dieses zusammenbrechen könnte. Andere sagen, dass die darunterliegende U-Bahn eine Sprengung des Klotzes verhindert. Übrigens ist der Architekt nach dem Brand für die Wahl der falschen Wärmedämmung hingerichtet worden.

Die Gerüchteküche wird auch nicht gerade klarer, wenn das Staatliche Fernsehen, dem beide Gebäude gehören, über den Brand und die Folgen nichts berichtet, denn wer ist Schuld am Feuer? Der Fernsehsender selber.

Nichts zu wissen ist nicht gut, nichts wissen zu wollen ist schlimmer. Falsches Wissen weiterzugeben ist am schlimmsten.

Ich versuch´s trotzdem. Die folgenden Statements sind komplett aus der Luft gegriffen, stimmen aber vielleicht doch:

Diese alten Leute kommen vom Lande und sind in einer der spektakulärsten Shoppingmalls auf ihren Klappstuhl gesunken. Sie warten auf ihre Kinder, die durch die Läden ziehen und das Ersparte ihrer Eltern auf den Kopf hauen, um der im Absturz begriffenen chinesischen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Vater musste seinen Sitz bereits gegen ein T-Shirt für seine Enkelin eintauschen.L1058134_1

Diese blauen Kappen werden  den Vogelkäfigen übergestülpt, damit die Piepmätze nicht an Smogdämpfen eingehen. Jeden Morgen trägt der verantwortungsvolle Vogelwart seine Käfige in den Park und hängt sie an die Bäume. Dort können die Sittiche mit ihren Nachbarn Geschichten austauschen. Beim Transport der Käfige werden die Arme stark vor und zurück geschwenkt, um den Vögeln das Gefühl zu geben, der Wind würde wehen. Danach haben sowohl Vogel als auch Vogelhalter den Morgensport erledigt.L1058440_CF

Laut rufend zog diese Prozession von jungen Leuten im schnellen Gleichschritt an mir vorbei. Ich war auf dem Fahrrad und musste richtig in die Pedale treten, um sie abzulichten. Die jungen Leute sind Makler und bewerben mit dieser Aktion ihre neu eröffnete Filiale. Sie müssen dafür 8 Tage lang (Glückszahl) 8 Blocks umrunden, sonst wird ihr Geschäft vom nächstgrößeren Konkurrenten übernommen.L1058445

Jeder freistehende Baum in Peking soll eine solche verchromte Manschette bekommen, da die Vielzahl von Hunden dazu führt, dass die Bäume eingehen oder umkippen wie dieser, wenn Gassi gegangen wird. Die feuchte Markierung auf dem Boden zeigt bereits die Wirksamkeit dieser Maßnahme. Der Hund kann den Baum nicht mehr erreichen.L1058447_CF

Durch Infiltrierung der Modeindustrie ist es dem Militär gelungen, die Akzeptanz der Farbe Camouflage in der Bevölkerung durchzusetzen. Um nicht nur die Menschen auf  einen möglichen Angriff Putins vorzubereiten, ist man dazu übergegangen, auch die Parks entsprechend zu präparieren. Vom einfachen Umwickeln mit Papierschlangen ist man inzwischen auf die Züchtung von Camouflage-Bäumen übergegangen, so dass ein lange ersehnter Regen nicht mehr nur Schaden an der Baumverkleidung hervorruft, sondern sogar ein Wachstum begünstigt.X1006241

Diese Karpfen in unserem nächstgelegenen Supermarkt sind gerade in der Häutungsphase, was man deutlich an den abschilfernden Hautteilen erkennen kann. Wenn der Prozess abgeschlossen ist, werden wunderschöne (und teure) Koikarpfen vom Becken in Plastiktüten umziehen. Von dort geht es dann in die Teiche der umliegenden Parks. Qualität wird groß geschrieben, daher sind die vielversprechendsten Exemplare bereits mit QM-Tags versehen.X1006409

Zufrieden zählt der Eierverkäufer seine Einnahmen. Je nachdem, in welchem Tee die Eier monatelang gelegen haben, haben sie ihre Färbung bekommen. Grüne Eier kosten grüne Geldscheine (1 ¥), braune braune Banknoten (0,5 ¥). Weil der 100 ¥ Schein rot ist, arbeitet der Mann gerade an der Entwicklung von roten Eiern. Da Schwarztee, wie wir ihn kennen, hier hong cha, wörtlich übersetzt Rot-Tee genannt wird, wird diese Aufgabe nicht leicht zu lösen sein. Schließlich will auch in China keiner mit Schwarzgeldern in Verbindung gebracht werden. Wir wünschen viel Glück.X1006632

Frühling

Jetzt ist auch bei uns der Frühling da – und alle, die schon mal diese Jahreszeit hier erlebt haben, versichern uns, dass dieser Zustand jetzt 5 Tage lang anhält – und dann in Sommer übergeht. Uns ist es jetzt schon beinahe zu warm. Des Nachts können wir nur ohne Federbett ruhig schlafen, denn die Heizung ist noch nicht abgeschaltet. Ende des Monats wird es soweit sein. Die Kirschblüte ist in vollem Gange.X1006491

Bei unserem ersten Frühjahrsspaziergang mit Solveigh treffen wir auf ein Pärchen, das seinen Kreisel schlägt. Dieser summt, weil er senkrechte Schlitze an der Trommel hat, und er ist mit LED-Leuchten ausgestattet, so dass dieser Sport im Dunkeln auch noch Spaß macht. Wir fragen, ob wir auch mal dürfen und stellen fest, dass es einfacher aussieht als es ist. Solveigh hat jedenfalls nur noch Kreisel im Kopf.X1006479

Die Stühle in den Parks werden schon seit einiger Zeit wieder rausgeholt. Hier versammeln sich die meist älteren Mitbürger, um Mah-yong, Poker oder XiangQi zu spielen. Immerhin beginnt die Rentenzeit der Chinesen normalerweise mit dem 55. (Frauen) oder dem 60. (Männer) Lebensjahr.X1006494

Gestern beim Nachhausefahren sahen wir ein lebendes Verkehrsschild: Die Baustelle an der SanYuanQiao-Brücke ist heute besonders abgesichert. Man soll langsam fahren. Schnecken an einem Stock sind lange nicht so wirkungsvoll präsentierbar, also nehmen die Bauarbeiter das nächstlangsamere Tier. Furchtbare Tierquälerei. Ich verstehe nicht, warum man statt der Schildkröte nicht ein Schild malt, meinetwegen mit Schriftzeichen und einem Bild. Zur Ehrenrettung der Chinesen sei geschrieben, dass auch Einheimische den Kopf schütteln.X1006612

oough! Chinesisch.

Ein paar Worte zur Sprache: Seit fast 8 Monaten habe ich Chinesisch-Unterricht, zwei mal die Woche. In der Deutschen Schule, die für Eltern und Lehrer einen Kurs für umsonst anbietet. Unsere Lehrerin ist eine Chinesin, die behauptet, dass ihre Freunde über sie sagen, sie sei inzwischen mehr eine Deutsche als Chinesin.

Chinesisch ist eine Silbensprache: jedes Zeichen entspricht einer Silbe. Aber nicht jede Silbe entspricht nur einem Zeichen. Nun gibt es nicht soo viele Silben. Mit etwa 400 kommt die chinesische Sprache aus. Schriftzeichen dagegen sind es bis zu 60.000. Der gebildete Chinese kennt durchschnittlich 7.000, Zeitung lesen geht mit 3.000.

China heißt übrigens in China gar nicht China oder Kina oder etwas ähnliches. Zhong guo ist die Bezeichnung für Land der Mitte. Und die Sprache selber heißt Hanyu. Nach der Volksgruppe, die am häufigsten vertreten ist, den Han-Chinesen.

Alle Sprachkurse, die ich bisher gesehen oder gehört habe (als Buch, Software oder HörCD), gehen ähnlich vor: Begrüßung, Uhrzeit, Berufe, Essen, Kaufen, Verkehr, Orientierung, Wetter, Hobbies… Daher ergänzt sich mein Real-Life-Kurs mit der Softwarelösung ganz gut. Wenn es geht, lerne ich jeden Tag eine Stunde mit Rosetta Stone. Das ist Software, die ohne Übersetzung auskommt, nur mit Bildern arbeitet. Zwei Schritte vor, einer zurück, mit viel Wiederholungen verankern sich die Worte in den Hirnwindungen. Und die weitgehend richtige Aussprache wird auch noch kontrolliert. Ich habe im chin. Silberscheibenparadies etwa 9€ bezahlt, an denen Rosetta nichts verdient. In Deutschland kostet das Original das 20-fache.

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Der Anfang ist noch einfach: Ni hao ma? und Wo hen hao: Wie geht´s? und Mir geht´s gut! sind Floskeln, die leicht von den Lippen gehen. Aber dann kommen die Töne dazu, die in vier verschiedenen Höhen der Silbe unterschiedliche Bedeutungen geben. 400 Silben mal etwa vier Töne sind etwa 1600 Silben. Kommt mir wenig vor. Weiß jemand, wieviele Silben Deutsch besitzt? Ich hab auf die Schnelle keine Antwort gefunden, aber ich glaube, mehr.

Ich habe mir inzwischen vorgenommen, auf der Suche nach Eselsbrücken unsere Lehrerin nicht mehr zu fragen: „Ist diese Silbe die Gleiche wie im Wort xxx?“ Denn fast immer lautet die Antwort entweder: „Nein, es klingt zwar gleich, aber das ist ein anderes Schriftzeichen.“ Oder wir hören ein höfliches: „Das klingt ein wenig anders, du musst die Stimme anheben (oder senken, oder senken und heben, oder gleichbleibend hoch sprechen). Übrigens ist das auch ein anderes Schriftzeichen!“ Frau Kou, die wir Nancy nennen dürfen, sagt auch: „Chinesisch ist eine isolierte Sprache.“ Und meint damit, dass hanyu oder auch zhong wen (damit ist dann gleich alles gemeint, was mit dem Chinesischen zu tun hat, Sprache und Essen und Kunst und Schrift, also chinesische Kultur)  mit keiner anderen Sprache verwandt ist. Deshalb ist das so schwer. Und es gibt keine, aber auch gar keine Worte, die uns von woanders her bekannt sind. Im Persischen ist ja wenigstens ein Lastwagen ein kamion, den der Franzose auch so ähnlich nennt. Der zhong guo ren sagt dian nao und meint Computer, das in jeder anderen Sprache (außer Französisch wieder mal) Computer heißt.

Es gibt eine Art Lautschrift, die Pinyin heißt und die ans Englische angelehnt die Silben in eine für Europäer lesbare Form bringen soll. Leider muss man auch die Buchstaben in der Aussprache lernen, denn der Deutsche (de guo ren – Tugend Land Mensch) liest anders. Deshalb wird man oft verständnislos angeschaut, obwohl alle Buchstaben da sind, ein falscher Ton, und nichts wird verstanden. Aber auch im Land schaut sich der Einheimische verständnislos um, wenn er woanders ist. Viele Dialekte sorgen für babelartige Zustände. Mandarin/Hanyu als Staatssprache soll das Problem lösen, tut es aber nicht. So bleiben nur die Schriftzeichen, denn die bedeuten in ganz zhong guo das Gleiche, auch wenn man es anders nennt. Na, ist ja in Deutschland ähnlich. Ich versteh die Bayern auch nicht, wenn sie am Schwätze sin.

Mein Stand zu diesem Zeitpunkt? Ich kann ins Managementbüro gehen und dort sagen: „Unser Wasser in Dusche und Küche ist kalt. Nicht heiß. Bitte schick Monteur.“ Die Antwort? Ich hab keine Ahnung, was sie genau sagen. Ich hoffe auf die Erfüllung meines Wunsches. Nach einer halben Stunde kommt tatsächlich jemand, dem ich zeigen kann, was los ist. Jetzt wird das Wasser heiß. Komisch eigentlich, denn er und sein Gehilfe, der einen Schraubenzieher und eine Zange trägt, hat nichts gemacht. Vorführeffekt. In ein paar Tagen werd ich wieder runtergehen.

Die Antworten kann ich fast nie verstehen, weil die Beijinger ihre Worte gurgeln, nie so sprechen wie im Hörbuch oder der Software. Und dann sind da noch die Händler im Markt, die gar nicht von hier sind. Bei ihnen klingt Zehn wie Vier und man muss mir ins Portemonnaie greifen und das Geld herausklauben. Die Beijinger kann ich meistens ohne Nachfrage bezahlen.

Nur, weil die Frage bestimmt aufkommt: Nein, unsere Kinder lernen (noch) nicht Chinesisch. Nebenbei bleibt manchmal was hängen, die Zahlen bis zehn zum Beispiel. Im nächsten Schuljahr vielleicht. Es war anstrengend genug für sie, sich zu orientieren und Stoff aufzuholen.

798 nochmal!

Bei bestem Wetter ohne Kenntnis der Feinstaubwerte fahren wir mit dem Fahrrad zum Künstlerreservat 798, wo immer wieder neue Ausstellungen gezeigt werden. Die Kinder sind diesmal mit, damit sie mal sehen, dass es außer Schule und Shoppingcentern noch andere Dinge in ihrer Wohnstadt zu besichtigen gibt.

Ich finde am interessantesten, wie die Chinesen selber ihre Stadt entdecken. Mit großen Augen und noch größeren Kameras wird das Viertel aufgesaugt. Martje hat die ersten drei Foto´s beigesteuert. Sie hat wohl wenigstens den Blick des Vaters geerbt…;-))

Die Leute sitzen gar nicht in einem Gefängnis. Der Riesen-Käfig ist eine Spiegelung von der Galerie gegenüber.D7K_9024

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Dieser Künstler malt mit Lötkolben auf Holztafeln. Ja, kennen wir vom Weihnachsmarkt. Aber so fein, als wäre es eine Lithografie. Sehr beeindruckend.L1058352

Wer es kann, verdient sich mit dem Zeichnen von Portraits oder Karikaturen von Passanten etwas Geld. Die Preise reichen von 20 bis 200 Kuai (25 €) pro Zeichnung. Menschentrauben kündigen etwas Interessantes wie dieses schon von weitem an. L1058371

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Und überall werden Photos zur Erinnerung geschossen. L1058357

Viele Fotosessions behandeln Braut und Bräutigam – oder jemanden, der von sich mal Bilder in einer anderen Identität möchte.L1058380

Immer mal wieder steht jemand (natürlich ein Mann) an einer Mauer oder einem Baum und pinkelt dagegen, aber nötig ist das selten. In Beijing braucht keiner Angst haben, keine Toilette zu finden. Auch wenn es in einfachen Restaurants selten Ruheräume gibt, wie der Engländer zu sagen pflegt, ist ein Scheißhaus nie weit entfernt. Darin sind meistens Kloschüsseln á la Südfrankreich und den arabischen Ländern zu finden. Also Stehklos. Da man darauf hockt, ist die Schamwand zwischen den Örtlichkeiten manchmal nur hüfthoch, so dass man beim Aufstehen sehen kann, was der Nachbar produziert. In den Hutongs gibt es auch in den Häusern meist keine Toilette, so dass unter Nykturie Leidende im Schlafanzug raus müssen. Aber ich hab es schon mal geschrieben: Das Wohnzimmer des Chinesen ist draußen.L1058398

Diese Jungs drehten einen Film und waren eigentlich gar nicht scharf drauf, fotografiert zu werden. Es könnte Ärger mit den authorities geben.L1058405

 

Frisör

Wie man unschwer erkennen kann, ist mein Gang zum Haarschneider längst überfällig. Die Leute lachen schon.DSC_1445

Dieser Gang ist für mich stets wie einst der von Heinrich IV. Meine Friseursitzungen kann man beinahe an einer Hand abzählen. Als ich Kind war, hat mein Vater das immer gemacht, als ich groß wurde, waren die Haare schulterlang, da konnte es jeder mit ´ner Schere schneiden. Und seit Martje ein Jahr ist, sind meine Haare auf zeit- und shampooschonender Länge – bei Schnitt durch meine Frau meist 13mm. Seitdem wir in China leben, kann ich ihr das nicht auch noch abverlangen, nicht, wenn jedes zweite Ladengeschäft ein Friseursalon ist.

Schwierig ist es nicht wirklich, alle Haare auf einheitliche Länge zu kürzen, also kann das auch jemand aus dem Frisörpark machen. Gestern und vorgestern war kein Coiffeur da, heute ist aber alles gerappelt voll, sowohl von Frischluftgenießern als auch von Händlern und Dienstleistern.X1006265

Es wird zwar etwas zu kurz, aber wenn ich nicht gut genug Chinesisch spreche, kann ja nichts anderes dabei raus kommen. Mein Frisör ist in Rente und verdient sich im Park etwas dazu. 12 ¥ macht das dann für die Viertelstunde Arbeit, etwa 1,50€. X1006255

Eine Motorradbatterie versorgt den Rasierer mit Energie. Der Rest ist fingerbetrieben.X1006261

Der Meister der Schere zeigt nach dem Feintuning, dass er auch etwas aus Deutschland besitzt: zwei Rasiermesser aus Solingen, von denen das eine 80 Jahre alt ist. Er hat es von seinem Meister bekommen, und der wiederum von seinem. Da wird doch noch mal was wertgeschätzt!X1006263

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Apropos Frischluft: In letzter Zeit sieht man wieder kleine Kinder draußen, die mit Schlitzhosen rumlaufen. So können sie überall hinpinkeln oder -kacken, ohne dass gleich eine Windel schmutzig wird. Der Nebeneffekt ist, dass sie innerhalb eines Jahres trocken sein sollen. X1006247

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Antikmarkt BaoGuoSi

Mehr als eine Stunde Fahr(rad)zeit entfernt ist ein Tempel, der offenbar für die Religion nicht mehr gebraucht wird. In den Häusern sind Shops untergebracht und auf der Freifläche bieten Händler ihre antiken und auch nicht so alten Habseligkeiten zum Kauf an. Ich wär ja nicht so bald dahin gefahren, hätte Sandra von der Fotogruppe diese Örtlichkeit nicht entdeckt und uns nahegebracht.

Er hier spricht ein bisschen Englisch und wich uns eine Weile nicht von der Pelle.L1058173

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Die blauen Dinger an seinen Ärmchen sind Ärmelschoner. Häufig sieht man Leute, die auf der Straße arbeiten müssen, damit. Wer kann sich schon leisten, den Mantel oder das Jäckchen immerzu waschen zu lassen? Abends wird der Überzug abgemacht und alles ist (fast) noch wie neu.L1058182_1

„Bevor das Spiel verkauft wird, spielen wir noch schnell ne Runde.“ Muss ein tolles Spiel sein, wenn es von hunderttausenden Menschen jeden Tag gespielt wird, oder? Im Ernst, ich wollte eines dieser chinesischen Schachspiele kaufen, aber die Steine sollten umgerechnet 100 € kosten. Ich finde bestimmt noch welche für 10 € in unserem ZuoJiaZhuang-Markt um die Ecke. Oder ich druck mir erstmal Steine Papiere aus und lern die Regeln.L1058190_1

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Überhaupt sind die meisten Sachen schwer überteuert, aber ein paar Hinstellchen ergattere ich doch. Diese Minikürbisse für 5 ¥ das Stück sind Handschmeichler und Glücksbringer in einem:L1058193_1

Mao und MickeyMouse können gut nebeneinander koexistieren.L1058195_1

Mao ist in diesem Tempel überall zu sehen. Ob er sich als Atheist und Religionsabschaffer vorgestellt hat, mal in einem Tempel als Vollpfosten ausgestellt zu werden?L1058200_1

Ernsthaft kaufen Leute diese Scherben. Wer weiß, welche Qing-, Ming- oder Ling-Dynastie mit diesem Ding anfing, mag einen Wert darin sehen. Ich habe zum Glück keine Ahnung davon.L1058202_1

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Das Rote Buch ganz oft und die einzige Schallplatte (wahrscheinlich die Nationalhymne).L1058220_1

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Und zum Mittag gibt es Bratnudeln mit Spinat. Dies ist der Nachbarstand, an dem es Essen in Styroporboxen zum Mitnehmen gibt.L1058233_1

Unser Essen kommt auf Tellern. Wie an vielen Ständen, die keine Möglichkeit zum Abwaschen des Geschirrs haben, ist der Teller in eine Plastiktüte eingepackt. Die wird dann einfach weggeschmissen und der Teller kann vom Nächsten benutzt werden.L1058242_2

Erdbeerzeit

Alles Rote bringt hierzulande Glück. Und merkwürdigerweise ist gerade Erdbeerzeit. Ich weiß nicht, wo sie herkommen, aber sie sind wohl aus China. Wer sonst würde sich die Mühe machen, sie nach Himmelsrichtungen auszurichten und so auf dem Markt feilzubieten? Sie sind sogar sehr schmackhaft. Ich erinnere mich noch gut an unser letztes Jahr in Iran, wo an der Straße chinesische Erdbeeren angeboten wurden und uns abgeraten wurde, zuzuschlagen, denn sie seien mit Cadmium versetzt, um so schön rot zu werden. Die, die wir kaufen, sind so mittelrot. Ich glaube aber nicht, dass wir Gefahr laufen, leuchtende Beispiele von chinesischer Lebensmittelvergiftung zu werden. Well, one never knows. X1000595

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Wind

Am Abend dieses furchtbaren Tages mit schneidbarer Luft, kommt Wind auf. Zugleich regnet es, zum ersten Mal seit Monaten. Es dauert etwa eine Stunde, bis der Himmel in klarstem Blau erstrahlt. Genau 24 Stunden nach meinem letzten Foto mit der grauen Suppe sieht es wieder schön aus in Beijing.

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