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Deutschlandurlaub 2019
Deutschland ist für uns ja seit Jahren schon nur Urlaubsland. So ganz ist auch das nicht richtig, denn wir haben zu Hause natürlich die Steuererklärung abzugeben und uns um Bankgeschäft zu kümmern. Den Blick auf Deutschland nur einmal im Jahr zu richten, bringt mich jedenfalls zum Nachdenken. Was ist anders geworden? Was ist wie früher?
Es ist einfach ein viel bunteres Straßenbild, immerhin sind wir vor der Flüchtlingskrise nach China umgezogen.
Die Umgebung ändert sich nicht sehr, Neubaugebiete werden bebaut, Menschen werden älter oder sterben.
Trotzdem stelle ich fest, dass sich mein Blick auf Deutschland ändert. Mich nervt, dass man sonntags nicht einkaufen kann, dass Obst und Gemüse nur in geringer Vielfalt zu bekommen ist.
Wenn ich abends ohne Licht fahre (weil mein Licht einen Wackelkontakt hat), fürchte ich die Polizei. Und wenn ich bei Rot über die Kreuzung gehe, auf der weithin keine Autos kommen werden, muss ich mir dumme Sprüche von Passanten anhören. Zum Glück hat mir diesmal kein Rentner versucht, einen Stock in die Speichen zu pieksen, weil ich auf der falschen Seite des Radweges fahre. All das ist in China undenkbar. Dafür darf man vieles auch in Peking nicht. Mein Sohn musste schon einmal 20 RMB (ca 3€) bezahlen, weil er in Sanlitun mit dem Rad über eine rote Ampel gefahren ist. Aber das sind noch Ausnahmen.
Ich versuch mal, die Dinge, die ich für Deutschland typisch finde, zu zeigen.
Dieses Gaststättenklo wird vermutlich auch in 20 Jahren noch so aussehen:
Am selben Ort:
Straßen, auf denen Fahren Spaß macht.
Mein Elternhaus:
Gäste sind herzlich willkommen.
Graffiti ist überall.
Viele Leute machen auch Bilder auf ihre Haut.
Siloballen liegen auf den Feldern.
Hier macht alles Spaß.
Man kann alles machen. Beinahe.
Manchmal ist das nicht gut.
Die Menschen treiben die Zeit mit PokemonGo davon.
Manche kennen das gar nicht.
Sperrmüll wird auf Bestellung abgeholt.
Meine Laufstrecke.
Manche Wortspiele sind nicht für jeden verständlich.
Züge fahren nicht.
Dann streift man eben länger durch das Schöne Hamburg.
Ein chinesisches Dreirad hat auch das schöne Leben gesucht.
Und wir haben es gefunden.
Schönes verregnetes Deutschland
Deutschland bedeutete für uns in diesem Sommer: Regen, Familie, Freunde, Grün, Baustellen, exotisches Essen. Exotisches Essen bedeutet für uns selbstgemachte Pizza, Käse satt, Grillwurst, vegane Lebensmittel aus dem Supermarkt. In China ist dieser Trend noch nicht angekommen, daher fühlten sich unsere Mädchen wie im Paradies.
Innerhalb kürzester Zeit kamen Freunde zu Besuch und sammelten sich im Garten um den großen Tisch und es gab zu essen, was alle mitbrachten. Als wenn wir nie weggewesen wären.
Wir hatten nicht nur tolles Wetter, oder anders, wir hatten nicht nur Regen.
Das gehört zu meiner Laufstrecke. Normalerweise nehme ich immer mit unseren Zwillingen am Dorflauf in Kölln-Reisiek teil. Um dann auf dem Treppchen zu stehen. Dabeisein ist alles. Dieses Jahr ging das nicht, da meine Eltern ein großes Fest feierten.
Aber wenn die Sonne dann mal rauskommt…
Auch Laufstrecke..
Sehr cool war, als Freunde mit neuem Spielzeug vorbeikamen und wir auf der Hundewiese (kurzerhand in Kölln-Canaveral umbenannt) die von Jacob selbstgebaute Wasserdruckluftrakete in den Himmel schickten.
Ein Malkurs bei unserer Freundin Löna machte uns binnen kurzem zu Künstlern.
Nee im Ernst, mit etwas Anleitung kommt da schon was raus, auch wenn es Jahre her ist, als man zuletzt einen Pinsel in die Hand genommen hat.
Steffi war in Dresden, Martje in Amsterdam und Konstanz, ich bin außer nach Kiel und Dithmarschen nicht weiter als bis nach Hamburg gekommen. Da hat mich überrascht, wie friedlich und bunt die Stadt geworden ist.
Ganz anders als wie ich hier studiert hab. Obwohl Hamburg schon immer weltoffen war, ist das Flair meiner Meinung nach noch weltoffener geworden.
Das war natürlich nicht so, als der G20-Gipfel in Hamburg stattfand. Die vielen Wasserwerfer und die aus ganz Deutschland zusammengerufene Polizei zu sehen war etwas bedrückend.
Und dann die Alster!
Wir sind trotzdem gerne wieder nach Beijing zurückgekehrt.
Dorflauf
Ein paar Tage (17.7.) ist es schon her, als wir in unserem Heimatdorf Kölln-Reisiek am Dorflauf teilnahmen. Wir, das sind Solveigh, JanIngmar und ich.
Jedes Jahr nehmen wir teil und tragen die Pokale nach Hause. So auch diesmal. Allerdings wollte ich mich auf der Hälfte der Strecke bereits fast hinlegen und warten, bis alle vorbei gelaufen sind. Warum ich trotzdem gelaufen bin, bis ich im Ziel ankam – ich hab keine Ahnung. Am Ende landete ich unverdienter Weise auf dem 2. Platz. Vielleicht sollte ich im kommenden Jahr mal etwas trainieren. Immerhin bekam ich den Dorfmeister-Pokal, weil der Erste nicht aus unserem Dorf kam.
Total süß, wenn die kleinen Kinder laufen, einige der Jüngsten wissen gar nicht, wo das Ziel ist und müssen eingewiesen werden. Diese Nummer 1 ist aus einem fremden Land mit ihren Eltern gekommen erst kurz in Deutschland ansässig.
Meine eigenen kleinen Kinder wurden jeweils erste. Bei Solveigh kein Wunder – sie ruft mich morgens oft aus dem Bett und wird mich dann als Laufpartner um die Übungsstrecke jagen. Auf freier Strecke hänge ich sie ab. Beim Sprint am Ende kann ich gegen sie nichts ausrichten.
JanIngmar hätte auch genauso gut spazieren gehen können. Als Einziger seines Jahrgangs hat er den Pokal sicher.
home sweet home
Zurück nach China zu kommen ist nicht einfach nach einem solchen Urlaub. Zu verlockend sind die Freuden des Sommers in Deutschland. Schließlich haben wir fast kein schlechtes Wetter gehabt. Segeln auf der Alster, Paddeln auf der Eider, Springen in den See, Einkaufen in den billigsten Supermärkten Europas, Gartenparties, Freunde treffen, alles ist/scheint unkompliziert und leicht zu erreichen (wenn du Geld hast und gesund bist). Der schönste Platz der Welt findet sich aber nach unserer Meinung zwischen den Landesgrenzen unseres Grundstücks.
In diesem Jahr tragen unsere Apfelbäumchen nach 8 Jahren zum ersten Mal, ein paar herabgefallene Äpfel können wir bereits verkosten, leider wissen auch die Würmer schon von dem Wohlgeschmack der Früchte. Nichts ist vollkommen, das Paradies gibt es nicht, es ist der Ort, den wir sehen werden, wenn wir tot sind. Aber wir können uns einreden, auch lebend schon nah dran zu sein.
Es nützt aber alles nichts, wir haben uns entschieden, in Chinesien zu leben, wie unser Nachbar sagt, und da müssen wir wieder hin, egal, wo es jetzt am schönsten ist.
In Helsinki auf dem Flughafen gibt es bereits Automaten, die Pässe lesen und uns aus der EU entlassen.
Im letzten Jahr war der Flieger voll mit Chinesen, die so aufgeregt waren, dass sie fröhlich schnatternd sich nicht auf die Plätze begaben. Der Pilot musste über die Intercom darauf hinweisen, dass er nicht fliegen könne, wenn nicht alle auf ihren Plätzen säßen. Dies Mal sind alle flugerfahren genug, um davon zu wissen.
Drei Filme, zwei Mahlzeiten und ein Nickerchen später landen wir im blauhimmeligen, 26° warmen Beijing, nach 45 Minuten haben wir unser Gepäck und eine halbe Stunde Taxifahrt später sind wir wieder in unserer picobello sauberen Dachgeschosswohnung. Fast hätte ich mich am Flughafen noch giftig gedacht, denn die Taxifahrer weigern sich, nicht mehr in den Kofferraum passendes Gepäck im Fond zu transportieren, so dass wir mit drei Taxen fahren müssen.
Dank Zhiyi leben unsere Pflanzen noch und die Schaben haben nicht die Oberhand über unsere Küche gewonnen. In 10 Tagen geht die Schule wieder los, Steffi wird leider kaum Zeit haben, die sie mit uns verbringen kann, denn sie muss den Schulbeginn vorbereiten.
Rucksack
Seit 24 Jahren habe ich das gleiche Rucksackmodell. Modell „Osorno“ von der Firma Fährmann. Ein Hauptfach, 3 Reißverschlussfächer außen, ein „heimliches“ innen und ein Plastikkarabiner für Schlüssel o.ä. ebenfalls innen. No frills, sagt der Anglizist.
Als der erste Rucksack nach 10 Jahren unansehnlich wurde, bestellte ich einen neuen. Der war im Detail verbessert. Aber nach weiteren 10 Jahren war der Reißverschluss schadhaft. Ich rief bei der Firma an, um zu fragen, ob sie den Osorno noch immer im Programm hätten und erklärte, warum ich einen neuen Rucksack bräuchte. Herr Unhold, der Chef der Firma sagte, warum willst du einen neuen, wir reparieren dir den alten. Ich schickte gleich beide ein, bestellte trotzdem einen neuen und bekam die beiden für 25 € repariert zurück.
Jetzt war das Rückenpolster vom neuen Rucksack abgeschubbert und hatte ein größeres Loch. Daher rief ich wieder an und bekam die Anweisung, 6 € in bar ins Paket zu legen, meine Adresse in eine Tasche des Rucksacks zu legen und alles einzuschicken. Nach knapp 3 Wochen bekam ich gestern auch diesen heil zurück, ohne weitere Kosten!
Ich weiß nicht, wie die Firma mit dieser Politik im Wettbewerb bestehen kann, denn das Sortiment ist nicht groß. Nicht einmal sonderlich teuer sind die Produkte. Aber wahrscheinlich ist es die Spezialisierung auf Bergrettungsgeschirre für Hunde und Spezialtaschen, die ihnen das Überleben sichert. Auch Fototaschen lässt Herr Unhold machen, aber mein Crumpler Messenger Boy könnte nicht besser sein.
Diese Fertigungsqualität und der Kundenservice atmen den Geist, für den Deutschland in der ganzen Welt berühmt geworden ist. Ich find´s super.
Ich kann nur empfehlen, sich den Fährmann-Katalog einmal anzusehen, wenn man einen Qualitätsrucksack braucht und nicht auf modischen Schnickschnack schaut. Sie stellen alles in allen Farben her, solange es sich um schwarz handelt (der Kinderrucksack ist die fast einzige Ausnahme).
Sanatorium
Deutschland ist schon schön. Aber am schönsten ist es zu Hause. Deswegen sitzen wir auch auf unserer Scholle und bewegen uns nur weg, wenn es sein muss. Steffi sagt, es sei wie im Sanatorium: Wir sitzen im Garten und machen gelegentlich Arztbesuche. Nichts Ernstes, die üblichen Routinechecks eben.
Das Wetter ist nicht immer so, wie man sich das im Urlaub wünscht, aber es ist wenigstens warm. Auf dem Tellingstedter Schwimmbadfestival, das der dortige Bademeister versucht jährlich auszurichten, konnten wir vor dem Auftritt von Knut Kiesewetter noch mal ins Wasser springen und mussten uns hinterher nicht abtrocknen.
Trotzdem wird die Wäsche auch draußen trocken.
Der Geburtstag unserer Zwillinge wird noch mal richtig gefeiert. Retro-Feier. So wie in der alten Zeit, mit Spielen und Kleingewinnen. Ist wohl das letzte Mal auf diese Art.
Drei Tage später ist Jan Ingmar mit seinen Freunden dran. Er lädt seine Kumpels in die Skatehalle in HH ein.
In unserer Straße kann man auch mal seine Picknickdecke ausbreiten, ohne gleich überfahren zu werden.
Manchmal gehen wir typisch deutsch essen:
Gelegentlich kommt mir Deutschland allerdings wie ein anderer Planet vor.
Sehr nett ist auch, manchmal zum Kinoabend eingeladen zu sein. Eine Freundin wohnt in einem Wohnprojekt in der Nähe, manche würden sagen „Kommune“. Da die Bewohner ein gemeinsam genutztes Haus für Treffen oder Besucher haben, kam anlässlich der Fußball-WM ein Beamer mit Lastwagenplane als Leinwand zum Inventar. Bei schönem Wetter wird das Gerät nach draußen geschafft und wenn es dunkel wird, werden die Liegestühle rausgeholt.
Hin und wieder zieht es uns nach Hamburg, die schönste Stadt der Welt.
Man sieht recht viele Bettler in der Innenstadt, aber dass jemand offen neben einem Polizeiauto um Geld für Marihuana bittet, konnte ich mir allenfalls noch in Holland vorstellen.
Zu Hause!?
In Hamburg landet unsere Maschine pünktlich um 18:30, bis wir in sicheren Gefilden am Abendbrotstisch sitzen, vergehen noch fast 3 Stunden, denn mit der S-Bahn dauert es seine Zeit bis zu Steffis Elternhaus.
Am nächsten Morgen beziehen wir unser Haus und schon nach einer halben Stunde hat Jan Ingmar einen Anmeldebogen für den Höhepunkt des Dorffestes, den Dorflauf, ausgefüllt und für mich gleich mit.
Jan Ingmar´s Lauf ist vor meinem und es stellt sich raus, dass er sich ein Treppchenplatz erabeitet hat.
Nun habe ich seit fast 2 Monaten nicht mehr auf dem Laufband gestanden, geschweige denn mich 3,5 km bewegt. Also werde ich es leicht angehen lassen und mich nicht hetzen. Das ist gar nicht so einfach wie gedacht, denn die anderen preschen davon und hinten will ich auch nicht rumdümpeln.
Also gebe ich doch mehr Gas und ende mit heraushängender Zunge auch auf dem zweiten Platz. Ein Treppchenbild gibt es von mir dennoch nicht, denn die Stopuhr hat mich nicht gezählt. Also steht jemand anderes an meiner Stelle und ich bekomme nach der Fehlerkorrektur den Dorfsieger-Pokal (denn der Erstplatzierte ist gar nicht aus Kölln-Reisiek) nach Hause geliefert. Fairerweise muss ich zugeben, dass ich 2. in meiner Altersgruppe war, insgesamt war ich an 10. Stelle.
Am tollsten ist es natürlich für die Kiddies, die stolz wie Bolle sind, wenn sie nach vorne treten oder gar eine Medaille bekommen dürfen.
Wenn ich bedenke, vor einer Woche erst noch in einer 20-Mio-Stadt gewesen zu sein und mich dort zu Hause gefühlt zu haben, macht mich nachdenklich. Nicht dass es schwer wäre, hier jetzt für ein paar Wochen Fuß zu fassen. Aber wieder ganz hier zu Hause zu sein, wird kein Honiglecken.
Ein Wiener Schnitzel hab ich mir aber schon verdient.
Weg damit!
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir uns von unseren Dingen trennen, die jahrelang auf dem Dachboden gelegen haben und die wir schon fast vergessen hatten. Steffi hat mich „gezwungen“, mein erstes Buch wegzuschmeißen: Winnetou I, das im Bücherregal meiner Eltern stand und an einem schönen Sommertag von mir als 9-jährigen Knirps vom Morgen bis zum Abend fertiggelesen wurde.
Aber auch Steffi musste abgeben.
Als wir schon mittendrin waren, stellte ich fest, dass LTB (WaltDisneys Lustige Taschenbücher) auf den Dachboden wanderten, wo gerade vorher Architektur-Fachliteratur und -folianten in die Blaue Tonne (Papiermüll) geflogen waren. Das ist also der Weg, den unsere Gesellschaft nimmt: Das Leichtverdauliche bleibt bestehen, während Wissen, Schönheit und Kunst den Bach hinunter gehen, bis sie in die Mündung des Reißwolfs fallen.
Schließlich hatten wir fast alles beisammen, um den Sperrmüllwagen erwarten zu können. Am Abend vorher schon stellten wir alles auf die öffentliche Seite vom Zaun. Es dauerte nicht lang, bis die ersten Nachbarn auftauchten, die etwas dazustellten, aber auch viele weiße Kastenwagen hielten an, um unseren Schrott nach Brauchbarem zu durchforsten. So hatten wir überlegt, ob wir uns an die Straße setzen sollten, um sperrmuell-spotting zu betreiben. Bei dem guten Wetter, das wir endlich haben, hätte es sogar Spaß gemacht. Nur müssen wir ja noch Kartons packen.
Am nächsten Mittag war unser Gehweg wieder leer.
Keine Berechtigung!
Entschuldigung, dieser Bereich ist Privatatmosphäre.
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