Nouruz naht

Klar, eigentlich kann sich jeder von euch sich selber über Nouruz informieren, aber in Kurzform will ich gern berichten, wie wir es hier erleben:
Es steht das iranische Neujahrsfest vor der Tür, am 21.3. ist es soweit, aber man merkt, dass die Leute jetzt schon ganz aus dem Häuschen sind. Überall auf den Geschäftsstraßen stehen fliegende Händler mit Goldfischen, minikleinen Schildkröten, Sabzi (Kräuter) und vieles mehr, was man für den Nouruztisch so braucht. Die Straßen sind voll wie nie, alle kaufen neue Möbel, die Zamjad-Pickups mit Teppichladungen sind noch zahlreicher als sonst.
Und wir freun uns auf ein leeres THR, da alle versuchen, aus der Stadt zu Verwandten oder ins Sommerhäuschen zu fahren. Letztes Jahr waren wir ja bereits für eine Woche hier, und die Stadt kam uns schön ruhig vor, und gar nicht wie nach 14 Mio. Das dauert etwa 2 Wochen, solange kann man hier eigentlich keine Geschäfte machen. Ich hab mich anstecken lassen, als ich letztens mit JanIngmar einkaufen war. Ein Glas, 2 Goldfische, eine kleine Schildkröte – fertig ist das Nouruz-Starterset. Steffi war böse, als wir damit ankamen, und ich muss sagen, zu recht, denn es dauerte keine 12 Sunden, da hatten wir 2 Todesfälle zu beklagen. Die Kinder nahmen Schildkröte und Fisch mit zum Schulgelände, wo die Leichname bestattet werden sollten. Leider blieb die Tüte bis zur ersten Pause draußen liegen. Wenigstens eine der zahllosen in Mülltonnen hausenden Katzen hatte ein kleines frisches Frühstück.

Auszug aus dem Wikipedia-Artikel über Nouruz:
„Wichtigstes Brauchtum sind die Haft-Sin („Sieben-S“). Am Vorabend des Neujahrstages, brennt in jedem Zimmer des Hauses eine Kerze (Symbol des Lichts). Auf einem festlich gedeckten Tischtuch, der in manchen Familien am Boden liegt, oder auf einem Tisch, werden sieben Gegenstände ausgebreitet, die mit dem Buchstaben „S“ (pers. Sin) beginnen: Sabzi (Grünzeug), Samanu (eine süße Speise aus Weizenkeimen), Sir (Knoblauch), Serke (Essig), Somagh (saures Gewürz), Sib (Apfel) und Senjed (Mehlbeeren). Außerdem kommen Sekke (Münzen), häufig auch Sonbol (Hyazinthe) sowie Sepand (eine wilde Raute) – für den Weihrauch – hinzu. Zusätzlich werden ein Spiegel (Symbol für Glück), ein oder einige Goldfische, die in einem durchsichtigen Wasserkrug schwimmen, ein Stück Brot, bemalte harte Eier sowie Diwan-e Hafez (Gedichtband von Hafez), bei Zoroastriern eher das Awesta und bei Moslems der Koran, gedeckt.“
Ein wenig fehlt noch, bis der Tisch komplett ist, aber wir haben ja auch noch nicht „NeuTag“. 13 Tage später wird dann das Kraut und der Fisch in die Natur entlassen, das soll Glück bringen. Und wir brauchen kein Aquarium.
Immerhin haben wir auch etwas neu, was allerdings nicht die Wohnung, sondern die Straße zieren wird: Endlich soll ein Auto unser eigen sein. Wir haben mit viel Hilfe einen Chevrolet Blazer K5 V8, 5,7 l Hubraum, Bj. 76 (und zwar nicht nach islamischem, sondern nach europäischem Kalender) gefunden, der vielleicht noch vor Nouruz angemeldet werden kann. Klar, ein bisschen Angst ist schon dabei, mit so´nem Geschoss durch die Gassen zu fahren, aber mehr, andern wehzutun, als dass uns jemand ankarrt. Aber wir haben doch immer Glück gehabt, warum nicht auch jetzt? Den Namen haben wir noch nicht festgelegt, Steffi meint „Mashin“ wäre angemessen, die Kinder plädieren für „Monstertruck“. Ich weiss, wir sind nicht ganz schussecht.
Aber auch wenn wir jetzt als Großkopferte auftreten, vergessen wir doch nicht, dass es eine ganze Menge von Menschen hier gibt, denen es so viel schlechter geht als uns. Oft sehen wir kleine Kinder an den Ampeln zwischen den Autos stehen, die, ob jetzt von einer Drückerbande geschickt oder nicht, durch den Verkauf von Spüllappen, Kaugummi oder Streichhölzern Geld verdienen müssen. Und Frauen, die das gleiche machen, halten ihre Kinder auf dem Arm mit Tabletten ruhig, damit sie das möglichst lange aushalten.
Meist sind es Afghani, die die Mülltonnen nach PET-Flaschen oder anderen wiederverwertbaren Dingen durchforsten, bevor um 12 Uhr nachts mit großem Getöse die Müllabfuhr kommt, um den Rest abzuholen und irgendwo hinzukippen. (Ich hab gehört, man buddelt Löcher und schiebt alles da rein, manche Müllberge werden auch einfach angezündet, das sehn wir oft auf dem Weg zum Reiterhof. Entschwefelungsanlagen? Woher? Im Zweifel kann man damit auch Kernkraftwaffen bauen.. Aber Warum? ist eigentlich die naheliegendere Frage, denn es gibt einfach kein Bewusstsein dafür.)
Der behinderte Straßenverkäufer auf dem Tajrish-Bazaar hat es da noch vergleichsweise gut.
Und er hier hat wenigstens ein Mopped, mit dem er seine 3 Frauen durch die Gegend kutschieren kann. Dies ist übrigens ganz alltäglich, nur nicht immer gut zu fotografieren, daher kommen die Bilder kleckerweise. Einen schönen Frühlingsanfang wünscht
[jochen]

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