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Kurzurlaub in Lorestan

Jetzt sind wir wieder zurück von unserem 5-tägigen Ausflug nach Lorestan.A. war so nett, uns in ihrem „Sabzi-polo“ (Reis mit Kräutern), so heißt der in Iran gebaute Landrover bei ihnen, weil er grün-weiß ist, mitzunehmen. Alle Gepäckstücke aufs Dach, Kinder in den Kofferraum und los ging die fast 9-stündige Fahrt 500 km Richtung Bagdad.
Schon kurz hinter der Stadtgrenze Teherans, wo auch immer die ist, fährt man durch Wüste, an Salzseen vorbei und die Städte und Dörfer werden immer armseliger, bis wir schließlich in Lorestan auf der Araberzuchtstation einer Freundin von A. ankamen.Die Landschaft und die Häuser sind in Lehmgrau gehalten, aber wenn erstmal der Frühling durchkommt, soll es ein Fest fürs Auge sein. Vielleicht erleben wir das später noch mal. Es fing bereits an, grün zu werden, und die ersten Obstbäume hatten ihre Knospen bereits rausgeschickt.
A. behauptet, Lorestan wäre das Armenhaus Irans, und besonders im letzten Jahr muss es für die Loren schlimm gewesen sein, weil eine große Dürre herrschte, und die Bauern für die Tiere kein Futter mehr hatten. Von hier irgendwo hat A. auch den Esel, der jetzt in Tehran steht, und den sie damit vom Verhungern rettete.

Vor allem der überall rumliegende Müll ist oft nur schwer zu ertragen. Man muss eben drüberwegsehen. Es gibt kaum ein Bewußtsein dafür, dass man nicht auf seiner eigenen Scheiße wohnen muss.
Khorram Abad ist die 20 km entfernte Provinzhauptstadt, die als ein Highlight die Burg Falak-ol-Aflak aus dem Mittelalter aufzuweisen hat, in dem das Nomadenmuseum untergebracht ist. Der Ausflug in die Stadt war für die Wangen unserer Kinder, immerhin 6 gelbe Stück, wieder besonders anstrengend.

Auf dem Bazar ist es immer interessant, man kann sich kaum sattsehen an der Vielfalt an Waren. Hier ist ein Würfelzuckerhersteller am Werk. Aus Zuckerhüten werden mit ner Hacke kleine Stücke gemacht; wenn man es mit seiner Familie besonders gut meint, sucht man sich einen besonders schönen aus und macht man sich die Arbeit selber. Das Stück Zucker wird zwischen die Zähne geklemmt, und der durchlaufende Tee wird lecker süß. Natürlich braucht man so für ein Tässchen durchaus 4 oder mehr Stückchen.
Endlich waren die Kinder mal für was gut, ich musste nur mal zeigen, wie es geht, dann hatten sie für eine Stunde gut zu tun.
Hier werden Schafsköpfe für ein iranisches Nationalgericht (Kalehpaatscheh) angeboten. Wen´s interessiert, für den frag ich nach der genauen Zubereitung…
Für die Kinder war der Anblick natürlich nichts, die freuen sich lieber an in Farbe getauchten Küken. Solveigh weinte schließlich bittere Tränen, dass wir ihr keins kauften.Lorestan hat einige Wasserfälle, und an einem davon (Bisheh Ab-shar) verbrachten wir einen herrlichen Sommertag. (Ende Februar!) Ansonsten war es jedoch ziemlich kalt. Immerhin sind wir auf 2500 m Höhe.
Mühsam war es vor allem für Martje, die mit ihren Krücken Stock und Stein schlecht überwinden kann (und für die Eltern natürlich, die dann das Kind tragen müssen)
A. ist auch imer für Quatsch zu haben, und so durften die Kinder eine Weile in herrlicher Berglandschaft auf dem Sabzidach mitfahren. Was die vorbeifahrenden Iraner wieder gedacht haben?
Und danach aufs Hochplateau zum Drachensteigen lassen. Ein richtig schöner Tag (nicht nur) für die Kinder.
Die Nomaden sind noch in ihren Winterlagern, im April/Mai gehn sie wieder auf die Reise. Viele bekamen wir nicht zu sehen, das iranische Einheitsschwarz wird von ihnen jedenfalls nicht getragen. Und ihre Teppiche sind auch schön bunt. Auf dem Bazar fanden wir zwei schöne Exemplare, die eigentlich Wandbehänge sind, die jetzt unseren Fußboden zieren.
Und weils so schön gelungen ist, noch ein Bild von einer Moschee von unterwegs. Wir waren wirklich froh, dass die Fahrt ohne Unfall zu Ende ging; im Tehraner Stadtverkehr, der uns allein 1,5 Stunden kostete, kriegten wir noch einige zu sehen.

Karneval in Tehran

Tehran Alaaf!
Wir sind, wie ihr alle wisst, begeisterte Karnevalisten, und deshab freuten wir uns auch sehr über die Einladung des 2. Botschafters bzw. seiner Frau zu dem Partyevent schlechthin. Mit dem Babysitter klappte es nicht, daher mussten wir die Kinder mitnehmen und schon um 10 wieder gehen. Für einen ersten Eindruck reichte es alllerdings.
Damit man hingehen kann, braucht man natürlich ein Kostüm. Was bietet sich da eher an als ein Tschador? Ich war in Tajrish auf dem Bazaar:
„Ich möchte einen Tschador für meine Frau (hier log ich), die ist so groß wie ich.“ Es wurde ein teures Modell, aber dafür hat es Ärmel. Später erfuhr ich, dass diese Art letztes Jahr im Parlament als Tschador melli = Volkszelt verpflichtend für alle Frauen diskutiert wurde. Zum Glück wurde nichts draus. So konnte ich den Restposten käuflich erwerben.
Der Verkäufer lachte sich halb schlapp, als ich das Ding im Laden anprobierte und er mir zeigte, wie man es schafft, dass die Kutte nicht vom Kopf rutscht.
Als ich die Kinder und Steffi von der Schule abholte, wollte Steffi natürlich mal probieren (die anwesenden Iranerinnen schauen etwas betreten, weil sie sich freiwillig natürlich nie da drin verstecken):
Die Kids waren relativ schnell verkleidet, Martje kriegte noch einen Umhang von der Schneiderin in der Familie genäht und war glücklich. Auf dem Fest wurde sie oft gfragt, ob die Krücken zum Kostüm gehörten.
Es gab Tatsache echtes Bier und auch andere Alkoholika zu trinken, nicht nur dieses Holsten, was sonst so auf den Straßen beworben wird. Mit Apfel, Limonen, Minz und Granatapfel-Geschmack. Lemon geht noch so. Jever Fun ist auch weit verbreitet.Und dann auf zur Party! So schön wie die Iranerinnen kann eine Deutsche sich einfach nicht schminken. Immerhin werden pro Kopf hier weltweit am meisten Kosmetika verkauft, von den Nasen- und sonstigen OP´s ganz zu schweigen.
Da sehen die Deutschen doch echt scheiße aus, oder?
Und da endlich ich mit dem Dank immer ausreichend Zahnpasta strahlenden Lächeln.
In diesem Sinne: Helau und Allah!

[Jochen]

Wir sind…


Am 9. 2. 09 (21. 11. 1387) war der Abend vor dem 30. Jahrestag der Islamischen Revolution. Als ich um 21.00 durch die Straßen ging, standen überall Menschen auf den Dächern und riefen Allah-u-akhbar! Gott ist groß! In dieser dichtbesiedelten Stadt hatte ich das Gefühl , die ganze Stadt sei ein Chor, der es nur nicht schafft, im Gleichklang zu singen.
Es wurden die Autobahnen mit grünweißroten Fahnen geschmückt. Ansonsten scherten sich die Leute um die offiziellen Feierlichkeiten recht wenig.
Unser Freund F. berichtete, dass es einen iranischen Satellitensender gebe, der die Unzufriedenheit der Leute in Aktionen kanalisieren will: Die Bewegung gibt sich den Namen „ma hastim“, was „wir sind!“ bedeutet, ähnlich dem Slogan in der DDR „Wir sind das Volk“. Eine Aktion war, dass zu Demonstrationen auf islamischen Märyrerfriedhöfen aufgerufen wurde, bei denen die Gefahr der Verhaftung klein ist, weil man ja schlecht die Heldenverehrung verbieten kann. Trotzdem wurden angeblich Hunderte Leute gefangengenommen, von denen etliche nicht wieder auftauchten.
Deshalb findet jetzt eine andere Aktion statt: Alle, die mitmachen wollen, gehen um 5:00 Uhr zum Bäcker und kaufen Brot. Dagegen kann ja der Staat nichts machen.
Der religiöse Führer benutzte bei seiner Ansprache zum Feiertag auch den völlig üblichen Ausdruck „ma hastim“, wobei alle, die Bescheid wissen, sagen: Siehst du, sogar unser Führer spricht schon davon.
Die Menschen sind sehr unzufrieden mit der derzeitigen Situation, aber viele sagen sich auch, wozu noch eine Revolution, wo es nach der letzten schon nicht besser geworden ist? Aber in der DDR gings ja auch ganz schnell…

Nachtrag zu der Skiwoche, auf der Martje mit dem größeren Teil der Schule war:
Martje ist die auf der rechten Seite, die in rosa. Wir wollten eigentlich vor der Reise mit ihr zum Arzt gehen, weil sie wiederkehrend mal mehr und mal weniger Schmerzen in ihrem Zeh spürte, den sie vor Wochen umgeknickt hatte. Bloß hätte das u.U. dazu geführt, dass sie nicht hätte mitfahren können. Heute waren wir also zum Röntgen (das 2. Mal in Iran), diesmal war es tatsächlich ein Bruch, am großen Onkel. Der wird jetzt mit Gips ruhiggestellt. In 2-3 Wochen soll dann alles wieder gut sein.

Und noch ein Bild vom Abend vorher, wo wir mal alle zu sehen sind. Es ist bei Freunden in Karaj, einer riesigen Trabantenstadt im Westen von Teheran. S. fährt von Karaj jeden Tag 75 km nach THR zur Arbeit und abends wieder zurück. Das Gehalt wird, wenn es gezahlt werden kann, mit 3 Monaten Verspätung gezahlt. Für ihren Sohn geben sie alles, um ihm eine anständige Schulbildung zu ermöglichen, die ihm auch im Ausland eine gute Grundlage schaffen kann. Dafür nimmt S. jeden morgen Pendler mit, die als Fahrpreis zusammen vielleicht umgerechnet 4 € in die Kasse bringen. Ich weiß nicht, wie sie es schaffen, mit weniger als einem Drittel von dem, was uns zur Verfügung steht, zu überleben. Und wir müssen noch nicht mal die Wohnung selbst bezahlen…
Der Zusammenhalt in der Familie macht vieles wieder wett, und das ist das, was sie abhält, das Land zu verlassen, wenn sie es zusammen könnten.
Wir können inzwischen verstehen, warum die Iraner ihr Land gern verlassen würden, aber auch, was sie so sehr hier lieben.

Sicher nicht das, was zu solchen Merkwürdigkeiten führt:
Ein Prospekt aus dem Büro über Badewannen bestand aus etlichen Bildern, in denen jemand sich die Mühe gemacht hat, sämtliche unzüchtigen Körperteile mit schwer entfernbarer Klebefolie zu verdecken. So ganz regierungskonform war er allerdings doch nicht – der Hejab, das Kopftuch fehlt. [Jochen]

DSL ready

Heute ist der Tag, an dem wir jubelten, weil wir aus der Internetdiaspora herauskatapultiert wurden. Ein Techniker kam, pünktlich, hatte das Passwort dabei und machte unsere Rechner ADSL-fertig. Die Verbindung ist zwar noch nicht superschnell, aber immerhin 320 kbs her und 128 kbs hin. Damit kann man schon über Skype ganz gut telefonieren.
Und weil das mit den Dateien auch etwas mehr Spaß macht, lad ich gleich mal ein paar hoch, die etwas typisch Teheranisches zeigen.
Dies ist einfach typisch Iran – mit dem Mangel leben, so wie es auch in der DDR gewesen sein muss:
Man weiß sich einfach in jeder Situation zu helfen, woraus Bälle und Schläger sind, weiß ich allerdings nicht 😉

Keine Angst, dies ist ein Parkstreifen. Aber ich bin sicher, so kann der LKW noch lange fahren. Das Reserverad muss geschont werden. Oft sehen wir Stoßstangen, an denen noch die blaue Plastikverhüllung des Chroms klebt, oder das Plastik der Sitzbezüge wird erst nach Jahren abgemacht. Wo sonst so viel kaputt geht, muss manches eben stellvertretend schöngehalten werden.

Der Park in der Nähe, zu dem wir manchmal einen Fußmarsch machen (2km den Berg hoch), unterwegs ein Blick, der allein den Ausflug lohnt:


In einer „modernen“ Einkaufsstraße ist ein altes Gebäude standhaft geblieben.
Und hierhin führt uns der Weg am Wochenende, raus nach Südosten zwischen Karaj und Tehran liegt der Ponyhof. Die Kinder kriegen prima Reitunterricht und lernen Englisch und Farssi als Beigabe.
A. hat ein Eselchen vor dem Verdursten gerettet und sich mit dem Kauf einen Kindheitstraum erfüllt. Weil es aus Lorestan kommt, heißt es Lori. Alle Kinder schmusen gern mit ihm. Esel sind ja echt spezielle Tiere, aber ich muss sagen, für die Kinder ist es einfach toll.
Das mit Lori ist aber eine eigene Geschichte, da muss ich noch mal fragen, ob ich darüber schreiben darf.
Überhaupt lernen unsere Kleinen so viel: auch Klavierunterricht gehört dazu. Und nicht, dass falsche Vorstellungen aufkommen: Talent will gefördert werden, also muss das schon auf einem Steinway-Flügel sein.

Leider reicht unser Budget nicht dazu, in unserem Luxusappartment (in dem sich die nächsten Bauschäden bereits bemerkbar machen) auch so einen Kasten hinzustellen. Aber für die kleine Variante reicht es schon…

Teppich und Taorouf


Gestern haben wir leihweise einen Teppich bekommen, von Leuten, die wir eigentlich nicht kennen, die aber von uns durch unsere Kontaktvermittlerin A. Kenntnis erlangten. Man muss sich wundern, wieviel Perser es gibt, die Deutsch sprechen, ohne je in D gewesen zu sein. N. und Kh. und ihr Sohn sind solche Menschen. Sie riefen heute an und luden sich bei uns zu Besuch und als sie feststellten, dass sie uns bei der Teppichbeschaffung helfen könnten, boten Sie uns gleich ihren im Schrank liegenden Teppich an.
Ich würde das vielleicht auch tun, trotzdem hat es uns in Bedrängnis gebracht, weil es im Iranischen eine Eigenart gibt, die den Deutschen nicht bekannt ist: Taorouf. So nennt man das Höflichsein um des Höflichseins willen. Es fängt mit einer Straßenbekanntschaft an, mit der man sich zum Beispiel 5 min. unterhält, und kurz vorm Abschied lädt sie einen zum Abendessen bei sich zu Hause ein. Normalerweise nennt man so etwas Taorouf.
Das Gegenüber sagt ab, weil er schon was vor habe. – Nein wirklich, man habe schon etwas vorgekocht, es wäre gar keine Mühe. – Dann gebietet das Spielchen, noch einmal abzulehnen (gegessen habe man grade eben erst am Kabbabi oder Sandwich-Takeaway). Danach wiederholt der Einladende sein Angebot vielleicht; dann hat er´s ernst gemeint und man darf annehmen.

Die Horrorsituation wäre, dass man sagt: „Hast du aber einen schönen Teppich!“ Dann gebietet Taorouf, dass der Teppichbesitzer den Teppich zum Geschenk anbietet. Nähme man an, wäre die Katastrophe da: Der Teppichbesitzer müsste seinen einzigen Teppich hergeben, und der Beschenkte hätte einen Todfeind oder wenigstens einen Den-mag-ich-nicht-mehr.
Es ist ein traditionelles Spiel mit Worten, das vermutlich dazu da ist, den Rang oder die Größe der Freundschaft zu bemessen. Wir versuchen wenigstens dies Spiel mitzuspielen. Vielleicht haben wir es schon mal verloren, ohne es zu merken.

Oft ist man kurz davor, etwas anzunehmen, und denkt, man könne gleich nett essen und Kontakt zu Einheimischen haben, da kommt diese entscheidende letzte Einladung nicht und man weiß, dass man wieder zu deutsch gedacht hat.
Als Ausländer haben wir aber auch etwas Narrenfreiheit, weil die meisten Perser wissen, dass wir nicht so gestrickt sind.

Wir kommen gewöhnlich aus dieser Situation raus, indem wir direkt fragen, ob es denn kein Taorouf wäre. Und schätzen dann ab. Diesmal schätzten wir auf Teppichleihgabe. Vielen herzlichen Dank! Cheyli Mamnun! Wir werden ihn pfleglich behandeln.

Kalender und Jahreswechsel

Es ist ja schon eine Weile her, dass wir was Neues geschrieben und gezeigt haben, aber aus unserem Weihnachts-Heimaturlaub weiß ich, dass tatsächlich einige an unseren Berichten interessiert sind, ja gar auf Neuigkeiten warten.
Also wieder mal ran an´n Speck:

Wie man sieht, lieben die Iraner Weihnachten (fast) genauso wie die Deutschen; wohltuend haben wir allerdings empfunden, dass dieser Trubel, der um sowieso überschätzte Spekulatius, Schokoweihnachtsmänner und Stollen gemacht wird, an uns vorübergegangen ist. Was für die Kinder wichtig war, ist das Basteln, das Singen auf dem Schulhof um den Adventskranz an den Sonntagen und die Weihnachtsfeier in der Schule (weitere Bilder stets aktuell auf http://schulwebs1.dasan.de/ds_teheran/).

So ein Heimaturlaub ist ja für uns auch durchaus erleuchtend gewesen, weil die Fragen deutlich machten, wo noch Unklarheit herrscht. 
Fangen wir mal mit dem einfachen an, der Uhrzeit: 
In Iran ist GreenwichMeanTime +03:30, das heißt, wenns bei uns halb eins ist, ist´s in D erst zehn.
Die Woche ist so ähnlich wie in D, sieben Tage lang ist sie und beginnt mit dem Sonnabend, der Schanbe heißt. Die nächsten Tage sind einfach zu merken: Yek-Schanbe (Eins-Sonnabend), Do-Schanbe (Zwei-Sbd.), Se-Schanbe , Chahar-Schanbe, Pandsch-Schanbe für Fünf-Sbd.=Donnerstag. Dann kommt der Freitag, der heißt Dschom´e. Da ist für alle frei.
Jahresrechnung: In Iran ist noch lange nicht Neujahr gewesen. Das findet erst an unserem 21. März statt (oder auch 1 bis 2 Tage früher…). Dazu mehr,wenn es soweit ist. 
Sorry Kinder, Weihnachten findet (für Iraner) nicht statt!
Der iranische Kalender ist natürlich auch besonders, weil das Jahr Null auf das Jahr festgelegt wurde, als Mohammed von Mekka nach Medina fliehen musste. Immerhin ist das nächste Jahr fast genau 365 Tage lang. So haben wir jetzt das Jahr 1387.
Dies wird überdeckt vom islamischen Kalender, der als reiner Mondkalender auch im Jahr 622 n. Chr. beginnt, aber 11 Tage kürzer ist, weshalb der Fastenmonat Ramazan zum Beispiel jedes Jahr soviel früher stattfindet. Das heisst, dass es in den nächsten Jahren noch unerträglicher wird, den ganzen heißen Tag nichts zu essen und vor allem zu trinken.
Am Tag der Weihnachtsfeier fing es an zu schneien, endlich. Wer´s nicht mochte, waren die Autofahrer, die die Berge mehr schlecht als recht runterkommen. Man soll auch bei Schnee kein Taxi mehr bekommen. 


Einige Weihnachtsgeschenke haben wir einen Tag vorm Abflug auf dem Basar besorgt. Dies ist der größte Basar des Nahen und Mittleren Ostens und großgroßgroß.
Dorthin ging es mit der Metro, die von Norden nach Süden geht und an deren Erweiterung grade gebaut wird. Ausgestiegen sind wir am Imam Khomeini Platz, wo wir als erstes in den Auspuffbazar, dann in den für Autoschläuche, danach in den Anbauteilemarkt und schließlich durch den Mobiltelefonbazar zum Tüten- und Dekorationsartikel- samt Schreibwarenbazar gelangten. Noch habe ich keine Ahnung, wo man hier auf z.B. Staubsaugerbeutel träfe. Aber ich wette, es gibt auch dafür eine komplette Straße.

Nach 2,5 schönen und anstrengenden Wochen in D sind wir nun wieder in Tehran, wo frühlingshafte Temperaturen herrschen und so gar nicht wie hier üblich Schnee Mangelware ist.
Vielleicht schaffe ich es wieder wöchentlich, zu schreiben, aber versprechen kann ich nichts…

Langeweile – kennen wir nicht

Letztes Wochenende sind wir wieder in die Berge gefahren und sind dort etwas gewandert. Hinter einem Bergdorf (Ahar) kann man nur noch mit dem Esel oder zu Fuß vorankommen. Viele Leute wandern da und für das Kabab wird ein Zelt aufgeschlagen und Holz gesucht und ein Feuerchen gemacht. Die Kinder hatten abschließend alle nasse Füße und wir waren ziemlich durchgefroren.

Auf den Bildern kann man es kaum sehen, aber es liegt unheimlich viel Müll in der Gegend rum. Es ist, als würden die Leute nicht nachdenken und alles fallenlassen. Dabei ist die Wertschätzung für ihr Land bei den Iranern sehr groß.
Annette, die uns und ihre drei Kinder mit ihrem Landrover kutschierte, erzählte sehr erbost, dass es in Lorestan überhaupt keine Müllabfuhr gäbe. Diese Provinz ist etwa so groß wie Schleswig-Holstein. Alles wird einfach vor den Dörfern hingeschmissen, ab und zu wird mal ein Feuer angezündet – das wars.

Am Sonnabend gabs einen Ausflug in die Innenstadt zum Golestan-Palast:

Da sieht man wieder mal, wie fotogen unsere Kinder sind:

Und selbst in Krankenhäusern reißen sie sich darum, Bilder wenigstens von Teilen unserer Kinder machen zu dürfen. Es ist nicht nur auf den Straßen von Teheran gefährlich… (Martje hatte sich beim aus dem Bett fallen den Ellbogen verletzt und musste einige Tage eine Schlinge tragen).
So hatte ich die Gelegenheit, ein Krankenhaus von innen zu sehen. Nun war dieses ziemlich modern, aber auch sonst, glaube ich, wird man in Iran nicht schlecht behandelt. Alles wie in D auch. Gekostet hat es etwa 100 Euro plus 2 Taxifahrten. Wenn wir die Quittung wiederfinden, kriegen wir das Geld von der Versicherung auch wieder…


Schlachten mussten wir Martje jedenfalls nicht, wie hier die Ziege, die nun das Fest zu Ehren vom Bruder von der Tante eines Imams nicht mehr aktiv mitfeiern kann.
Wozu sind in D eigentlich gekachelte Wände in Schlachtereien da? Wirkt hier das ausgelaufene Motoröl vielleicht als Desinfektionsmittel?

Laternenfest mit Gesang der Kinder, hier im Wohnzimmer des Botschafters, dann St. Martin-Vorführung.



Die Kinder liefen immer hinterm eigens angelieferten Pferd vom heiligen St. Martin hinterher, der vom stellvertretenden Botschafter gemimt wurde (der gerettete Bettler ohne Schuhe ist der 2. Schulleiter). Hinterher gabs ein Riesenbuffet mit Glühwein, ich hab sogar ein echtes Beck´s bekommen (das 2. Alkoholgetränk, seit wir hier sind). Alles in allem ein schönes Fest, wobei wir uns zwischen diesen teils doch sehr reichen Leuten noch etwas zurechtfinden müssen.

Dank an dieser Stelle an euch alle, dass ihr mit dem Steuernzahlen uns so schöne Feste möglich macht.

In vier Wochen sollen wir hier ziemlich Schnee haben, noch taut es immer ein wenig zurück, wenn schöne Tage sind. Wenn die Berge zu sehen sind, ist es ein wirklich erhabener Anblick, auf den wir uns morgens schon immer freuen. Ich bin mal gespannt, wie wir dann zur Schule und zur Arbeit kommen; manchmal kommen wir ja bei Regen schon ins Rutschen.

Esfahan-Urlaub


Wir sind aus Esfahan zurück. Der erste Urlaub über 4 Nächte in unserer neuen Heimat. Per Nachtzug ging es hin und ebenfalls zurück.
„Erste Klasse“, worin sie sich von der 2. unterschied , weiß ich nicht. Die Fahrt kostete hin und zurück 43.000 Toman, etwa 33 Euro. Der Zug ist mit 8 Stunden für 400 km kein Intercity, aber wir kamen wenigstens halbwegs ausgeruht an. Esfahan ist ein himmelweiter Unterschied zu Tehran. Die Luft sauber, die Häuser niedrig und weitgehend gut erhalten, kaum Müll auf den Straßen und in den Djubs. Und es gibt einen Fluss! und Brücken, die Venedig kaum schöner hat.


Die Straßen um die großen Sehenswürdigkeiten sind mit Reisegruppen aus Rentnern voll. Aber die Sehenswürdigkeiten haben es in sich. Am meisten hat es uns der Platz angetan, in dessen Reichweite von 100 m unser Hotel lag.

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Nicht mal der Heider Marktplatz kann da mithalten. Der alte Name lautet Naghsh-e Jahan, was „Bauplan der Welt“ bedeutet. Es soll nach dem Tiananmenplatz in Beijing der größte Platz der Welt sein.

An einem der Urlaubstage waren die Vermessungsingenieursstudentinnen mit Geodäten am Werk, obwohl vorher schon jemand rausgefunden hatte, dass er 512 m lang und 160 m breit ist.

Die noch erhaltenen „Taxi´s“ aus Vorölzeiten werden von neuen 4-beinigen Motoren zur Belustigung der Touristen um den Platz bewegt.

Auch diesen Platz, der zum Weltkulturerbe der Unesco gehört, umgeben offene Djubs, die zur Zeit trocken liegen. Zum Glück, denn beim Spiel im Dunkeln fiel Jan Ingmar prompt so hinein, dass wir dachten, er wäre ein Stockwerk tiefer gelandet. Er hatte einen Riesenschutzengel, denn es hätte gut die Nase oder oder die Schädeldecke beschädigt sein können, so war es nur sein Gemüt. Im Gegenteil, es hat ihm nicht geschadet, denn seit dem Tag kann er Fingerschnipsen.

Von irgendeinem französischen Dichter wurde Esfahan als die „Hälfte der Welt“ bezeichnet. Allein wenn man den Platz und die umgebenden Bauten sieht, kann man nachvollziehen, dass es mal stimmen musste. Heute scheint diese Bezeichnung der Präsident von Iran für sein Land zu beanspruchen, so wie er manchmal auftritt.
Alle, mit denen wir gesprochen haben, hoffen, dass es einen Regierungswechsel geben wird. Leider dürfte diese Auswahl nicht repräsentativ gewesen sein.

Die Moscheeen von Esfahan sind grandios, mit Kacheln innen und außen über und über bedeckt. Allein die Imam-Masdjad soll 650.000 Kacheln haben. Und etliche sind nur für einen einzigen möglichen Platz am Gemäuer hergestellt worden.

Der Bazaar ist der absolute Hammer, er geht mehrere Kilometer vom Platz zur über tausendjährigen Freitagsmoschee, immer unter Kuppelgewölben; wie ich es mir in TausendundeinerNacht vorgestellt habe.

All diese schönen Erlebnisse wären nicht halb so schön gewesen, wenn Mohsen, der uns/den wir per eMail kontaktiert hatten, nicht schon bei der Hotelsuche behilflich gewesen wäre, geschweige denn als Begleiter geduldig allen Blödsinn mitgemacht hätte. Er brachte uns auch auf den Ateshgah, ein Bergfort, das der Beherbergung des Ewigen Feuers der Zarathustrier diente. Mit Einführung des Islam wurde der Tempel nicht mehr gebraucht.


Auf das Betreiben von M., der in Esfahan Germanistik studiert hat und jetzt promovieren will, kam auch ein Referat von Steffi über Theodor Storm zustande, zwar aus ihren Studienzeiten noch, aber da die Iraner so abgeschottet sind, ist jede Information von außen gern gehört. Etwas merkwürdig war es schon, ein Referat über einen atheistischen Norddeutschen in Iran vor Hejab-tragenden Frauen zu hören.
Und M. machte auch ein Treffen mit Frauen möglich, die sich u.a. für Kinderliteratur stark machen, ausländische Bücher übersetzen und den schweren Gang durch die Behörden antreten, um diese Bücher veröffentlichen zu können. Komisch, raubkopierte CD´s und Filme gibt es in jedem Computerladen, aber Bücher sind dann doch brisanter. Die Verlage machen es nicht mit, verbotene Literatur zu veröffentlichen, aus Angst, gar nichts mehr herausgeben zu können.





Unsere Kinder wurden alle Naselang fotografiert, wobei der Annäherungsversuch unterschiedlich ausfiel: von höflichem Fragen, ob man die Kinder mal fotografieren dürfe über das über-sie-herfallen und in-den-Arm-nehmen-und-küssen bis zu das-fliehende-Kind-beim-Arm-packen-und-in-Richtung-Kameraziel zerren. Die Handmuskelkontraktion ließ nur durch den Blick auf die in vielen Ärgerfalten gefurchte Stirnen der Eltern nach.
Erst hab ich gedacht, ist doch nett, lass sie machen, aber irgendwann hab ich JanIngmar und Solveigh beigebracht, die Hand aufzuhalten und Sad Toman! – Hundert Toman! zu sagen. Dann waren die Fotografen wenigstens einige Sekunden verblüfft.
Nein, in Teheran haben wir so was nie erlebt. Wenn wir nur berühmt und begehrt wären, weil wir so großartige Menschen sind; aber nein, die Haarfarbe unserer Kinder macht uns mehr als beliebt. Nach dem Klick auf den Auslöser lässt die Liebe allerdings schlagartig nach.
Manche Manöver gingen so schnell, dass ich nicht mehr rechtzeitig meinerseits den Apparat zücken konnte.

Es gibt noch viel mehr zu berichten, aber wir schicken lieber noch mehr Häppchen. Und da wir noch lange nicht alles dort gesehen haben, fahren wir mal wieder hin, wenn die Kinder sich sicher mit Nakon! oder Velam Kon! – Lass das! gegen die Attacken wehren können.

[Jochen]

Burj-e Milad

Da wir heute abend mit dem Zug nach Isfahan fahren, wollen wir noch schnell die schönsten Bilder der letzten Woche zeigen. Wir waren noch zwecks Einkauf von Kleidung in Tajrish auf dem Bazaar, wo natürlich fast alle Geschäfte geschlossen waren, weil wieder mal Freitag ist.
Aber tot ist es dort deshalb noch lange nicht. Solveigh und Martje bekamen (freiwillig) Kopftücher, damit hoffentlich nicht immer Hände auf ihren Haaren landen.
Hier der Eingang zu einer Moschee:


„Unsere“ Moschee bei Nacht:

Hier wurde die Straße asfaltiert. Die Bauarbeiter schlafen vor Ort; so ist es auch auf normalen Baustellen üblich. Nur so kann man sichergehen, dass am Morgen nicht 2 Maschinen rumstehen.

Hinter dem grünen Pförtnerhäuschen rechts ist übrigens der Eingang zur Schule. Es stehen immer Polizisten, die alle Kennzeichen von anhatenden Autos aufschreiben. Schließlich sind fast 80% der Schüler aus iranischen Haushalten. Was sie mit den Daten machen – keine Ahnung. Hier darf man natürlich auch nicht fotografieren. Ich wurde allerdings nur noch mal freundlich von der Polizei ermahnt.

Diese Schulmädchen rufen uns immer schon von 50 m Entfernung „Hi! How are You?“ und „Good Morning!“ zu.


Der Turm von Tehran, der seit etlichen Jahren im Bau begriffen ist, eigentlich schon lange fertig sein sollte, ist von fast überall zu sehen. Die Lage ist natürlich super, sehr prominent auf einem Hügel gelegen. In der Zeitung stand zu lesen, dass sie 40 qm große Büros in dem Ding verkaufen würden. Kostenpunkt 3 Mio. € (pro m2!!). Hinterher wurde dementiert, sie wären gar nicht zu verkaufen, nur zur Miete. Im Büro ist die Meinung, man würde mit solchen lancierten Meldungen den Marktwert abschätzen. Teuer wird es auf jeden Fall.
Die nächste Meldung nach unserer Isfahan-Reise.

Verkehr

So fährt man übrigens in Iran Motorrad:

Is klar, dass die 3 grad im Begriff sind, auf ner 4-spurigen Straße, die mittig durch Poller getrennt ist, als Geisterfahrer die nächste Seitenstraße zu erreichen, nä?

OK, ich geb ja zu, dass das ne Montage ist. Da hier Motorräder über 200ccm ausschließlich der Polizei vorbehalten sind, dürften wir mit der BMW oder Calle´s Harley gar nicht fahren.
Erlaubt ist es eigentlich auch nicht, ohne Helm zu fahren. Deshalb haben ganz viele, die einen Helm besitzen, ihn am Lenker oder über der Lampe hängen, damit sie sich den aufsetzen können, wenn ein Polizist mal fürs Kontrollieren der Helmpflicht zuständig ist. Und wenn darin nicht grade Eier transportiert werden…

Dem hier rutschten seine Latten und Gerüststangen beim Fahren immer runter. Deshalb fährt er grade gegen einen Erdhügel, um sie wieder hochzuschieben. Klappte allerdings nicht, also fuhr er wieder los, um bei jedem „schlafenden Polizisten“ (wie heißen diese Hügel, die einen daran hindern sollen, schnell zu fahren, noch mal auf deutsch?) die Straße aufzukratzen.

In der Freizeit setzen sich die Ordnungshüter zu Ausländern auf die Parkbank:


Die andere Polizei hab ich bisher nicht fotografiert, weil die Schlagstöcke oder Maschinengewehre tragen, und ich nicht weiß, ob sie das so gerne mögen.
Gestern habe ich mal in der Nähe eines Botschaftsgeländes fotografiert (was ganz unspektakuläres). Ich wurde sofort rangepfiffen, und nachdem ich sie mit Handschlag und „Wie geht es Ihnen?“ begrüßt hatte, ließen sie sich die Bilder zeigen und machten eines noch mal klar: „No Photos!“

Und übrigens: Heute kam unser Container und unsere Wohnung ist jetzt voll. Gut, dass wir von den Iso-Matten runter sind und den Kindern wieder Pausenbrot eintuppern können.

Voll blöd war, dass der Fahrstuhl nicht benutzt werden durfte. Der Opa-Hausmeister sperrte sogar den Strom für den Lift. Die Packer waren ziemlich genervt. Er stand dauernd rum und ließ einen noch nicht mal den Treppeneingang benutzen. Alle mussten durch die Garage.
Na, als es vorbei war, hab ich ihm im Beisein der Möbelpacker die Hand geschüttelt und auf Persisch vielen herzlichen Dank für die Hilfe gesagt. Das nächste Mal wende ich Gewalt an und verschaff mir Einlass.
Aber es soll hier so üblich sein; ich frag mich nur, was ist, wenn ich eine Plastiktüte zuviel hab, muss ich dann auch laufen?

Und übrigens 2: Morgen muss ich wieder zur Arbeit. Letzte Woche war Probezeit, jetzt wird´s Ernst.
Bauingenieursbüro (in D aufgewachsen) mit einigen Studenten und einem festangestellten Allrounder. Macht Sachen für die deutsche und schweizerische Botschaft und hat ein Projekt in bester Lage, das ich beplane. Ich wundere mich darüber, dass hier so viele Häuser stehen. Wenn so gebaut würde, wie die Genehmigungsplanung, die ich vor Augen habe, vermuten lässt, würde hier kein Haus funktionieren. Ich soll´s besser machen und dem Chef sein Geld mehren.