Man kriegt ´ne Tüte

Unser Supermarkt: Meistens ist Mehdi da.
Er kann ein paar Worte Englisch, die Zahlen natürlich, aber auch soviel, dass man sich über die notwendigsten Dinge unterhalten kann. Und er hat sich recht schnell die Namen unserer Kinder gemerkt.
Es ist kaum zu glauben, wieviele Höflichkeitsfloskeln im Persischen verwendet werden. Allein dafür braucht man schon etwas Zeit, wenn man sich darauf einlässt:
Das Betreten eines Geschäfts läuft normalerweise so ab (Ich übersetze das mal sinngemäß):
Salaam! Hallo/Guten Tag – Salaam! Chaste nabaashid! Sie mögen nicht müde werden!
Wie geht es ihrer Gesundheit? Geht es gut? – Danke, mir geht es gut. Und Ihnen? Gute Gesundheit haben Sie? – Dankbar bin ich, es geht gut, vielen Dank.
Es ist völlig egal, ob man den Anderen kennt oder nicht, auch, ob man vor zehn Minuten schon mal im Laden war und die Prozedur schon mal durchgekaut hat: immer wird nach der Gesundheit gefragt (und die der Chanom – der Frau und kodja bacce hastand? – wo sind die Kinder? gehts ihnen gut?) Ein schöner Brauch, den wir in Deutschland kaum kennen.
Beim Bezahlen sagt der Verkäufer: „Ghabeli nadaare – Es ist nichts wert, (ich schenks dir).“ – „Nein, bitte, wieviel? “ – „5000 Toman.“ Dann sagt man: „Ihre (Deine) Hände mögen niemals schmerzen.“ (unter anderem der Titel von dem Buch unserer Bekannten Bruni Prasske)
Und beim Rausgehen „Choda Haafez“ -„Gott beschütze Dich/Sie“
Natürlich sind es inzwischen Floskeln, die manchmal auch nur so dahingerotzt werden, trotzdem bedeutet es genau das, was man dem Andern wünscht.

Mehdi ist nie allein im Laden, der bis in die hinterste Ecke vollgestopft ist, es steht immer noch jemand herum, der einem die Sachen abnimmt, und auf den Tresen legt. Oder was aus dem nicht sichtbaren Teil des Ladens holt. Der fährt auch Motorrad und bringt einem die Sachen nach Hause. Im Keller gibt es auch immer noch Platz, der durch einen kleinen Lastenaufzug angefahren werden kann.
Manche Läden sind wirklich nur sichtbare 5 Quadratmeter groß, trotzdem kann man sie als vollwertige Supermärkte bezeichnen. So waren die Läden früher in D auch. Na ja, die Türken oder Chinesen haben auch manchmal so eine Ausstattung.
Und wenn man alles hat, wird es eingepackt, alles in „Pelastik“.
Am Anfang hab ich mal versucht, alles ohne Tüte in meinen Rucksack zu verstauen. Ich wurde mitleidig angekuckt und gefragt: „Warum?“ – Jetzt lass ich mir ne Tüte geben (brauchen wir sowieso für den Müll, der jeden Abend um ca. halb zehn vom Hausmeister an unserer Wohnungstür abgeholt wird – wenn wir ihn nicht rausstellen, klingelt er.)
Draußen auf der Straße kommt dann alles in den Rucksack.

Heute gab es Zeugnisse, die Kinder haben sich richtiggehend drauf gefreut. Sie waren aber auch dementsprechend.
Nur Steffi hat die Grippe erwischt und sie konnte die Zeugnisse nicht selber ausgeben.

Gestern hab ich, auch um die kranke Steffi zu entlasten, einen Ausflug mit JanIngmar und Solveigh in den Keyboardbaazaar gemacht. Erklärtes Ziel: den Missstand mit unserem Flügel an der Heizung zu beseitigen. Mit Bus und Metro hin, es dauert min. `ne Stunde.
Als wir aus der Metro gingen, kuckte einer so hilfsbereit und ich fragte ihn nach dem Namen der betreffenden Straße. Es stellte sich raus, dass er auch dorthin wollte, und dass er etwas Englisch kann, und dass er Geigenlehrer sei, also halbwegs vom Fach. „I show you the way!“
Na gut, dackelten wir hinterher.
In einen Bus einsteigen, er vorher noch zum Busticketverkauf (obwohl ich Tickets hatte) und welche für uns alle gekauft. Er wollte auch keine wieder haben, „No, you are guests in my country, so I invite you.“ Was soll man da sagen außer „Cheili mamnun“?
Er führte uns noch in einen Seitenbaazaar, der Keyboards hat, wo wir etwas dumm auf die Geräte kuckten, dann fiel ihm der Laden eines Freundes ein. War nicht weit. Und gleich das
erste Gerät machte den besten Eindruck, den ich bei meinen Recherchen bisher hatte. Man
kanns nur nicht gleich bezahen und dann mitnehmen: Erst wird das originalverpackte Stück ausgepackt, gezeigt, dass es keine Macken hat, alles wieder fein säuberlich eingepackt, die Kinder fotografiert. Inzwischen ist der Laden voll. Dann bezahlen: 450T (Tausend-Toman) kostet es eigentlich, aber Freunde von Abbas bezahlen 400T. Ich hab nachher gar nichts mehr gemacht, es kam noch als Geschenk ein Pedal obendrauf, dann kostete es 390T, und als wir gingen, kriegte ich nochmal 10T zurück.Abbas trug uns das Riesen-Ding über die Straße, musste noch seine Erledigung machen, und bestand darauf, uns nach Hause zu bringen. So billig hätte ich das Taxi nie bekommen. Fast
eineinhalb Stunden saßen wir im Verkehr, bis wir 600 m vor zu Hause liegenblieben. Ich wollte schon den Rest des Weges schleppen, aber der Taxifahrer wollte davon nichts wissen, holte Eimer und Schlauch und Schraubenzieher aus dem Kofferraum, um dann Schläuche zu lösen, einen halben Liter Benzin abzulassen, alles wieder festzumachen und das Benzin auf den Gehsteig zu kippen. Mach das mal in D auf ner vielbefahrenen Geschäftsstraße…

Abbas kam dann doch noch mit rauf, wo er eine Klavierviertelstunde gab und sich schließlich weigerte, das ihm angebotene Taxigeld anzunehmen, das ihn wieder dahin bringen sollte, wo er uns vor 3 Stunden nah von seinem zu Hause aufgegabelt hat.
Jetzt stelle sich mal einer einen Deutschen in D vor, der einem Schwarzhaarigen oder -häutigen diese Freundlichkeit erweist.

Vor ein paar Tagen haben sie unsere Moschee untergraben (hoffentlich gehts gut), dabei die Mauer auf den Gehsteig gekippt, so dass man nicht anders konnte als mühsam drübersteigen. Am nächsten Tag war das Gitter rausgeflext, und so hingestellt, dass man durchs Blumenbeet oder direkt auf der Autobahn marschieren konnte oder vielmehr musste.

Die Temperaturen sind fast frühlingshaft, es riecht außer nach Benzin auch danach.
[Jochen]

DSL ready

Heute ist der Tag, an dem wir jubelten, weil wir aus der Internetdiaspora herauskatapultiert wurden. Ein Techniker kam, pünktlich, hatte das Passwort dabei und machte unsere Rechner ADSL-fertig. Die Verbindung ist zwar noch nicht superschnell, aber immerhin 320 kbs her und 128 kbs hin. Damit kann man schon über Skype ganz gut telefonieren.
Und weil das mit den Dateien auch etwas mehr Spaß macht, lad ich gleich mal ein paar hoch, die etwas typisch Teheranisches zeigen.
Dies ist einfach typisch Iran – mit dem Mangel leben, so wie es auch in der DDR gewesen sein muss:
Man weiß sich einfach in jeder Situation zu helfen, woraus Bälle und Schläger sind, weiß ich allerdings nicht 😉

Keine Angst, dies ist ein Parkstreifen. Aber ich bin sicher, so kann der LKW noch lange fahren. Das Reserverad muss geschont werden. Oft sehen wir Stoßstangen, an denen noch die blaue Plastikverhüllung des Chroms klebt, oder das Plastik der Sitzbezüge wird erst nach Jahren abgemacht. Wo sonst so viel kaputt geht, muss manches eben stellvertretend schöngehalten werden.

Der Park in der Nähe, zu dem wir manchmal einen Fußmarsch machen (2km den Berg hoch), unterwegs ein Blick, der allein den Ausflug lohnt:


In einer „modernen“ Einkaufsstraße ist ein altes Gebäude standhaft geblieben.
Und hierhin führt uns der Weg am Wochenende, raus nach Südosten zwischen Karaj und Tehran liegt der Ponyhof. Die Kinder kriegen prima Reitunterricht und lernen Englisch und Farssi als Beigabe.
A. hat ein Eselchen vor dem Verdursten gerettet und sich mit dem Kauf einen Kindheitstraum erfüllt. Weil es aus Lorestan kommt, heißt es Lori. Alle Kinder schmusen gern mit ihm. Esel sind ja echt spezielle Tiere, aber ich muss sagen, für die Kinder ist es einfach toll.
Das mit Lori ist aber eine eigene Geschichte, da muss ich noch mal fragen, ob ich darüber schreiben darf.
Überhaupt lernen unsere Kleinen so viel: auch Klavierunterricht gehört dazu. Und nicht, dass falsche Vorstellungen aufkommen: Talent will gefördert werden, also muss das schon auf einem Steinway-Flügel sein.

Leider reicht unser Budget nicht dazu, in unserem Luxusappartment (in dem sich die nächsten Bauschäden bereits bemerkbar machen) auch so einen Kasten hinzustellen. Aber für die kleine Variante reicht es schon…

Teppich und Taorouf


Gestern haben wir leihweise einen Teppich bekommen, von Leuten, die wir eigentlich nicht kennen, die aber von uns durch unsere Kontaktvermittlerin A. Kenntnis erlangten. Man muss sich wundern, wieviel Perser es gibt, die Deutsch sprechen, ohne je in D gewesen zu sein. N. und Kh. und ihr Sohn sind solche Menschen. Sie riefen heute an und luden sich bei uns zu Besuch und als sie feststellten, dass sie uns bei der Teppichbeschaffung helfen könnten, boten Sie uns gleich ihren im Schrank liegenden Teppich an.
Ich würde das vielleicht auch tun, trotzdem hat es uns in Bedrängnis gebracht, weil es im Iranischen eine Eigenart gibt, die den Deutschen nicht bekannt ist: Taorouf. So nennt man das Höflichsein um des Höflichseins willen. Es fängt mit einer Straßenbekanntschaft an, mit der man sich zum Beispiel 5 min. unterhält, und kurz vorm Abschied lädt sie einen zum Abendessen bei sich zu Hause ein. Normalerweise nennt man so etwas Taorouf.
Das Gegenüber sagt ab, weil er schon was vor habe. – Nein wirklich, man habe schon etwas vorgekocht, es wäre gar keine Mühe. – Dann gebietet das Spielchen, noch einmal abzulehnen (gegessen habe man grade eben erst am Kabbabi oder Sandwich-Takeaway). Danach wiederholt der Einladende sein Angebot vielleicht; dann hat er´s ernst gemeint und man darf annehmen.

Die Horrorsituation wäre, dass man sagt: „Hast du aber einen schönen Teppich!“ Dann gebietet Taorouf, dass der Teppichbesitzer den Teppich zum Geschenk anbietet. Nähme man an, wäre die Katastrophe da: Der Teppichbesitzer müsste seinen einzigen Teppich hergeben, und der Beschenkte hätte einen Todfeind oder wenigstens einen Den-mag-ich-nicht-mehr.
Es ist ein traditionelles Spiel mit Worten, das vermutlich dazu da ist, den Rang oder die Größe der Freundschaft zu bemessen. Wir versuchen wenigstens dies Spiel mitzuspielen. Vielleicht haben wir es schon mal verloren, ohne es zu merken.

Oft ist man kurz davor, etwas anzunehmen, und denkt, man könne gleich nett essen und Kontakt zu Einheimischen haben, da kommt diese entscheidende letzte Einladung nicht und man weiß, dass man wieder zu deutsch gedacht hat.
Als Ausländer haben wir aber auch etwas Narrenfreiheit, weil die meisten Perser wissen, dass wir nicht so gestrickt sind.

Wir kommen gewöhnlich aus dieser Situation raus, indem wir direkt fragen, ob es denn kein Taorouf wäre. Und schätzen dann ab. Diesmal schätzten wir auf Teppichleihgabe. Vielen herzlichen Dank! Cheyli Mamnun! Wir werden ihn pfleglich behandeln.

Kalender und Jahreswechsel

Es ist ja schon eine Weile her, dass wir was Neues geschrieben und gezeigt haben, aber aus unserem Weihnachts-Heimaturlaub weiß ich, dass tatsächlich einige an unseren Berichten interessiert sind, ja gar auf Neuigkeiten warten.
Also wieder mal ran an´n Speck:

Wie man sieht, lieben die Iraner Weihnachten (fast) genauso wie die Deutschen; wohltuend haben wir allerdings empfunden, dass dieser Trubel, der um sowieso überschätzte Spekulatius, Schokoweihnachtsmänner und Stollen gemacht wird, an uns vorübergegangen ist. Was für die Kinder wichtig war, ist das Basteln, das Singen auf dem Schulhof um den Adventskranz an den Sonntagen und die Weihnachtsfeier in der Schule (weitere Bilder stets aktuell auf http://schulwebs1.dasan.de/ds_teheran/).

So ein Heimaturlaub ist ja für uns auch durchaus erleuchtend gewesen, weil die Fragen deutlich machten, wo noch Unklarheit herrscht. 
Fangen wir mal mit dem einfachen an, der Uhrzeit: 
In Iran ist GreenwichMeanTime +03:30, das heißt, wenns bei uns halb eins ist, ist´s in D erst zehn.
Die Woche ist so ähnlich wie in D, sieben Tage lang ist sie und beginnt mit dem Sonnabend, der Schanbe heißt. Die nächsten Tage sind einfach zu merken: Yek-Schanbe (Eins-Sonnabend), Do-Schanbe (Zwei-Sbd.), Se-Schanbe , Chahar-Schanbe, Pandsch-Schanbe für Fünf-Sbd.=Donnerstag. Dann kommt der Freitag, der heißt Dschom´e. Da ist für alle frei.
Jahresrechnung: In Iran ist noch lange nicht Neujahr gewesen. Das findet erst an unserem 21. März statt (oder auch 1 bis 2 Tage früher…). Dazu mehr,wenn es soweit ist. 
Sorry Kinder, Weihnachten findet (für Iraner) nicht statt!
Der iranische Kalender ist natürlich auch besonders, weil das Jahr Null auf das Jahr festgelegt wurde, als Mohammed von Mekka nach Medina fliehen musste. Immerhin ist das nächste Jahr fast genau 365 Tage lang. So haben wir jetzt das Jahr 1387.
Dies wird überdeckt vom islamischen Kalender, der als reiner Mondkalender auch im Jahr 622 n. Chr. beginnt, aber 11 Tage kürzer ist, weshalb der Fastenmonat Ramazan zum Beispiel jedes Jahr soviel früher stattfindet. Das heisst, dass es in den nächsten Jahren noch unerträglicher wird, den ganzen heißen Tag nichts zu essen und vor allem zu trinken.
Am Tag der Weihnachtsfeier fing es an zu schneien, endlich. Wer´s nicht mochte, waren die Autofahrer, die die Berge mehr schlecht als recht runterkommen. Man soll auch bei Schnee kein Taxi mehr bekommen. 


Einige Weihnachtsgeschenke haben wir einen Tag vorm Abflug auf dem Basar besorgt. Dies ist der größte Basar des Nahen und Mittleren Ostens und großgroßgroß.
Dorthin ging es mit der Metro, die von Norden nach Süden geht und an deren Erweiterung grade gebaut wird. Ausgestiegen sind wir am Imam Khomeini Platz, wo wir als erstes in den Auspuffbazar, dann in den für Autoschläuche, danach in den Anbauteilemarkt und schließlich durch den Mobiltelefonbazar zum Tüten- und Dekorationsartikel- samt Schreibwarenbazar gelangten. Noch habe ich keine Ahnung, wo man hier auf z.B. Staubsaugerbeutel träfe. Aber ich wette, es gibt auch dafür eine komplette Straße.

Nach 2,5 schönen und anstrengenden Wochen in D sind wir nun wieder in Tehran, wo frühlingshafte Temperaturen herrschen und so gar nicht wie hier üblich Schnee Mangelware ist.
Vielleicht schaffe ich es wieder wöchentlich, zu schreiben, aber versprechen kann ich nichts…

Skifahren

Ich habe gestern mit zwei befreundeten Frauen einen Ausflug auf den Tochal gemacht mit dem erklärten Ziel, Ski zu laufen. Die Ausrüstung mussten wir uns an der Talstation leihen, dafür waren etwa 20 € fällig, für die Fahrt mit der Seilbahn und die Benutzung der Skilifte noch mal etwa 12 €. Dafür sind wir in etwa ner halben Stunde mit dem Taxi am Ort gewesen.
Es war trotz normalem Arbeitstag so voll, dass wir eine Stunde warten mussten, bis wir die Seilbahn besteigen durften.
Am Eingang achtete die Skipolizei auf, dass nicht Männlein und Weiblein gemeinsam in die kleinen Kabinen (6 Pers.) steigen (Ausländer ausgenommen). Immerhin ist das für die jungen Leute einer der wenigen Orte, wo sie sich ungesehen aneinander kuscheln können. Wer nicht verheiratet ist, darf auch nicht zusammen wohnen. Nach etwa einer weiteren Stunde waren wir oben auf knapp 4000m Höhe (an der Umsteigstation war auch ne Schlange) und dann gings direkt runter auf die Piste.
Der Blick von Oben atemberaubend – außer im Flugzeug war ich noch nie so hoch oben. Tehran war nicht zu sehen – nur der Burj-e Milad kuckte durch die Smog-Wolkendecke hindurch:Nun ist das über 20 Jahre her, dass ich Ski gelaufen bin, ich hatte etwas Schiss, dass meine alten Knochen die Geschichte nicht mitmachen. War aber nicht so schlimm wie bei der letzten Abfahrt, bei der ich mir ne Rippe angeknackst hatte. Und verlernt hatte ich es auch nicht.

Nachmittags um 2 waren wir wieder unten bei der Schule, um die Kinder abzuholen.
Das nächste Mal machen wir es mit den Kindern und vielleicht besorgen wir uns noch gebrauchte Ski, damit wir nicht an der Ausleihe noch mehr Zeit verlieren. (Hat jemand von euch welche günstig abzugeben?)
[Jochen]

Schnee!

Bald sollen wir ja ADSL bekommen, dann (hoffen wir) geht es mit dem Verschicken von Bildern und der Internettelefonie etwas besser.
Letzte Woche bin ich x-mal zwischen Telefoncompany und DSL-Provider hin und hergelaufen, um alles zusammenzukriegen, was benötigt wird. Sogar unseren Hauseigentümer, der sonst einmal im Monat hier zu sehen ist, um Geld einzutreiben, habe ich getroffen und mich ausnahmsweise mal gefreut, weil ich eine Kopie von seinem Pass brauchte. Die Telefonleitung läuft auf seinen Namen. Im Fahrstuhl Pass auf den Boden gelegt, Foto gemacht, vielen Dank, schönen Tag – an dem Tag hatte ich mal Glück.
Glück hatte ich auch, dass wir überhaupt soweit sind. Reza, der mich ab und zu freundlicherweise in Farsi unterrichtet, kennt jemanden, der beim Internetprovider relativ weit oben in der Etage sitzt. Nachdem ich schon eineinhalb Monate DSL angemeldet hatte, fragte er mich, ob ich ihm mal unsere Telefonnummer und Adresse geben könnte, er würde dem das mal in die Hand drücken. Wupps, am übernächsten Tag riefen sie mich an, jetzt hätten sie freie Ports. So´n Zufall…


Heute war so ein schöner Tag, dass wir nicht drinnen hocken konnten. Steffi hatte die glorreiche Idee, auf den Tochal zu fahren, wo wir im Sommer schon mal waren. Den Kindern Schnee auf 3100 m Höhe zeigen, wo er doch hier länger als in D auf sich warten lässt.
Solveigh sagte, so hätte sie sich da nicht vorgestellt. Irgendwie flacher. Aber so ist es irgendwie sogar besser.
Wir hatten Rutschschlitten mit, und die Kinder hatten ihren Heidenspaß. Da heute kein Feiertag ist und wir spät loskamen, war es sehr leer auf der Alm.

Diese Panoramen gesondert öffnen, dann kann man etwas mehr erkennen. Der Blick von da oben war einfach atemberaubend, wenn die Kinder nicht so gequengelt hätten, wärn wir richtig entspannt gewesen.
Natürlich war trotzdem was in den von den Kindern extra geputzten Stiefeln drin, heute nacht hat der Nikolaus auch noch den Adventskalender mit kleinen Päckchen vorbeigebracht – es ging wohl vorher nicht. Obwohl der Weg für ihn eigentlich nicht so weit ist, schließlich ist er gebürtiger Türke.

Baustellen I

Langsam geht es auf Weihnachten zu, auch hier kommen wir (allerdings ohne Spekulazius und Lebkuchen) nicht an diesem Event vorbei. Immerhin, wir haben einen Adsventskrans! Den haben wir von dem Abend, an dem wir bei der Ev. Kirche als Helfer beim Adventsbazar angestellt waren. Das war eigentlich ein netter und arbeitsreicher Abend. Für einen guten Zweck und daher wahnsinnig teuer. Sogar Eintritt musste man zahlen. Trotzdem waren vielleicht 700 Besucher dort, um den Laden leer zu kaufen..
Die Hinfahrt war allerdings weniger schön. Wir mussten mit dem Taxi, weil wir den Teig für unseren Waffelstand und andere Ausgeliehenheiten dort mithinnehmen mussten. Der Taxifahrer fuhr um eine Kurve etwas zackig und ein Moppetfahrer passte beim Uns-auf-der-rechten-Seite-überholen nicht auf, wurde geschnitten und knallte gegen unsere Seite und wurde zwischen unser und ein stehendes Auto gedrückt. Als er auf dem Boden lag, war ich auch schon raus, zerrte ihn unterm Mopped hervor und half ihm auf. Er humpelte ein bisschen, aber sonst war er nur um seine Kiste besorgt. Es sollte nach dem Blick auf Auto und Motorrad schnell weitergehen. Ich hatte Solveigh auf dem Schoß gehabt und beim Wiedereinsteigen hatte sie die Tür am Türrahmen, die dann von der zugeknalllten Tür eingeklemmt wurde. Zum Glück war alles schnell wieder gut, sie hat eben noch nicht sone dicke Hand. Und Mama hatte Kügelchen dabei.

Was die Baustellen angeht, sammel ich auch weiterhin, so gesehen ist das hier eine Art Zwischenbericht:
Zunächst mal wird hier von der Statik her schon ganz anders gebaut als in D, da alle 2 Jahre oder so auch mal deutlich spürbare Erdbeben vorkommen sollen. Meistens sind es jedoch Beben, die unter der Spürbarkeitsgrenze liegen. Also bisher hatten wir noch kein großes. Und wir leben in einem sicheren Haus, was man von diesem wohl nicht sagen konnte.

Eine Baustelle funktioniert so: Zunächst gibt es ein Haus, große Grundfläche, aus der Zeit der Revolution oder ein paar Jahre davor oder danach.
Renovieren gibts hier nicht, entweder streichen und kacheln oder abreißen und neubauen. Dann natürlich mit mind. 3 Geschossen mehr.
Die Steine vom Abriss werden von den Afghanis (aus denen die Bautrupps meist bestehen – billig, loyal und genügsam) aufgestapelt und dann bauen sie aus den Resten ihre neue zeitweise Behausung. Dort wird geschlafen, gegessen und gelebt, bis das nächste Haus gebaut wird.


Die Baustelle wird bis ins 3. oder 4. Untergeschoss ausgeschachtet, wo nachher der Pool und das Parking sich befinden (und die Hausmeisterwohnung…) Hinten sieht man wieder eine Arbeiterbehausung. Später wird in den Neubau umgezogen und die Steine um die Stützen rumgemauert, oder wo sie sonst noch verwendet werden können.

Dann wird ein Gerüst aus Stahl oder Stahlbeton errichtet. Beides ist bei der hiesigen Qualität nicht ganz ungefährlich –
Stahl wird immer noch auf der Baustelle geschweißt; die Schweißer sitzen in schwindelnden Höhen (meist) ohne Gurt und braten die auf Konsolen abgelegten Träger fest. Eigentlich darf nur noch geschraubt werden oder die Schweißnähte werden auf Tauglichkeit geröngt. Die Praxis ist leider anders.
Stahlbeton – Selten sieht man einen Mischwagen, der nach Din oder Euronorm angemischten Transportbeton zur Baustelle bringt. Meist findet man Ortbeton oder Baustellenbeton; ob die Überdeckungen des Stahls eingehalten werden, möchte ich mal bezweifeln.
Die Schalung für die Fußböden ist manchmal unglaublich, Holz ist knapp, also nimmt man jedes Brett, das sich finden lässt.
Manchmal kann ich nicht sofort rausfinden, ob ein Haus nun abgerissen wird oder grad neugebaut.

Dies ist aus Isfahan, wo dem, bei dem wir zu Besuch waren, grad die Aussicht auf den schönsten Berg der Gegend verbaut wurde.In Tehran wird nur selten mit Holzstützen gearbeitet, hier nimmt man eher normale Drehstützen.Und wenn das Gerüst steht, wird ausgefacht. Manchmal mit Vollstein, meist mit TonHochlochziegeln. Die brechen schon beim ankucken.

Diese beiden Bilder sind von heute, da hat jemand beim Ausladen keine Geduld mehr gehabt:Bis hierhin erstmal der erste Teil, es gibt noch mehr spannende Bilder.
Wir wünschen eine schöne Vorweihnachtszeit.

[Jochen]

Langeweile – kennen wir nicht

Letztes Wochenende sind wir wieder in die Berge gefahren und sind dort etwas gewandert. Hinter einem Bergdorf (Ahar) kann man nur noch mit dem Esel oder zu Fuß vorankommen. Viele Leute wandern da und für das Kabab wird ein Zelt aufgeschlagen und Holz gesucht und ein Feuerchen gemacht. Die Kinder hatten abschließend alle nasse Füße und wir waren ziemlich durchgefroren.

Auf den Bildern kann man es kaum sehen, aber es liegt unheimlich viel Müll in der Gegend rum. Es ist, als würden die Leute nicht nachdenken und alles fallenlassen. Dabei ist die Wertschätzung für ihr Land bei den Iranern sehr groß.
Annette, die uns und ihre drei Kinder mit ihrem Landrover kutschierte, erzählte sehr erbost, dass es in Lorestan überhaupt keine Müllabfuhr gäbe. Diese Provinz ist etwa so groß wie Schleswig-Holstein. Alles wird einfach vor den Dörfern hingeschmissen, ab und zu wird mal ein Feuer angezündet – das wars.

Am Sonnabend gabs einen Ausflug in die Innenstadt zum Golestan-Palast:

Da sieht man wieder mal, wie fotogen unsere Kinder sind:

Und selbst in Krankenhäusern reißen sie sich darum, Bilder wenigstens von Teilen unserer Kinder machen zu dürfen. Es ist nicht nur auf den Straßen von Teheran gefährlich… (Martje hatte sich beim aus dem Bett fallen den Ellbogen verletzt und musste einige Tage eine Schlinge tragen).
So hatte ich die Gelegenheit, ein Krankenhaus von innen zu sehen. Nun war dieses ziemlich modern, aber auch sonst, glaube ich, wird man in Iran nicht schlecht behandelt. Alles wie in D auch. Gekostet hat es etwa 100 Euro plus 2 Taxifahrten. Wenn wir die Quittung wiederfinden, kriegen wir das Geld von der Versicherung auch wieder…


Schlachten mussten wir Martje jedenfalls nicht, wie hier die Ziege, die nun das Fest zu Ehren vom Bruder von der Tante eines Imams nicht mehr aktiv mitfeiern kann.
Wozu sind in D eigentlich gekachelte Wände in Schlachtereien da? Wirkt hier das ausgelaufene Motoröl vielleicht als Desinfektionsmittel?

Laternenfest mit Gesang der Kinder, hier im Wohnzimmer des Botschafters, dann St. Martin-Vorführung.



Die Kinder liefen immer hinterm eigens angelieferten Pferd vom heiligen St. Martin hinterher, der vom stellvertretenden Botschafter gemimt wurde (der gerettete Bettler ohne Schuhe ist der 2. Schulleiter). Hinterher gabs ein Riesenbuffet mit Glühwein, ich hab sogar ein echtes Beck´s bekommen (das 2. Alkoholgetränk, seit wir hier sind). Alles in allem ein schönes Fest, wobei wir uns zwischen diesen teils doch sehr reichen Leuten noch etwas zurechtfinden müssen.

Dank an dieser Stelle an euch alle, dass ihr mit dem Steuernzahlen uns so schöne Feste möglich macht.

In vier Wochen sollen wir hier ziemlich Schnee haben, noch taut es immer ein wenig zurück, wenn schöne Tage sind. Wenn die Berge zu sehen sind, ist es ein wirklich erhabener Anblick, auf den wir uns morgens schon immer freuen. Ich bin mal gespannt, wie wir dann zur Schule und zur Arbeit kommen; manchmal kommen wir ja bei Regen schon ins Rutschen.

Feuer im Kamin


Heute war es wieder mal ganz besonders unterhaltsam:
Es hat eine lange Vorgeschichte – zunächst mal fängt es damit an, dass es innerhalb von 2 Tagen von T-Shirt-zu-warm- bis Mit-dickem-Pullover-gehts-grad-so-Temperatur wechselte. Jeden Tag ist der Schnee näher an der Stadt dran.

Nun ist das hier ein Neubau, den wir bewohnen. Im Juli wars noch Baustelle, erzählte uns ein Nachbar. Die Heizungen waren noch in Plastik eingepackt. Als die Kinder mit Freude das Plastik abgerissen hatten, kamen sie ganz bedrübbelt aus Martjes Zimmer und sagten, sie hätten die Heizung wirklich nicht kaputt gemacht. Es war ein Riesenloch im wasserführenden Teil, vielleicht ist mal ein Stahlträger raufgefallen und keiner hats gemerkt. Ausserdem haben wir einen leeren Kamin, in den ein Gasfeuer mit Holz aus Stein gehört.
Bisher war es uns egal, aber irgendwann muss das Thema ja mal angegangen werden.
Das Ding ist, dass die Wohnung ja nicht von uns angemietet wurde, sondern von der Schule bzw. vom Schulverein.
Daher wussten wir auch nicht, wer der Eigentümer dieses Hauses ist (wir hatten auch so genug zu tun). Immer, wenn irgendwas nicht funktionierte, haben wir Marion Bescheid gesagt, die irgendwelche bekannten Handwerker gerufen hat, die für kleines Geld die Missstände beseitigten oder wenigstens minimierten.
In Sachen Kamin sagte man uns, den hätten wir selber zu besorgen und anschließen zu lassen.
Ich dachte mir, nachdem meine Frau kurz vorm Frösteln war, ich geh mal eben runter zur Kohladouz und besorg das Zeug dafür. Gas liegt ja schon, ich brauch nur anschließen und wenigstens ums Feuer können wir sitzen.
Im Laden waren zwei am Schnacken, einer davon Ofensetzer oder so. Ich hab mit ner Zeichnunng mühsam klargemacht, was ich will, und dass ich das gleich mitnehmen will. Als alles auf dem Tisch lag und er mir erklärte, wie mans zusammenschraubt, kapitulierte ich, weil es doch zu viele Einzelteile waren. Und meine Sprachkenntnisse sind ja noch nicht so gut.
Was es kostet. 18500 aufgeschrieben, als ich mühsam kuckte, malte er noch ne 0 dazu. Sind das jetzt Rial oder Toman, die eigentliche Währung? 10000 Rial = 1000 Toman = ca.80 €Cent
Also 15 Euro oder 150, mit Installation oder ohne? Ich hatte auch kein MobilePhone dabei, um jemanden zu fragen. Für das Material wäre es vielleicht mit 15 Euro ausreichend bezahlt – ich weiss es nicht, in D hab ich so was nie gekauft.
Egal – wir müssen das haben, er möchte doch bitte mal die Adresse aufschreiben und übermorgen kommen.
Zu Hause war mir komisch – irgendwie sind 150€ doch nicht billig. Ich rief Reza an, der gut Deutsch kann. Ja klar, ich könnte ihn im Laden noch mal anrufen und er übersetzt dann.
Ich also noch mal hin. Kein Empfang im Laden – notdürftig draußen. Der andere Kumpel saß noch immer vorm Tresen. Mohsen aus Isfahan – auch ne schlechte Leitung.
Inzwischen war eine Frau im Laden, die sagte, sie könnte helfen. Spricht gut Englisch. Als sie los musste, war gleich die Ablösung da – hat alles geregelt. Kauf und Installation für 90000 Toman = ca. 75 €. Pay in Advance. Warum nicht, wenn ich ne Quittung krieg. Geht doch. Trotzdem, ich muss Persisch lernen.
Als ich schon halb zu Hause war, kam mir der von vorm Tresen hinterhergehechtet und fragte dauernd nach 10000 Toman. Dafür, dass er nichts gemacht hat, kams mir viel vor. Da konnte ich wenigstens so viel Farsi: Na, tschera? Nein, warum? Für seine Antwort reichte es denn wieder nicht. Egal, ich bin doch kein Wohlfahrtsunternehmen, auch wenn alle Europäer stinkereich sind. Als ich ihm anbot, zum Laden zurückzugehen und das da zu klären, wollte er nicht mehr. Ja, einmal Sieger sein. Den seh ich nicht wieder.

Am nächsten Tag kriegte Marion Bescheid: Die Heizung muss funktionieren, und zwar flott. Und wir bezahlen keinen Rial! Für denselben Abend, an dem auch das Feuer montiert wird, kommt der Lulekesh = Klempner. Und am Abend vorher, kommt unser Hausmeister und entlüftet die Heizung, dann wird es schon mal warm. Na, ich glaubte nicht dran. Doch, er kam mit nem Vierkantschlüssel, fand unter der Einbaugarderobe die Absperrventile. Schwer ranzukommen, zum Glück keiner von uns mit dicken Armen, Pech, dass die Ventile nicht zu bewegen sind.
Also zog er unverrichteter Dinge wieder ab. Farda ist auch noch ein Tag.

Nach einem langen Bürotag, an dem ich mir immer wieder die Frage stellte, wie man hier ein funktionierendes Haus herstellt, kam ich durchgeregnet in eine pieksaubere Wohnung zur noch wirbelnden Steffi. Die war noch in Brass von den Tatsachen, was uns zugemutet wird; um alles sollen wir uns selbst kümmern, bei naturgemäß unzureichenden Sprachkenntnissen.
Nach ner Stunde kam der Ofensetzer, und ich kuck nicht richtig, – der Bettler von vorgestern. Na egal, das Steinfeuer ist dabei und nur das Wandventil liegt so blöd, dass man noch basteln muss.

Kurz bevor sie fertig sind, kommt der Klempner vom Marion, der echt in Ordnung ist, immer den Kopf schüttelt und „Xeili bad“ und „Xub nist“ -„Wirklich schlecht“ und „ist nicht gut“ brummelt.

Die Heizung wurde angebaut und alle Körper entlüftet, für die Handwerker gabs Tee.
Der Kumpel mit dem Ofen hat tatsächlich noch Trinkgeld bekommen – 2 Grüne – etwa 1€ 60. Er fing wieder mit 10000 an. Mit mir aber nicht!

Angekündigt war, dass der Eigentümer, (und seit heute wissen wir, wer das ist), der immer mit Blutooth-Knopf im Ohr Hektik verbreitet und monatlich 50000 Toman für die Nebenkosten kassiert, vorbeikommt und die Quittung des Klempners übernimmt. Der kam aber nicht. Dafür seine Mutter, die hier im Haus wohnt und keine Ahnung haben soll, was los ist. Mit der führte Marion das 3. Übersetzungsgespräch und ich sagte ihr danach gute nacht.
Dann klingelte es noch mal an der Tür und ihr schwerhöriger Mann oder was weiß ich, jedenfalls der Fahrstuhlverbieter, kam mit seinem eigenen Klempner, der alle HK noch mal entlüftete, bei allen Kindern im Zimmer Licht anmachte, sie mit dem Geklöter aufweckte, und dann direkt vor ihren Zimmern dem Alten ins Ohr brüllte. Als der noch mit 12 Grünen vor meiner Nase wedelte, um mir zu bedeuten, ich solle den Klempner gleich für seinen nutzlosen Scheiß bezahlen, wurde es mir zu bunt. Ich rief noch mal bei M an, um ihr zu sagen, ich würde mich gleich auch mit nem Schraubenschlüssel bewaffnen und die Jungs aus der Wohnung treiben (ich kenn mich gar nicht wieder)
Da gab sie den Hörer an ihren Mann weiter, der den Leuten dann sagte, was sie zu tun hätten.
Das Ergebnis: Sie würden die Wohnung verlassen und ich solle auch kein Geld geben.
Sie blieben aber stehen und Klempner2 telefonierte mit seinem mobile fertig. Da kuckte ich noch mal schnell nach, was raus! auf Farsi heißt und trug ihm dann seinen Werkzeugkoffer nach draußen.

Jetzt brennt ein lustiges Feuer in unserem Kamin und wir haben uns schon wieder beruhigt.
Es ist nicht so, dass ich das Erlebnis nicht auch lustig gefunden hätte – das Wichtigste ist jedoch die Erkenntnis, dass wir dringend sprachkundiger werden müssen
Unsere Kinder haben mit Freude morgen ihre 2. Farsi-Stunde in der Schule, von denen lerne ich hoffentlich bald fluchen.

[Jochen]

Esfahan-Urlaub


Wir sind aus Esfahan zurück. Der erste Urlaub über 4 Nächte in unserer neuen Heimat. Per Nachtzug ging es hin und ebenfalls zurück.
„Erste Klasse“, worin sie sich von der 2. unterschied , weiß ich nicht. Die Fahrt kostete hin und zurück 43.000 Toman, etwa 33 Euro. Der Zug ist mit 8 Stunden für 400 km kein Intercity, aber wir kamen wenigstens halbwegs ausgeruht an. Esfahan ist ein himmelweiter Unterschied zu Tehran. Die Luft sauber, die Häuser niedrig und weitgehend gut erhalten, kaum Müll auf den Straßen und in den Djubs. Und es gibt einen Fluss! und Brücken, die Venedig kaum schöner hat.


Die Straßen um die großen Sehenswürdigkeiten sind mit Reisegruppen aus Rentnern voll. Aber die Sehenswürdigkeiten haben es in sich. Am meisten hat es uns der Platz angetan, in dessen Reichweite von 100 m unser Hotel lag.

PanoNaghsheJahan02

Nicht mal der Heider Marktplatz kann da mithalten. Der alte Name lautet Naghsh-e Jahan, was „Bauplan der Welt“ bedeutet. Es soll nach dem Tiananmenplatz in Beijing der größte Platz der Welt sein.

An einem der Urlaubstage waren die Vermessungsingenieursstudentinnen mit Geodäten am Werk, obwohl vorher schon jemand rausgefunden hatte, dass er 512 m lang und 160 m breit ist.

Die noch erhaltenen „Taxi´s“ aus Vorölzeiten werden von neuen 4-beinigen Motoren zur Belustigung der Touristen um den Platz bewegt.

Auch diesen Platz, der zum Weltkulturerbe der Unesco gehört, umgeben offene Djubs, die zur Zeit trocken liegen. Zum Glück, denn beim Spiel im Dunkeln fiel Jan Ingmar prompt so hinein, dass wir dachten, er wäre ein Stockwerk tiefer gelandet. Er hatte einen Riesenschutzengel, denn es hätte gut die Nase oder oder die Schädeldecke beschädigt sein können, so war es nur sein Gemüt. Im Gegenteil, es hat ihm nicht geschadet, denn seit dem Tag kann er Fingerschnipsen.

Von irgendeinem französischen Dichter wurde Esfahan als die „Hälfte der Welt“ bezeichnet. Allein wenn man den Platz und die umgebenden Bauten sieht, kann man nachvollziehen, dass es mal stimmen musste. Heute scheint diese Bezeichnung der Präsident von Iran für sein Land zu beanspruchen, so wie er manchmal auftritt.
Alle, mit denen wir gesprochen haben, hoffen, dass es einen Regierungswechsel geben wird. Leider dürfte diese Auswahl nicht repräsentativ gewesen sein.

Die Moscheeen von Esfahan sind grandios, mit Kacheln innen und außen über und über bedeckt. Allein die Imam-Masdjad soll 650.000 Kacheln haben. Und etliche sind nur für einen einzigen möglichen Platz am Gemäuer hergestellt worden.

Der Bazaar ist der absolute Hammer, er geht mehrere Kilometer vom Platz zur über tausendjährigen Freitagsmoschee, immer unter Kuppelgewölben; wie ich es mir in TausendundeinerNacht vorgestellt habe.

All diese schönen Erlebnisse wären nicht halb so schön gewesen, wenn Mohsen, der uns/den wir per eMail kontaktiert hatten, nicht schon bei der Hotelsuche behilflich gewesen wäre, geschweige denn als Begleiter geduldig allen Blödsinn mitgemacht hätte. Er brachte uns auch auf den Ateshgah, ein Bergfort, das der Beherbergung des Ewigen Feuers der Zarathustrier diente. Mit Einführung des Islam wurde der Tempel nicht mehr gebraucht.


Auf das Betreiben von M., der in Esfahan Germanistik studiert hat und jetzt promovieren will, kam auch ein Referat von Steffi über Theodor Storm zustande, zwar aus ihren Studienzeiten noch, aber da die Iraner so abgeschottet sind, ist jede Information von außen gern gehört. Etwas merkwürdig war es schon, ein Referat über einen atheistischen Norddeutschen in Iran vor Hejab-tragenden Frauen zu hören.
Und M. machte auch ein Treffen mit Frauen möglich, die sich u.a. für Kinderliteratur stark machen, ausländische Bücher übersetzen und den schweren Gang durch die Behörden antreten, um diese Bücher veröffentlichen zu können. Komisch, raubkopierte CD´s und Filme gibt es in jedem Computerladen, aber Bücher sind dann doch brisanter. Die Verlage machen es nicht mit, verbotene Literatur zu veröffentlichen, aus Angst, gar nichts mehr herausgeben zu können.





Unsere Kinder wurden alle Naselang fotografiert, wobei der Annäherungsversuch unterschiedlich ausfiel: von höflichem Fragen, ob man die Kinder mal fotografieren dürfe über das über-sie-herfallen und in-den-Arm-nehmen-und-küssen bis zu das-fliehende-Kind-beim-Arm-packen-und-in-Richtung-Kameraziel zerren. Die Handmuskelkontraktion ließ nur durch den Blick auf die in vielen Ärgerfalten gefurchte Stirnen der Eltern nach.
Erst hab ich gedacht, ist doch nett, lass sie machen, aber irgendwann hab ich JanIngmar und Solveigh beigebracht, die Hand aufzuhalten und Sad Toman! – Hundert Toman! zu sagen. Dann waren die Fotografen wenigstens einige Sekunden verblüfft.
Nein, in Teheran haben wir so was nie erlebt. Wenn wir nur berühmt und begehrt wären, weil wir so großartige Menschen sind; aber nein, die Haarfarbe unserer Kinder macht uns mehr als beliebt. Nach dem Klick auf den Auslöser lässt die Liebe allerdings schlagartig nach.
Manche Manöver gingen so schnell, dass ich nicht mehr rechtzeitig meinerseits den Apparat zücken konnte.

Es gibt noch viel mehr zu berichten, aber wir schicken lieber noch mehr Häppchen. Und da wir noch lange nicht alles dort gesehen haben, fahren wir mal wieder hin, wenn die Kinder sich sicher mit Nakon! oder Velam Kon! – Lass das! gegen die Attacken wehren können.

[Jochen]

ungesuchte Wege finden