Ramazan

Seit gestern sind wir tatsächlich schon ein Jahr in diesem Land. Und worüber schreibe ich jetzt? Wir kennen doch schon alles.
Aber jetzt ist Ramazan, was der islamische Fastenmonat ist. Nee, kein Druckfehler, hier heißt es nicht Ramadan. Es bedeutet, dass von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang keiner, der nicht Kleinkind, schwanger, menstruierend, krank oder auf einer Reise, die weiter geht als 40 km (sicher auch ´ne Regel aus Vor-Automobil-Zeiten), also dass so jemand, der das nicht ist, auch den ganzen Tag nicht essen darf. Letztes Jahr begann der Fastenmonat Anfang September – jedes Jahr ist er, da er nach dem islamischen Kalender berechnet wird, 11 Tage früher. Was jetzt misslich ist, da er Jahr für Jahr immer weiter in den Sommer fällt. Und es ist schon warm!
Ach ja, vergessen: Rauchen darf man auch nicht. Ich glaub, Sex ist auch verboten. Und TRINKEN sowieso. Und wie die Leute das ohne Flüssigkeit den Tag über aushalten, weiss ich nicht.
Am ersten Tag des Ramazan war ich auf dem Nachhauseweg über den Bazaar von Tajrish gegangen und ich hatte etwas Hunger, also kaufte ich mir eine Piroschki, so´n Fettgebackenes mit Fleischfüllung, kriegte es in einer kleinen Plastiktüte gleich mit Ketchup in der Tube. Ich hatte plötzlich richtig Hunger, also schnabulierte ich das im Gehen weg.
Als ich abends mit unseren Nachbarn sprach, fiel es mir ein, dass ja keiner in der Öffentlichkeit essen darf und dass ich das ja auch nicht durfte und verstand jetzt auch die verständnislosen Blicke der Passanten.
Amin erzählte, ich solle das doch in Zukunft lieber lassen. Ob mir was passieren könnte? Naja, die Polizei könnte mich schon mit zur Wache nehmen und etwas länger befragen. Aber als Xareji=Ausländer würde ich nicht eingesperrt werden.
Hat aber gut geschmeckt.
Es ist wie mit den Kopftüchern, alle Frauen müssen die Dinger tragen, wenn sie älter als 9 sind; jeder muss fasten, jedenfalls in der Öffentlichkeit. Hier ist wieder mal die Zweigesichtigkeit der Perser zu beobachten: zu Hause machen sie, was sie wollen…
Blöd ist, dass man natürlich auch kein Essen tagsüber im Deliveryservice bekommt. Da muss man sich sein Butterbrot mittags eben selber schmieren.
Aber wenn es gegen Sonnenuntergang geht, dann sind alle geschäftig unterwegs, um für das nächtliche Festmal einzukaufen, und der Geruch der metabolischen Azidose ist überall zu riechen.
Fastenspeise (süßer Pudding) wird aus großen Töpfen in Plastikeimern verkauft, leckere süße und saure Früchte gibt es überall. Und spezielle Backspeisen, die es sonst nicht zu kaufen gibt.
Als ich anschließend im Bus saß, saß eine Frau, die vielleicht die Mutter des neben ihr sitzenden jungen Mannes war, im vorderen Teil des Busses. (Frauen sind immer hinten, Männer immer vor der Mitteltür. Das ist bloß andersrum, wenn der Busfahrer eine Busfahrerin ist. Im Taxi sitzen alle, wie sie wollen, und getrennte Fahrstühle hab ich auch noch nicht gesehen…)
Und als der Busfahrer losfahren wollte, entdeckte er SIE! Er laberte so lange, bis sie sich nach hinten setzte. Und ich dachte, dass die Sache mit den Frauen in Ahmadi-Nejads Regierung, welche die Mullahs nicht dulden wollen, bloß so eine Obere-Ebene-Diskussion wäre. Man kann nur hoffen, dass Chamenei sich nicht dazu äußert, dann wird es wohl stillschweigend hingenommen. Als Frau hat Mann es bisher noch nicht so besonders gut hier.

Die noch nicht reifen Granatäpfel sind aus unserem zukünftigen Garten, die sauren Namenhabichvergessen werden mit Salz gegessen, und die crepeartigen Dinger mit dem Überzug wie ein Wundverband sind mit Zimt und Mandelsplitter gefüllt.Die Jungs sind von der Metro-Baustelle, kurz vor Sonnenuntergang, die Kollegen sind wohl gleich mit Kochen fertig, das Brot wird grade rangeschleppt, und dann wird gefeiert.
Und ich leg mich jetzt auch auf mein rotes Sofa. Oder setz mich mit meinen Freunden und der Familie auf die Straße und speise unser Festmahl.

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