Wie verbringt man 10 Tage in Beijing?

Was kann man alles sehen, wenn man nur 10 Tage in Beijing zur Verfügung hat? Reicht es für die meisten Sehenswürdigkeiten aus?
Ich weiß, dass japanische Touristen in 10 bis 14 Tagen ganz Europa bereisen und damit ganz zufrieden sind. Beijing ist dagegen ja klein, auch wenn dessen Bevölkerungszahl immerhin 1/30 von Europa beträgt. Wieviel kann man nun schaffen, wenn man bei einer Familie wohnt, die schon 6 Jahre in Beijing lebt? So, dass man es trotzdem noch als Urlaub erlebt und nicht als Hetzerei?
Tag 1:
Wieder einmal verstehe ich am Flughafen nicht, warum der Wartebereich immer in Milchglas ausgeführt ist, so dass man nicht frühzeitig sehen kann, wer kommt.
warum-milchglas2
Angekommen morgens um 9 darf man sich nicht verleiten lassen, sich ein wenig auf dem Bett auszuruhen, weil man dann womöglich den Tag verschläft und die Nacht über wach durch die Wohnung tigert. Also nach der obligatorischen Anmeldung bei der Polizei, die ich diesmal in etwas einer Stunde rekordverdächtig schnell erledigte, kann ich mit den Gästen die nähere Umgebung zu Fuß erkunden.
polizeianmeldung
Jedes chinesische Kaufhaus hat im Dachgeschoss oder im Keller einen Imbissbereich, wo man sich aus einer Vielzahl von Essensvarianten seinen persönlichen Liebling aussuchen kann.
restaurant
Danach fahren wir mit dem Bus zum 798, dem zu einem Kunst/Kommerzgebiet umgewandeltes Indutriegelände, auf dem einst Radiobauteile gefertigt wurden.
798_Blue
Auch für mich ist es nie langweilig, hier durchzulaufen, weil sich immer etwas neues finden lässt. Hier haben uns die riesenhaften Fotos von Leila Alaoui aus ihrer marokkanischen Heimat beeindruckt.
798 Leila Alaoui
Tag 2:
Der beste Einstieg in das noch unbekannte Peking ist ein Besuch in der Beijing Planning Exhibition Hall, die in den meisten Reiseführern nur erwähnt wird.
Hier hatte ich vor Jahren schon mal meine Begeisterung geteilt. man bekommt gut einen Überblick über die Riesenhaftigkeit der Stadt und sieht gut, wie sie organisiert ist. Für mich immer fast die erste Attraktion mit Neuankömmlingen.
Danach geht es durch die QianmenDaJie, die Dashilar und die LiuLiCheng, ein zwar renoviertes, aber in Teilen noch ursprüngliches Gebiet südlich des Verbotenen Platzes.
Dashilar Seitenstraße
Der letzte Punkt ist das National Center for Performing Arts, das von Wasser umgebene Ei, in dem Opern und Konzerte stattfinden. Manchmal kann man es von innen besichtigen, ohne eine Veranstaltung zu besuchen. Das Glück hatten wir nicht.
Am Abend ging es zur Feier anlässlich der Deutschen Einheit.
Botschaft_Q+S+U

Tag 3:
Diesen Tag verbringen unsere Gäste alleine. Die Verbotene Stadt schließt für die Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag. Ich kann gerade noch morgens Eintritts-Karten online für den letzten Tag ergattern.
Am Abend die Besichtigung der Deutschen Schule bei der Lesung von zwei Titanic-Redakteuren.

Tag 4+5:
Wir fahren mit einem Taxi nach HuangHuaCheng, genau genommen nach XiShuiYu, wo wir in dem kleinen Gasthaus DeRunJu 3 Zimmer belegen. Der Park, in dem sich einige Mauerabschnitte befinden, ist ganz neu ausgebaut und für das 70jährige Bestehen der Volksrepublik herausgeputzt worden.
XiShuiYu
Am Abend sitzen die Gäste auf der Dachterrasse und singen Karaoke.
Karaoke an der Mauer
Morgens ruft uns der Tofu-Mann aus dem Bett.
Der Doufu-Mann
Auf der Mauer ist es voll. Viele Gruppen haben hier ihre Treffen und müssen Aufgaben bewältigen.
Teambuilding
Teambuilding2
Teambuilding3
Die Mauerlandschaft sieht in jedem Licht gut aus.
XishuiyuL1001665
Es gibt einiges Skurriles zu sehen und zu hören. Die Schreie, die durch die Landschaft gellen, sind von Leuten, die für eine überdimensionale Trompete eine App bemühen und damit, je nachdem wie laut und wie lange sie hier hereinschreien, eine Fontäne im See in die Höhe zu treiben. Das war es dann mit der Ruhe im Paradies.
Trompete treibt Fontäne an
Die Mauer besetzt den Bergkamm wie ein Drache.
Mauer-Drache
Im Ort hat neben der Tradition auch Innovation einen Platz.
Roboter
Das Wichtigste bleibt jedoch der Mensch. Selten hatten wir so aufmerksame Gastgeber wie in unserer Unterkunft.
L1001774
Das Wetter blieb die ganzen Tage gut. Wir essen ja auch immer alles auf.
Aufgegessen

Tag 6:
Weil Brillen in Peking unschlagbar günstig sind und eine Ersatzbrille schnell (3 Tage für eine Gleitsichtbrille) gemacht ist, begeben wir uns mit Fahrrädern zum PanJiaYuan. Dort ist das Brillenzentrum Beijings und ganz in der Nähe ein Trödelmarkt.
Auch hier ist schwer geschmückt.
Fahnen
Serien-Ölbilder kann man für ca. 30 Euro erstehen. Wahrscheinlich kann man den Preis noch drücken.
Bilder in Öl
Und Maoplastiken allerorten in Plasig und hinter Glas.
Mao in Alabaster und Plastik
panjiayuan-mao
Hmm.
L1001799
Im 80.Stock im CBD.
zhongcunL1001854
Norden-BJ_L1001860

Tag 7:
Ein Tag im Lama-Tempel und den Hutongs.
2019_09_M4_APX400_33
2019_09_M4_APX400_32
Gerade ist die Gegend um den Lamatempel renoviert worden mit breiten Bürgersteigen und neuen Fassaden.
2019_09_M4_C200_12
Mittags esen wir im Dali-Restaurant. Hier gibt es gutes Essen ohne Speisekarte. Einfach überraschen lassen.
Granatapfel-Dali
Danach schauen wir uns die Hockney-Ausstellung im XiaoLiang-Hutong an. Sie ist mit fast 25 Euro zwar ziemlich teuer, aber eine Jahreskarte ist nur unwesentlich teurer. So können wir noch öfter im MWoods-Museum kucken gehen. Er hat sich auch mit der Verbotenen Stadt beschäftigt.
Hockney

Tag 8:
Einen ganzen Tag kann man im Himmelstempel verbringen. Inklusive Tennis-Spielen.
Und zuschauen wie andere Sport machen.
diablo_L1001989
Himmelstempel

Tag 9:
Ein Ausflug ins CAFAM, das Museum der Kunsthochschule ist immer interessant, allein schon wegen des Gebäudes.
Die Kunst ist natürlich auch ganz schön.
Mao-im-Museum
Tag 10:
Abflug. Zaijian!

Das war es, was in 10 Tagen in etwa machbar ist. Besuch ist für mich immer ein Ansporn, die Stadt noch besser kennenzulernen. Beijing ist nie langweilig.
Um die Frage am Anfang zu beantworten: Nein, 10 Tage reichen nicht.

Garten-Expo in Yanqing

Im April kam Frau Klöckner in die Stadt, um die Garten-EXPO im Deutschen Pavillon zu eröfffnen.
Ich wurde gefragt, ob ich die offiziellen Fotos machen könnte. Da sagt man ja nicht nein und freut sich über ein kleines Zubrot.
Jetzt sind sie online und hier anschaubar:
2019-09-24_EXPO
expo2019 (1465_chen)
expo2019 (1019_oton)
Man mag ja politisch über Julia Klöckner denken, was man will, aber sie tritt professionell auf. Sie begrüßt auch den geringsten Mitarbeiter mit Handschlag.
Hier sind noch mehr Bilder.

Phoenix Satelliten-Fernsehsender

Immer schon seit wir in Peking sind wollte ich das wie ein gläsern-metallener Donut an der südöstlichen Ecke des ChaoYangParks liegende Gebäude besichtigen. Leider war es nie für die Öffentlichkeit geöffnet. Jetzt gab sich doch die Möglichkeit. Ein Skulpteur hat zur Zeit hier seine große Ausstellung. Bei weiterhin laufendem Betrieb kann man die heiligen Hallen und nebenbei noch die Bronzen eines chinesischen Künstlers besichtigen.
Phenix_aussen_s

Donut

Phenix13

Am Tresen kauft man eine Karte für 100 RMB. Vielleicht ist es der relativ hohe Ticketpreis, weswegen wir fast alleine dort waren. Peking hat so viel zu bieten, man kann auch nicht überall hin.
Phenix14

Herr Zhang führte uns durchs Haus und zeigte uns die coolsten Spots zum Fotografieren.
Zhang Xiansheng

Phenix16

Phenix09

Phenix08

Phenix11

Phenix08

Phenix_Pano1

Es ist, als wäre man im Himmel.
Phenix06

Auch der innere Außenraum ist wunderschön, unter anderem weil man vom Straßenlärm abgeschottet ist. Nicht dass Beijing eine sehr laute Stadt wäre; jetzt, wo die Elektroautos gefühlt schon 25% aller Fahrzeuge ausmachen, erst recht nicht.
Phenix12

In Real Life – Alexander

Die meisten meiner Fotos landen irgendwann bei flickr.com, hauptsächlich, weil ich sie dadurch gut in meinen blog einbetten kann.
Natürlich kucke ich auch, was andere Fotografen so machen. Dabei bin ich über jemanden gestolpert, der in Peking ähnliche Bilder wie ich macht, aber offensichtlich viel in U-Bahn-Nähe fotografiert. Zudem lichtet er Orte ab, die ich schon oft aufgesucht habe, die aber wie aus einer anderen Zeit stammen. Sein Flickr-Konto findet ihr hier.
Eine Besonderheit ist, dass jedes Foto mit einem Orts-Tag versehen ist, so dass man genau sehen kann, wo es aufgenommen wurde. Dafür trägt er einen GPS-Tracker mit sich herum, der am Computer später mit der Kamera synchronisiert wird.
Ich dachte mir, es wäre ganz nett, sich mal mit ihm zu treffen, also schrieb ich Alexander eine eMail. Er antwortete prompt und etwa einen Monat später trafen wir uns in seiner Hotel-Lobby.
Fast 2 Stunden saßen wir bei einem Bier nach vier zusammen.
A2019_08_Mat_Ektar100_12
Alexander ist für einen Öl-Konzern regelmäßig in China und hat neben seinen geschäftlichen Treffen relativ viel Zeit, die er nicht im Hotelzimmer verbringt. Ihn interessierte die Pekinger Metro und daher fragte er sich, wie Beijing am Ende der U-Bahn Linie 1 wohl aussehen würde. Das war vor 10 Jahren PingGuoYuan. Als analytisch arbeitender Mensch machte er sich als nächstes auf, das genau andere Ende der Linie 1 anzuschauen. Danach den benachbarten Bahnhof und Umgebung. Inzwischen geht er von einer Station der einen Linie zur nächstgelegenen Station der anderen Linie, manchmal auch viele Stationen weiter. Dadurch sieht er noch ganz andere Gegenden. Die Metrokarte, die er mir vorlegte, zeigte überall rot ausgekreuzte Metrostationen. Ihm bleiben nur noch etwa 10 %, die er noch nicht gesehen (und fotografiert) hat. Und Beijing hat viele Stationen! Wenn ich richtig gerechnet habe, 391 und es werden noch mehr!
Die U-Bahn bei Wikipedia.
Beijing-Subway_en
Seine letzte Wanderung wird von Guangzhuang(关庄)Linie 15 bis Guangzhuang(管庄)Batong-Linie verlaufen, das sind 40 km.
Bei einem der Heimflüge nach Holland bearbeitete er am Laptop seine fotografische Beute, als ihn sein Sitznachbar ansprach und lobte:“Schöne Bilder, die du da von meiner Stadt gemacht hast. Ich könnte mir vorstellen, dass wir daraus ein Buch machen könnten.“ ??? „Wie kommen Sie dazu, meine Bilder zu einem Buch machen zu wollen?“ „Nun, ich bin der Bürgermeister von Beijing.“ Ist das nicht ein unglaublicher Zufall?
Das Ergebnis war, dass sie tatsächlich ein Büchlein zusammengestellt haben, das leider nicht käuflich ist, aber offiziellen Besuchern der Stadt als kleines Souvenir überreicht wird.
Daraus entwickelte sich natürlich noch mehr: „Du kennst unsere U-Bahn ja schon ganz gut, aber wusstest du, dass 2% des Budgets für den Bahnhof in Kunst am Bau verwendet wird? Du musst unbedingt mal die Bahnhöfe sehen, wenn keine Menschen drin sind.“ Also sah Alexander morgens vor Betriebsbeginn einige Stationen, wie sie sonst nur Mitarbeiter zu sehen kriegen.
Durch den Kontakt mit dem Mayor lernte er auch Offizielle in Shanghai kennen, der anderen chinesischen Stadt, in der er regelmäßig zu tun hat. Über Shanghai ist ein ähnliches Buch im Werden.
Dabei findet er abseits der normalen Straßen Orte, die viele Einheimischen überblicken. Wenn er am nächsten Morgen im Büro seinen Mitarbeitern die Bilder vom Vortag zeigt, schlägt ihm oft Unglaube entgegen: „Das ist in unserer Stadt? Aber das ist 20 Jahre her, oder?“
Seine offene Art führt dazu, dass er in kleine Gespräche verwickelt wird und vor allem Leute aus ländlicheren Gegenden besser kennen lernt. So kommen auch ganz schöne Portraits zustande.
Sein Glück ist, dass er, obwohl er nur leidlich Chinesisch kann, jederzeit seine Sekretärin anrufen kann, um das Gespräch mit den Leuten auf der Straße zu führen. Manchmal kommt sein Staff auch einfach vorbei und sie haben gemeinsam eine nette Zeit. Wie geil ist das denn?
Ich bin gespannt, was Alexander bei unserem nächsten Treffen zu erzählen hat und freue mich schon, vielleicht mit ihm unterwegs sein zu dürfen.