China von woanders gesehen

Mein Blog hat auch eine Sommerpause erfahren, denn in Deutschland wusste ich manchmal nicht, was schreiben und dann ist Urlaub ja auch mal ganz schön.
Aber durch mein 365-Tage-Projekt ist ja fast tagesaktuell was von uns zu sehen gewesen.

Kaum zu glauben, wie weit weg China scheint, nachdem wir erst 5 Tage im finnischen Outback unseren Jetlag vertrieben hatten. In unserem Heimatland fühlen wir uns dennoch zunächst fremd, denn uns kommen die Leute in der Elmshorner Fußgängerzone exotischer vor als die Straßenfeger in den Beijinger Hutongs.
Finnland im Sommerhaus
Wenn dann jemand fragt, wie es in China zugeht, merke ich erst, wie wenig ich hier wie dort zu Hause bin und wie groß die Unterschiede sind.
Nehmen wir die Sprache: Natürlich kann ich nach 2 Jahren wöchentlich 2-maligem Sprachunterricht schon etwas Chinesisch sprechen. Immerhin habe ich im Management-Büro deutlich machen können, dass wir jemanden brauchen, der unsere Blumen im Dachboden, auf unserer Dachterrasse, gießt und auch verstanden, dass wir anschließend eine Rechnung bekommen. Ich kann auch Gemüse und Obst einkaufen und die Preise verstehen, auch den Verkäufer fragen, wie alt sein Kind ist. Aber ich bin weit davon entfernt, Smalltalk machen zu können, geschweige denn tiefschürfende Gespräche zu führen. Die Art, zu lernen ist in chinesischen Schulen eine andere als in deutschen Unterrichtsstunden. So habe ich eine Chinesischprüfung mit über 80 % Erfolg bestanden, aber weniger als 50 % verstanden, denn die Multiple Choice Fragen kann man abschätzen und richtig beantworten, obwohl man nicht alles kapiert hat. Hier ist mir China immer noch fremd und ich nehme mir wie an Silvester vor, mehr an der Sprache zu arbeiten.
Viele Artikel sind im Supermarkt in D billiger, besonders Lebensmittel. Milch ist in China mehr als doppelt so teuer, denn die meisten Chinesen können keine Milch vertragen und trinken daher keine. Das Gleiche gilt für Frischkäse und andere Milcherzeugnisse. Quark gibt es gar überhaupt nicht. Italienische Nudeln sind teuer, chinesische nicht. Deutsches Aptamil oder ähnliches Milchpulver für Säuglinge ist hochbegehrt in China, denn frühere Milchskandale haben das Vertrauen in die Milchindustrie erschüttert. So kann durchaus das weiße Pulver preislich mit einem anderen ungesunden und nicht legalen Pulver mithalten. Also, wenn ihr chinesische Freunde besucht, die Kleinkinder haben: das ist DAS Mitbringsel.
Dafür ist das Essengehen in D viel teurer.

Internetsurfen macht in D natürlich viel mehr Spaß als in CN, denn alle Seiten der großen weiten 3W sind zugänglich. Alle? Fast alle, denn es gibt chinesische Seiten, auf denen man sich umsonst die neuesten Filme herunterladen kann. Oft auch, wenn sie in D noch gar nicht angelaufen sind. Diese kann man in D selbstverständlich nicht anschauen, da sie gegen das Copyrightgesetz verstoßen.
Facebook und Youtube können wir ohne weiteres in CN nicht öffnen. Der chinesische Staat hat für seine Bürger eigene Pendants eingerichtet, die Weibo und YouKu heißen. Aber nach 2 Jahren in CN vermissen wir Facebook nicht wirklich. Oft funktioniert auch Google nicht, das von Staats wegen am besten abgeschafft gehört.
Wenn es aber mal gar nicht ohne geht, bietet das Netzwerk der Schule und ein VPN den Blick auch auf die unerwünschten Seiten.
Sehr anders ist natürlich der Verkehr. Obwohl es nicht so chaotisch zugeht wie in Teheran, wo durchaus 6 Autos sich 4 Fahrspuren teilen, werden die Regeln nicht so strikt wie in D befolgt. Fahrradwege werden zugeparkt oder als Ausweichspur benutzt und es gilt das Recht des Stärkeren. Wer wie wir mit dem Fahrrad unterwegs ist, muss ordentlich aufpassen, weil man erst in letzter Sekunde bremst. Dafür werden Verstöße nicht so hitzig kommentiert, fast schon langmütig nimmt man hin, dass sich jemand vordrängelt; man selber macht es ja auch. Schwere Unfälle habe ich in der Stadt noch nicht gesehen, Blechschäden dagegen oft.

Während wir in Deutschland in einem Jahr auch die Insolvenz von einigen alten Geschäften feststellen mussten, ist der Wandel in CN extrem. Ein Restaurant, das im Februar in unserer Nähe aufgemacht hatte und in dem wir einige Male ganz gut gegessen haben, ist schon wieder Baustelle. Häuser werden über Nacht abgerissen, obwohl 3 Tage vorher dort noch rege gebrutzelt wurde.
Mich hat die Schnelllebigkeit gelehrt, alles lieber sofort zu erledigen. Fotomotive, die ich nicht sofort ablichte, können morgen schon nicht mehr existieren, und damit ist nicht das flüchtige Alltagsleben auf der Straße gemeint.
Nicht nur die Stadt verändert sich, auch die Menschen werden ratzfatz ausgetauscht oder gehen weg. In unserem Compound ist schon die dritte Mannschaft an Servicepersonal im Einsatz.

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