Leihfahrrad #1

Seit ein paar Monaten werden sie immer zahlreicher. Es fing mit drei silbern-orangenen Rädern an, die wir im September auf dem Gehsteig stehen sahen. Einrohr-Design, ohne Kette (Kardanantrieb) und Vollgummireifenreifen ohne Luft, dafür aber mit Löchern. Auf dem Rahmen stand Mobike.
Durchlöcherte Reifen
Das Prinzip: Jeder kann sich, nachdem er sich bei der betreffenden Firma registriert hat und ein Pfand hinterlassen hat, was natürlich über WeChatPay oder AliPay bezahlt wird, ein Fahrrad ausleihen. Die Smartphone-App starten, den QR-Code auf dem Fahrrad abfotografieren und schon schnappt das Schloss auf. Pro Stunde kostet es 1 Yuan, etwa 15 Cent.
Mo-Bike
Leihfahrräder
Graffiti
XP2J7639
Leihfahrrad BJ
Kurze Zeit später gab es das gleiche in Gelb (ofo), jetzt in Blau (bluegogo), selbst grüne Leihfahrräder habe ich jetzt schon gesehen. Die grünen sind aber nicht so zahlreich und lediglich mit chinesischen Schriftzeichen versehen. Inzwischen sind auch Dunkelgrüne und Blaugelbe zu finden.
Blofo
Leihfahrrad
Der öffentliche Personen-Nah-Verkehr hatte schon seit Jahren Stationen mit roten Leihfahrrädern am Start, die man mit der U-Bahn-Karte ausleihen kann, die sind aber inzwischen etwas in die Jahre gekommen und werrden etwas vernachlässigt.
Das alte Leihfahrrad
Hinter Mobike steht wohl die Firma, die wechat auf das Smartphone bringt, ofo soll von Xiaomi finanziert sein. Beide Firmen, die hauptsächlich in Mobilfunk Geld verdienen.
Bei ofo bin ich selber und meine Kinder auch angemeldet. Es ist wirklich einfach, an ein Fahrrad zu kommen. Gut, etwas Hilfe von Chinesen hatten wir nötig.
Ich hab jetzt gelesen, dass nur Bluegogo innerhalb eines Monats 70.000 Fahrräder auf die Straßen gebracht hat. Pro Tag erwirtschaften die Räder jedes etwa 1 €. Ab 3 Monaten sollen sie sich amortisiert haben.
Leihfahrräder
Leihfahrräder
Und jetzt ist die ganze Stadt voll davon. Es ist, als wenn der Himmel seine Schleusen öffnete und überall Fahrräder fallen ließe. Es müssen hunderttausende sein. Eigentlich benutzt niemand mehr sein eigenes Rad. In den anderen Städten in China muss es ähnlich aussehen.
Mobike
Ofo
Mobike
Ofo
Man kann nicht mal mehr irgendwas fotografieren, ohne dass ein Leihfahrrad mit im Bild ist.
Leihfahrräder
Das Tolle ist, dass jetzt das zwischenzeitlich verpönte Radfahren wieder in der Gunst der Chinesen gestiegen ist. Nur wer ein Auto hat, galt auch was. Jetzt ist es hip, mit dem Smartphone über ein Fahrrad gebeugt zu stehen, eine Nummer zu tippen oder besser noch zu scannen und danach davon zu radeln. Mir kommt es so vor, als wenn die Leihfahrräder auch etwas zur Abkehr vom Konsumdenken beitragen würden.
ofo-bike
Der unangenehme Effekt der neuen Nine Million Bicycles ist, dass die Dinger die Fußwege verstopfen und ich habe gehört, dass in Shanghai die Fahrräder wieder aus dem Stadtbild entfernt werden, weil die Gehsteige nicht mehr begangen werden können. Außerdem fahren jetzt Leute auf den Straßen, die bisher kein Rad besessen haben und deshalb auch nicht gut fahren können. Für Touristen ist das natürlich super, weil Beijing eine Stadt ist, die sich mit dem Rad wunderbar entdecken lässt.
Ich habe mich schon öfter über chinesische Radfahrer lustig gemacht, die so langsam fahren, dass sie fast umfallen – neuerdings könnte ich noch öfter meckern. Mach ich aber nicht, weil die meisten so einen Spaß am Radfahren haben, dass ich mich einfach mitfreuen muss.
verbotener-Platz

3 Gedanken zu „Leihfahrrad #1“

  1. Für den Pekinger Smog allemal ein Segen. Ich liebte das Radfahren dort eh viel mehr, als mich in den Stau zu stellen. Grüße aus dem radfreundlichen Holzgerlingen, hier gibt es zwar nur eine Pedelec-Station, aber die meisten haben eh ein eigenes Rad. Nur benutzen es hier meiner Meinung nach viel zu wenige.

    1. Hier in China lohnt es sich alleine schon wegen der Menge an Leuten. Ob allerdings wirklich weniger Autos fahren werden, wage ich zu bezweifeln.. Die Menschen, die es sich leisten können, verzichten vielleicht auf ein eigenes Fahrrad, aber auf das Auto wohl eher nicht.

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