China #1

Bisher haben wir nur einen kleinen Ausschnitt von China gesehen. Mehr als 100 km sind wir der Hauptstadt noch nicht entfliehen können. In den letzte Wochen habe ich immer wieder am Ticketschalter der Eisenbahn, von denen es etliche in der Stadt gibt, gestanden und für uns und unsere Gäste Zugfahrkarten gekauft. Man kann frühestens 20 Tage vor Reisebeginn Tickets kaufen, also stiefel ich für jeden Teilabschnitt nach unten und kaufe jeweils 10 Karten. Man muss dafür seine Passnummer angeben, die auf der Karte auch eingetragen wird. Somit ist die Karte nicht übertragbar, wie bei einem Flug.

Bevor es losgehen soll, müssen wir noch wissen, von welchem der Bahnhöfe wir abfahren. Es ist wie bei Monopoly. Im Internet finde ich angegeben, dass der Zug nach Pingyao vom Westbahnhof abgeht. Zwei Stunden vorher lassen wir uns durch den Stau dorthin transportieren, weil wir so viele sind, müssen wir drei Taxi´s nehmen. Als ich mit meinen Zwillingen beim wuseligen Riesen-Bahnhof angekommen bin, sind die Andern nicht da. Zum Glück gibt es Mobiltelefone. Es stellt sich raus, dass der andere Teil unserer Reisegruppe am anderen Tor des Bahnhofs gelandet ist. Wie kommen wir dorthin? Wir haben nur noch eine Stunde fürs Einchecken und ich habe die Karten. Taxi. Schnell. Der Fahrer bleibt cool: 50 Kuai. Was soll ich machen? 10 endlose Minuten später sind wir am anderen Ende des Bahnhofs, gegen den der Hamburger HBF ein Furz ist. Am Einlass geht es nicht weiter. Auf den Karten steht doch: Beijing. Nicht Beijing XiZhan, Westbahnhof. Wir sind falsch, müssen zum Hauptbahnhof, haben noch 50 Minuten. Nicht über LOS, wir müssen direkt dorthin. Taxi, diesmal ein großes. Wir haben keine Wahl, als der Fahrer sagt, er kann nicht alle in seinem klapperigen Bus mitnehmen. Wir zahlen aberwitzige 560 Kuai und fahren mit zwei Minibussen. Am Ende steigen wir aus, unser Fahrer sagt: 50 m, in die Richtung, schnell! Und gehetzt zwängen wir uns durch die Menschenmassen, die an so einem Bahnhof rumlungern, stehen in der Schlange für den Einlass in den Bahnhof, zeigen Pässe und Tickets am Schalter, der Kontrolleur lässt uns schnell passieren, als er die Zeit sieht, zu der wir fahren sollen. Dann Gepäck- und Personenkontrolle und Rolltreppe zum Bahnsteig. Wir haben noch 2 Minuten. Wir werden von Bahnsteig zu Bahnsteig geschickt und sehen eine Minute vor Abfahrtszeit den Schaffner, wie er dem abfahrenden Zug hinterherkuckt. Wir glotzen. Unser Zug fährt uns gerade vor der Nase weg. Wir sehen die Positionslichter im Smog verschwinden. Er hat sich eine Minute vor Abfahrtszeit in Bewegung gesetzt. Später erfahren wir, dass wir es auch nicht geschafft hätten, wären wir 3 Minuten früher da gewesen, denn die Tore zum Bahnsteig schließen 5 Minuten vor Abfahrt.

X1007964Jetzt haben wir Zeit. Ein Chinese, der unser Gerenne mitbekommen hat, zeigt uns sein Mobile, auf dem die Alternativzüge aufgelistet sind. K609 fährt am Abend, um 23:51, sechs Stunden später. Mathias und ich zum Ticketschalter, der außerhalb des Bahnhofs ist. Ja, es gibt noch Plätze, aber keine Schlafwagenbetten. Wie denn auch, ich habe 20 Tage vorher diesen Zug gebucht. Sitzplätze übrigens auch nicht. Also werden wir die Nacht über mit übermüdeten Kindern im Gang stehen. Die Karten sind billiger, und wir bekommen die Differenz zu den Schlafwagentickets erstattet.

Als wir am Zug um 23:10 einchecken, der nächste Schock. Wir haben nur 9 Karten! Alles durchsucht, nix. Haben wir nur 9 bekommen? Ich raus aus dem Bahnhof, zum Schalter zurück. Pass vorzeigen. Neue Karte ausstellen. Noch mal 102 Kuai bezahlen. Die Karte soll ich dem Schaffner zeigen. Das Geld soll ich dann am Zielbahnhof erstattet bekommen. 15 Minuten vor Abfahrt stehe ich auch am Bahnsteig, wir müssen noch einige Wagen ablaufen und werden von einem freundlichen Schaffner abgefangen, der uns in den Speisewagen bugsiert. Alle anderen Schaffner, die nichts zu tun haben stehen um uns herum, als ein Formular ausgestellt wird, das den Sachverhalt beschreibt. Dann dürfen wir sitzenbleiben und die Nacht auf den Restaurantstühlen schlafen. Besser als im benachbarten Stehwaggon ist es allemal, auch wenn alle einen etwas steifen Hals haben.

Am Morgen in PingYao bekomme ich tatsächlich 100 Kuai zurück. 2 Kuai waren Bearbeitungsgebühr. Ein Hoch auf den Unbürokratismus der Chinesischen Bahn.

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