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Mit Deutschland wird das nix. Beispiel Coronatest

Unsere Zwillinge waren im Urlaub gewesen und kamen am letzten Sonntag aus Amsterdam zurück. Jan Ingmar fühlte sich nicht gut und hatte Husten und Schnupfen.
Da er in der Logistikbranche arbeitet (er verräumt Waren bei Budni in HH), brauchte er eine Krankschreibung, um zu Hause bleiben zu dürfen.
Der Arzt wehrte einen Praxisbesuch vehement ab: erst müsse er einen Covid-19 Test machen lassen. Dafür gibt es ja jetzt diese Teststrecken für Auslandsrückkehrer.
Also fuhr er mit dem Fahrrad dorthin. Ist gerade mal einen Kilonmeter entfernt und er war ja nicht richtig krank.
Dort sagte man ihm, den Test könne man nicht machen, wenn er nicht im Auto käme. Wie er das denn machen solle, er habe nicht mal Führerschein geschweige denn ein Auto. „Dann nehmen Sie sich ein Taxi.“ Frustriert kam er zurück und fragte, ob ich ihn fahren könne. Natürlich, was blieb mir übrig?
Coronatest
Über eine Stunde standen wir mit dem Benz in der Warteschlange, bis wir am provisorischen Testcenter angekommen waren und ihm ein Wattestäbchen in den Rachen gesteckt wurde.
Coronatest
Mit dem Nachweis über den absolvierten Test durfte er dann in die Praxis und bekam die vorbereitete Krankmeldung ausgehändigt. Einen Arzt bekam er nicht zu sehen.
Ich finde, das System ist selber krank. Willkommen in der Servicewüste Auto-Deutschland! Ein Taxi nehmen zu müssen und weitere Menschen potentiell anstecken zu können, ist so wenig durchdacht.
Aber auch die Schulen sind nicht sinnvoll instruiert. Die Schüler sind in Kohorten eingeteilt. Es ist aber egal, ob Geschwisterkinder oder Spielfreunde z.B. in einer anderen Kohorte sind. Da stimmt was nicht. Immerhin wohnen wir in einem Bundesland, in dem es nur wenige Fälle gibt. Bisher.

Eines klappt wenigstens: Das Testergebnis ist unserem Sohn schon nach etwa 36 h per SMS mitgeteilt worden: negativ.

Mysterien von Mittelerde

Jeder Tag im Reich der Mitte zeigt uns, wie wenig wir von den Gepflogenheiten begreifen. Viele Dinge können wir uns erklären lassen von denen, die schon länger als wir hier leben. Manches wird auch auf viele Arten falsch erzählt und geistert dann als Hörensagen in der deutschen Community herum. Als Beispiel fällt mir das Gebäude, das neben der „Großen Unterhose“ steht, ein. Verbrieft ist, dass es in der Nacht zum Neuen Chinesischen Jahr 2009 in diesem Hochhaus gebrannt hat. Und zwar so lange, bis es nicht mehr nutzbar war. Schuld war ein Feuerwerk, das auf dem benachbarten CCTV-Tower abgebrannt wurde. Seitdem sind einzelne Raketen im Stadtgebiet verboten. Noch immer steht ein Bauzaun davor und man hört, dass es nicht renoviert werden kann, weil es voller Asbest steckt. Das steht aber irgendwie im Gegensatz zu dem Gerücht, dass der Architekt eine brennbare Wärmedämmung verbaut haben soll, die hinter der Fassade schmorte, bis das ganze Ding wie eine Riesenfackel in Flammen stand. Angeblich kann man es nicht abreißen, weil die Statik des CCTV-Towers dadurch nicht mehr ausgeglichen sei und dieses zusammenbrechen könnte. Andere sagen, dass die darunterliegende U-Bahn eine Sprengung des Klotzes verhindert. Übrigens ist der Architekt nach dem Brand für die Wahl der falschen Wärmedämmung hingerichtet worden.

Die Gerüchteküche wird auch nicht gerade klarer, wenn das Staatliche Fernsehen, dem beide Gebäude gehören, über den Brand und die Folgen nichts berichtet, denn wer ist Schuld am Feuer? Der Fernsehsender selber.

Nichts zu wissen ist nicht gut, nichts wissen zu wollen ist schlimmer. Falsches Wissen weiterzugeben ist am schlimmsten.

Ich versuch´s trotzdem. Die folgenden Statements sind komplett aus der Luft gegriffen, stimmen aber vielleicht doch:

Diese alten Leute kommen vom Lande und sind in einer der spektakulärsten Shoppingmalls auf ihren Klappstuhl gesunken. Sie warten auf ihre Kinder, die durch die Läden ziehen und das Ersparte ihrer Eltern auf den Kopf hauen, um der im Absturz begriffenen chinesischen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Vater musste seinen Sitz bereits gegen ein T-Shirt für seine Enkelin eintauschen.L1058134_1

Diese blauen Kappen werden  den Vogelkäfigen übergestülpt, damit die Piepmätze nicht an Smogdämpfen eingehen. Jeden Morgen trägt der verantwortungsvolle Vogelwart seine Käfige in den Park und hängt sie an die Bäume. Dort können die Sittiche mit ihren Nachbarn Geschichten austauschen. Beim Transport der Käfige werden die Arme stark vor und zurück geschwenkt, um den Vögeln das Gefühl zu geben, der Wind würde wehen. Danach haben sowohl Vogel als auch Vogelhalter den Morgensport erledigt.L1058440_CF

Laut rufend zog diese Prozession von jungen Leuten im schnellen Gleichschritt an mir vorbei. Ich war auf dem Fahrrad und musste richtig in die Pedale treten, um sie abzulichten. Die jungen Leute sind Makler und bewerben mit dieser Aktion ihre neu eröffnete Filiale. Sie müssen dafür 8 Tage lang (Glückszahl) 8 Blocks umrunden, sonst wird ihr Geschäft vom nächstgrößeren Konkurrenten übernommen.L1058445

Jeder freistehende Baum in Peking soll eine solche verchromte Manschette bekommen, da die Vielzahl von Hunden dazu führt, dass die Bäume eingehen oder umkippen wie dieser, wenn Gassi gegangen wird. Die feuchte Markierung auf dem Boden zeigt bereits die Wirksamkeit dieser Maßnahme. Der Hund kann den Baum nicht mehr erreichen.L1058447_CF

Durch Infiltrierung der Modeindustrie ist es dem Militär gelungen, die Akzeptanz der Farbe Camouflage in der Bevölkerung durchzusetzen. Um nicht nur die Menschen auf  einen möglichen Angriff Putins vorzubereiten, ist man dazu übergegangen, auch die Parks entsprechend zu präparieren. Vom einfachen Umwickeln mit Papierschlangen ist man inzwischen auf die Züchtung von Camouflage-Bäumen übergegangen, so dass ein lange ersehnter Regen nicht mehr nur Schaden an der Baumverkleidung hervorruft, sondern sogar ein Wachstum begünstigt.X1006241

Diese Karpfen in unserem nächstgelegenen Supermarkt sind gerade in der Häutungsphase, was man deutlich an den abschilfernden Hautteilen erkennen kann. Wenn der Prozess abgeschlossen ist, werden wunderschöne (und teure) Koikarpfen vom Becken in Plastiktüten umziehen. Von dort geht es dann in die Teiche der umliegenden Parks. Qualität wird groß geschrieben, daher sind die vielversprechendsten Exemplare bereits mit QM-Tags versehen.X1006409

Zufrieden zählt der Eierverkäufer seine Einnahmen. Je nachdem, in welchem Tee die Eier monatelang gelegen haben, haben sie ihre Färbung bekommen. Grüne Eier kosten grüne Geldscheine (1 ¥), braune braune Banknoten (0,5 ¥). Weil der 100 ¥ Schein rot ist, arbeitet der Mann gerade an der Entwicklung von roten Eiern. Da Schwarztee, wie wir ihn kennen, hier hong cha, wörtlich übersetzt Rot-Tee genannt wird, wird diese Aufgabe nicht leicht zu lösen sein. Schließlich will auch in China keiner mit Schwarzgeldern in Verbindung gebracht werden. Wir wünschen viel Glück.X1006632

Tiananmen

Kälte, strahlend blauer Himmel, Wochenende.

Wir waren bisher nur am Rande des angeblich größten Platzes der Welt. Mich interessiert die Fläche ja als Architekt und Dithmarscher gleichermaßen, denn als ich in Heide zur Schule ging, galt der Heider Marktplatz als der größte innerstädtische Platz Europas; als wir in Iran lebten, besuchten wir mehrere Male den Naghshe Jahan in Esfahan, der der zweitgrößte Platz der Welt sein soll. Und jetzt ist Beijjing dran. Um noch ein paar andere Superlative zu zitieren: Iran das Land mit den zweitmeisten Hinrichtungen weltweit, China die meisten. Wo sich Dithmarschen dabei unterbringen lässt, sei mal dahingestellt.

Wir reisen also mit Bus und der U-Bahn an, was eine dumme Idee war, weil es über eine Stunde länger als mit dem Fahrrad dauert. Immerhin frieren wir nicht. Um auf den Platz zu kommen, müssen wir einen Zollstationen ähnlichen Checkpoint ablaufen. Das ist uns aus der U-Bahn schon bekannt, denn jeder Metro-Eingang hat einen Röntgenapparat wie auf dem Flughafen. Ohne Sicherheitscheck keine Reise im Untergrund.L1057876

Ich bin jetzt mal faul und zitiere aus dem Bericht von Steffi von der Internetseite ihrer ehemaligen Schule:

„Nach dem Tod Maos wurde für seinen Leichnam auf dem Platz ein riesengroßes Mao-Soleum errichtet. So bebaut kann man die wahre Größe des 39,6 ha großen Platzes nicht ganz so wahrnehmen, wie ich es erwartet hatte. Beeindruckend war es trotzdem!Pano_Tiananmen

Auf dem Bild oben stehe ich schon auf dem Platz und schaue nach Norden auf das Tor des Platzes des Himmlischen Friedens. Dieses Tor ist auch der Haupteingang zur Verbotenen Stadt, dem Kaiserpalast in Peking. Es ist der Ort, von dem aus Mao Zedong am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik China proklamierte. Deshalb erscheint das Tor auch im Staatswappen der Volksrepublik China.

Das Tor wurde während der Bauarbeiten an der Palastanlage im Jahr 1417 erbaut und am Ende der Ming-Dynastie niedergebrannt. Während der Qing-Dynastie wurde es erneut aufgebaut. Im Dezember 1969 wurde dann das originale, baufällige Tor komplett abgerissen. Es wurde bis April 1970 bis auf wenige Details originalgetreu nachgebaut. Von diesem Neubau ahnte allerdings kein Mensch etwas, weil die chinesische Regierung es geheim hielt. Bis zum Jahr 2000 dachten alle in der Welt, das Tor sei nur renoviert worden. So lange konnte der Abriss geheim gehalten werden.

Ich stehe also nur vor einem Nachbau. Schade, was? …aber mit dem Erhalt historischer Gebäude haben es die Chinesen viele, viele Jahre nicht so gesehen wie wir in Europa. Leider sind dadurch viele bis dahin erhalten gebliebene alte Gebäude unwiederbringlich verschwunden. So gesehen ist es doch ganz gut, dass sie dieses Tor wenigstens wieder nachgebaut haben!

Das Tor hat eine Gesamthöhe von 33,7 Metern und spielt eine zentrale Rolle in der chinesischen Geschichte. Am Tor des himmlischen Friedens wurden Proklamationen des Kaisers verlesen und hier brachte der Kaiser Opfer dar, wenn er den Palast verließ. Man sagt, dass die kaiserliche Seele vor seiner Geburt vom Himmel durch dieses Tor in die „Verbotene Stadt“ schwebte.“L1057896

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Vorne ist das Qianmen, das Südtor zu sehen, das aus 1419 datiert und zur ersten Stadtmauer gehörte. Hindurchgehen kann man tagsüber noch, die angrenzenden Mauern sind durch mobile weiße Zäune, die das Gesamtstraßenbild dominieren, ersetzt worden. Der Platz soll 1.000.000 Menschen bequem Platz bieten, wenn er es denn dürfte. Man könnte eine solche Menschenansammlung sogar relativ bequem in Schach halten, wie wir von 1998 wissen. L1057900

Schön ist der Platz allenfalls an seinen altertümlichen Toren, mit dem Konkurrent aus Esfahan kann er lange nicht mithalten, denn er ist nicht als durchgehende Fläche erlebbar (hier zwei Parolen-Videowände, dort das Mausoleum, da eine Siegessäule.) Wahrscheinlich hatte Mao angeordnet, seinen Leichnam zu verbrennen, um ein Bauwerk hier zu verhindern, aber höchstwahrscheinlich nicht. Auf seinen Wunsch gehört hat man jedenfalls nicht.

Alles ist hier gemacht, um sich selbst wie eine kleine Wurst zu fühlen und von China als großartiger Nation zu denken. Damit haben die Chinesen uns gegenüber einen Riesenvorteil, denn sie sind Teil dieser überlegenen Nation. Ich komm da nur raus, indem ich auch groß denke. Als Weltbürger bin ich ja ebenfalls Teilhaber des menschlichen Kulturguts und kann mir wieder auf die Schulter klopfen.L1057906

Dieser Punkt am Qianmen, an der diese Plakette im Fußboden eingearbeitet ist, soll der Ursprung der Highways Chinas sein. Das werden wir bei Gelegenheit mal überprüfen. Ich glaube, uns wird da auch viel weisgemacht.L1057919

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Im Süden geht die Achse der Stadt mit der Qianmen Da Jie weiter, einer Straße, die mal zu einem Hutong-Stadtviertel gehörte und komplett abgerissen wurde, um im alten Stil errichtete Geschäftshäuser hinzuklotzen. Darin befinden sich jetzt Starbucks, H&M Zara und ähnliche Läden. Nur die alte Straßenbahn und lebensgroße Bronzefiguren erinnern noch an die vergangenen Zeiten.L1057946

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Konfus war der nicht: Konfuzius

Der Konfuzius-Tempel liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Lama-Tempel, aber lange nicht so überlaufen, vielleicht weil hier nicht so viel Räucherkerzen abgebrannt werden. Das Gelände ist jedenfalls mit einem Burggraben um den eigentlichen Tempel und vielen richtig alten Bäumen sehr schön anzuschauen. Eine Ausstellung flankiert links und rechts in Nebenpalästen das Hauptgebäude und zeigt das Leben und Wirken von Konfuzius. Der ist nämlich der eigentliche Urheber des Kant´schen Imperativs („Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu!“) und das schon 500 v.Chr.! Ich habe den Spruch das erste Mal in einem Micky-Maus-Heft aus dem Schnabel von Donald Duck gelesen. Und Kong Fu Zi hat ein wenig Ähnlichkeit mit mir selber, wenn über ihn gesagt wird: „Ist das nicht jener Mann, der weiß, dass seine Ideen nicht zu verwirklichen sind, aber dennoch nicht davon ablässt?“ Dies war und ist als positive Aussage gemeint…

Bildung für alle unabhängig vom Standesdenken war eines seiner Hauptthemen. Durch Bildung solle man zu einem Edlen Menschen werden und damit die Ordnung in der Gesellschaft herstellen. Es ist eine philosophische „Religion“, man verehrt ihn wie einen Heiligen. In der Zeit unter Mao waren seine Gedanken nicht erwünscht, vielleicht auch, weil er Abkömmling von Königen war. Zu Zeiten der Kulturrevolution gab es eine wahre Hetzjagd auf Lehrer, wenn ich richtig informiert bin.

Ein paar Bilder von einem Touristen:

Im Hutong hinter dem Tempelgelände:L1057622

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Steffi hat auch schon diese Handhaltung.L1057634

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Total viele Stelen aus dem 18. Jht., auf denen Artikel, die Konfuzius zugeschrieben werden, eingemeißelt sind. Die sind allerdings von 17 Hundert und.L1057644

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Man schreibt seinen Namen drauf und hängt es ans Geländer. Bringt Glück. Ich glaube, wenn ich alles machen würde, was Glück bringen soll, hätte ich keine Zeit mehr zum Blogschreiben.L1057664

Auch die Goldfische sind hier Rot.L1057665

 

Besuch aus D

Unser erster Besuch aus D ist gerade wieder abgereist. C. und M. waren genau 5 Tage hier – natürlich viel zu kurz für eine Riesenstadt wie Beijing. Übrigens habe ich jetzt die Erklärung gefunden, warum in D von Peking gesprochen wird und überall sonst Beijing gesagt wird: Peking ist eine frühe lautschriftliche Beschreibung des Namens, der wie Be-i-dsching mit weichem dsch gesprochen wird. P wird danach wie B, K wie das englische J gesprochen. Also kann man im Deutschen gerne Peking schreiben, aber soll dann Beijing sprechen. [besserwiss]

Wenn Besuch von woanders ins Haus kommt, lernt man „seine“ Stadt erst richtig gut kennen. Ein bisschen zeigt man, was man selber schon kennt, aber vieles ist aus anderer Perspektive gesehen auch für uns neu.

Immerhin sind wir morgens meist so pünktlich draußen, dass wir die Einstimmung der Restaurantsmitarbeiter und Frisöre auf einen weiteren Arbeitstag miterleben. DSCF0289

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Diese sind natürlich keine Mitarbeiter von irgendwas, sondern haben unsere Kinder nur gefragt, ob sie mal mit ihnen posieren können. Ich musste auch mal mit aufs Bild.L1056839

In letzter Zeit ist es oft stürmisch:L1056859

Die Gigantomanie der Chinesen bekommen wir im Olympischen Park zu sehen, dort wird auch jetzt noch gebaut, diesmal ein fünfsäuliger Turm von furchtbarer Höhe, den wir meistens auch von unserem Zuhause aus gut erkennen können. Die Säulen beinhalten nichts als Technik und Tragstruktur; Pekings höchster Aussichtsturm.DSCF3122

Die Verbotene Stadt ist in Nord-Süd-Achse ausgerichtet. Der Olympia-Park liegt in einiger Entfernung genau in dieser Achse und ist damit konzeptionell völlig in die Stadt integriert. Am äußeren Ende befindet sich ein eigens angelegter Waldpark mit See, dessen Bäume sich gerade im kurzen Spätherbst in allen möglichen Farben präsentieren. Am südlichen Ende befindet sich das 90.000 Menschen fassende Olympia-Stadion, das wegen seiner Struktur Bird´s Nest genannt wird. Die Flaniermeile davor steht dem Tian´an men-Platz in seiner Größe beinah in nichts nach. Auf der anderen Seite liegt die Schwimmhalle mit ihrer  transparente Hülle, deren Muster an Seifenblasen in einer Badewanne erinnert. Nichts ist hier klein gedacht.

Da gibt es die Eintrittskarten für das Stadion:L1056887

Das Bird´s Nest lässt sich für 80 Kuai erklimmen, am höchsten Punkt war 2008 die Fackel aufgestellt, die jetzt wieder am Boden steht. Außer der Tragkonstruktion ist alles in Rot gehalten. Leider leidet die Konstruktion nach nur 5 Jahren unter massivem Rostangriff, und auch die Nutzung ist nicht so stark wie man sich erhofft hatte. Im Hintergrund die „Fackel“ von IBM.DSCF3022

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TaiQi im Olympia-Stadion? Nein! Die buddhistischen Mönche sind nicht mehr nur mit einer Bettelschale ausgestattet. Ein Smartphone gehört inzwischen zur Grundausstattung.DSCF3062

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Am Sonnabend ist die Luft wie zum Schneiden, mit Werten (400+), die mich überlegen lassen, ob es nicht Zeit ist für eine Feinstaubmaske, am Sonntag wachen wir auf mit Blick auf einen blauen Himmel und Werten von 25 ppm. Eigentlich wollen wir alle (außer Steffi, die arbeiten muss) zur Mauer fahren, aber der einzige Bus nach Jingshanling fährt Punkt 8:00 ab Dongzhimen-Fernbusbahnhof, ein Taxifahrer erbietet sich, an einen anderen Abschnitt zu fahren, hat aber nur 2 Plätze frei. Also mache ich was mit den Kindern allein. Wir erkunden die Gegend, und haben viel Spaß in den Straßen nördlich der verbotenen Stadt. L1056806

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Ein Zuckertiermodellierer lässt die Kinder in den schnellhärtenden Sirup pusten und formt so Schwein und Katze.L1056829

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Im Ditan-Park:D7K_6754

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Alles, was Spaß machen könnte, ist natürlich verboten, aber insbesondere darf niemand hier Radfahren und auch nicht „abergläubische Handlungen und andere illegale Aktivitäten“ durchführen.D7K_6751

 

Zoll is auch nich so toll.

Gleich nachdem wir von der Klassenfahrt wieder in der Stadt sind, rufe ich David an, unseren Makler, den ich schon per eMail vorgewarnt habe, er möge mir bitte bei den Zollformalitäten helfen. Ich soll nämlich für die Unterschrift beim Zoll vor Ort sein. Unsere detaillierte Liste von Dingen, die in den Kartons sind, hatten wir bereits bei der Spedition mitsamt den Pässen abgegeben. Die hole ich also als erstes, treffe mich dann mit David, der als Mongole natürlich ganz anders heißt, und fahre zur Stelle, wo die Formulare ausgefüllt werden, die uns zum Empfang unserer Umzugskartons berechtigen sollen. Meine Liste zeigte, welche Dinge in welchem Karton sind. Jetzt wird umsortiert. Wir tragen alle Dinge ein, wie es verlangt wird: Küchensachen werden bei Küche zusammengefasst, Spiele bei Spielzeug, Badmintonschläger und Trampolin bei Sport etc. Am Ende jeder Rubrik wird ein Durchschnittswert ermittelt. Ja, sagen die Damen von der listeführenden Abteilung: „Das ergibt ja einen krummen Wert – 2,643874 € pro Sache – das kann nicht sein!“ Also verändern sie unsere Eintragungen nach ihrem Gefallen und zu unseren Gunsten, bis die Werte in ihr Schema passen. David und ich müssen uns das Lachen verkneifen, grinsen uns nur an und lassen sie machen. Als wir eine Stunde später mit dem fertig ausgefüllten Formular bei den Offizieren auf der anderen Seite des Raums aufkreuzen, trauen wir unseren Ohren nicht: „Du brauchst eine Arbeitsbescheinigung vom Arbeitgeber.“ Das ist die Schule. Als wenn Steffi ohne Arbeitsbescheinigung ein Arbeitsvisum bekommen hätte. Aber das wird nichts mehr bis zum Feierabend werden. Ah, die Frau arbeitet und hier ist ja auch was eingetragen. Dann muss ihr Name auf den Formularen stehen. Also alles noch mal. Fünf Minuten vor Feierabend um 16:20 ist alles eingetragen, aber den Schein bekommen wir trotzdem nicht, denn Steffi muss selber hier sein, um zu unterschreiben. Gibt´s doch gar nicht. Was hat eigentlich die Spedition in dieser Sache bisher getan?

Ich fahre entnervt mit den Papieren zur Spedition zurück, um die 3. Person, die unseren Fall inzwischen betreut, zu sprechen. In einer eMail hat sie sich mal für ihr schlechtes Englisch entschuldigt und ich hab zurückgeschrieben, so schlecht sei es doch gar nicht, weil ich nett sein wollte, aber ich hatte glatt gelogen. Gesprochen ist es sogar noch miserabler. Ein Kollege hilft, als ich lauter werde, um meinem Wunsch nach Unterstützung Ausdruck zu verleihen. Als er fragt: „Do you have a chinese friend?“ und damit meint, der könne morgen doch mit uns nochmal dort hinfahren, springe ich ihm fast ins Gesicht: „No, I want YOU to come with uns – what are we paying you for?“

Am nächsten Tag bekommt Steffi für diese Aktion früher Schluss. Der Zeitpunkt ist total ungünstig: Um 13:00 kommen die Kinder von der Klassenfahrt zurück. Zu dem Zeitpunkt werden wir schon vor dem Zollgebäude stehen. Wir glauben, es hat keiner userer Kinder einen Wohnungsschlüssel, so dass wir einen im Sekretariat deponieren und der Klassenlehrerin ausrichten lassen, sie solle die Kinder hochschicken, bevor sie nach Hause fahren. Um zwanzig nach eins bekomme ich einen Anruf vom einen Klassenlehrer, dass die Kinder mit dem ersten Bus ohne Klassenlehrer gefahren sind und an der Schule ohne Umweg direkt in den Schulbus, der sie nach Hause bringt, eingestiegen sind. Stehen also vermutlich vor verschlossenener Tür. Wir sind bei dem Verkehr eine Stunde von zu Hause weg. Ich setze mich in das Taxi, das uns hier her gebracht hat, nach fünf Minuten ruft Solveigh fröhlich an: „Hallo Papa! Wir sind zu Hause, wann kommst du?“ Dann kann ich jetzt wieder runterkühlen. Alles in Ordnung, ich kehre um, unterstütze Steffi seelisch und lasse die Kinder bei Eis und Fernsehen auf mich warten.

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Unsere Begleitung ist wirklich beflissen, aber sie ist erst seit zwei Monaten in der Firma, weshalb sie auch dauernd telefoniert. Jemanden anrufen, der sich damit auskennt. Steffi macht mich darauf aufmerksam: Wahrscheinlich telefonieren die Chinesen so viel, weil niemand weiß, wie man es denn nun macht. Eine berufsstandbezogene Ausbildung gibt es faktisch nicht, hat Miya ihr erzählt (wie bloß bei dem Englisch?), entweder man steigt in der Firma der Eltern mit ein oder findet eine Stelle, wo man alles mühsam lernen muss. Fleiß ist nicht das Problem, aber er verpufft bei vielen in blindem Aktionismus. Was einem kaum beigebracht wird, ist eigenständiges Denken. David ist da eine rühmliche Ausnahme. Aber vielleicht erwarte ich zuviel. Oder es fällt mehr auf, weil es so viele Menschen gibt?

Ein Ingenieur aus Deutschland, der in der Entwicklung bei einer dt. Autofirma ist, hat es uns mal so erklärt: „Wenn ein Deutscher einen Herstellungsprozess plant, dann zieht er sich zurück und entwickelt einen Weg, wie man es am besten oder effektivsten machen kann. Dieser Weg wird dann konsequent umgesetzt, auch wenn es einen anderen Weg geben sollte, was ja normal ist. Wenn ein Chinese einen Ablauf plant, denkt er sich auch eine Lösung aus, die zum Ergebnis führt. Er denkt aber ständig darüber nach, was man noch verändern könnte, selbst wenn die Variante schlechter funktioniert.“

Miya verheißt, dass am Sonntag oder Montag unsere Sachen geliefert werden können. Ich glaube es erst, wenn der erste Karton ausgeladen wird.

Chromblitzende Skulpturen

Wenn wir die östliche Welt durch die richtige Brille betrachten, ist alles bunt, glitzert und spiegelt. Man liebt hier chromblitzende Skulpturen, mehr noch, wenn sie auf Rädern unterwegs sind.L1055794

Matte Lacke sind auch in Europa durchaus üblich, aber einen Rangerover derart auffällig zu verunstalten, ist hier noch eine der leichtesten Übungen. Dieser steht bei uns auf dem Hof. DSCF7303

Noch schöner findet Der Chinese Glanz. Nur weil man es kann, muss man es doch nicht auch machen, oder? Wir stöhnen OM MANI PADME HOM! und denken uns unseren Teil.DSCF7507

Vor nicht allzu langer Zeit war China noch eine Radfahrnation, jetzt sind viele reich und wissen nicht, wohin mit ihrem Geld. Da bietet es sich an, in Äußerlichkeiten zu investieren und zu hoffen, Trends zu setzen, aufzufallen.DSCF7515

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Manchmal staunen wir und genießen doch heimlich, dass es so etwas gibt. (aus der Privatwohnung einer Kollegin Steffis)Pano_nanli2

Oder wir lachen uns wie diese chromeboys vor dem today art museum, auf das ich mich schon zu besuchen freue, scheckig über den  neumodischen Blödsinn.L1056049

Im Allgemeinen hat der Chinese nicht so viel Geld, um zu protzen und mir sind die Normalen ja eh viel lieber. Aber auch die sind gern mit Stil unterwegs.D7K_5968_1

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Oopsie! Strg-S!!!

Letztes Wochenende war der Hammer!
Ich wollte Töchterchen helfen, indem ich ihr auf meinem Webspace Platz einräume. Dumm war, dass ich zwar schnell und unkompliziert für sie ein wordpress-blog eingerichtet bekam, aber beim Ausprobieren feststellte, dass ich übersehen hatte, dass ihr Blog den gleichen „Vornamen“ /aka „Präfix“ wie meiner bekam und alles auf ihre Webseite umgeleitet wurde. Nix mehr von meinem Internetauftritt zu sehen! PANIK!
Ich brauchte die ganze Nacht, bis mir der Zugriff um 4:00 AM wegen Wartungsarbeiten verwehrt wurde und dann noch 2 Stunden vom Morgen, um mein Backup wieder einzuspielen.
Meine Rettung war das Backup vom plugin BackUpWordPress. Das hatte ich frühzeitig eingerichtet und konnte durch das Zurückspielen alles auf den fast letzten Stand bringen.
Also hier mein Rat: immer brav alles sichern!

zu. Edeka!

Martje kommt nach Hause und erzählt ein Gespräch mit einem Mitschüler:
Sagt er: Du, lass uns Edeka gehen. – Sach ich: Zu Edeka! – Er: Was? Edeka zu? Dann lass uns Aldi gehen. – Ich: Zu Aldi! – Was, Aldi auch zu? Gestern war Aldi doch noch auf. Wo gehn wir jetzt?
Dass hier die weibliche Intelligenz über der männlichen Ausdrucksfähigkeit steht, ist die vordergründigste Erkenntnis, gefolgt von dem traurigen Schluss, dass eine sich wandelnde Sprache sich nicht immer zum Besseren verändert. Dass ich schon letztes Jahr Rücken hatte, und mein Geld nicht mehr reicht, um Edeka (zu) kaufen, muss ich wohl hinnehmen. Ich versuch aber immer noch, meinen Kindern beizubringen, dass es iss! heißt und nicht ess! (das haben meine Eltern mir immer schon beizubringen versucht und letztlich auch geschafft), was andere Leute machen, geht mir eigentlich am Arsch. Echt jetzt.

7 Tage Beijing #3, abgezockt

China ist ja per se eines der sichersten Länder der Welt, wenn man von so einfachen Gefahren wie Typhus, Hepatitis A und Hühnergrippe mal absieht. Eine Diktatur eben mit entsprechend viel Kontrolle durch Polizei und Militär.
Trotzdem kommen angeschlossene und nicht angeschlossene Fahrräder abhanden, und im Gedränge soll man seine Taschen dicht am Körper im Blickfeld halten (Rucksack albern vor dem Körper statt auf dem Rücken tragen z. B.). Mach ich ja auch ganz brav, aber damit hatte ich, von Deutschland und Iran verwöhnt, nicht gerechnet:

Beim Schlendern durch die alten Viertel in der Nähe des Zentrums (mir war gar nicht klar, wie nah ich der Verbotenen Stadt war) spricht mich ein junges Mädchen auf passablem Englisch an und wir kommen ins Plaudern. Sie war mit zwei Freundinnen unterwegs. Was ich denn vorhätte? – Nichts im Besonderen, aber ich würde bald was zu Essen besorgen wollen. – Sie sagten, sie würden in eine Teehaus gehen wollen, ob ich schon mal in einem war und nicht mitkommen würde. Essen könnte man dort auch etwas. Man lernt ja nie aus… Schon bald stehen wir vor einem solchen – Etablissement. Nicht was einem jetzt sofort durch den Kopf schießt. Trotzdem bin ich irritiert, dass es nur ein paar Zimmer gibt, die mit Chaiselongue und Karaoke-Anlage ausgestattet sind. Wir stolpern in eines hinein und bald wird Tee, Cola, Kürbiskerne und Gebäck gebracht und – die Tür geschlossen.

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Ich denke nur, das bringst du jetzt hinter dich und hoffentlich fängt nicht eine an, zu schreien und dich wegen Belästigung hinter Gitter zu bringen. Aber eigentlich hab ich es auch wieder nicht gedacht, denn es bleibt eine nette Plauderei. Nach 10 Minuten hab ich aber die Nase voll von dem unerwarteten Sprachkurs und will meinen Anteil zahlen. Oder meinetwegen auch die ganze Rechnung, denn teurer als 10 Euro kann es ja wohl nicht werden.
Denkste! Die Rechnungen im Businesshotel sind auch nicht detaillierter und schöner geschrieben als was ich vor die Nase gehalten bekomme: 750 RMB, das sind gut 90 Euro. Ich hatte schon umgerechnet 13 Euro gezückt, und ärgere mich schon, obwohl ich noch nicht weiß, was aus der Angelegenheit wird. Nach einigem Hin und Her einigen wir uns auf die Hälfte. Wenn ich damit gerechnet hätte, hätte ich gar nichts bezahlt – schließlich haben sie mich doch eingeladen, oder?
Als wir wieder draußen sind, verabschieden sich die Mädels schnell in die nächste Seitenstraße und lassen mich mit Wut auf mich selber und alle Chinesen meinen Weg fortsetzen. Als ich von einem weiteren Chinesen angesprochen werde: „Hello, how are you?“, belfere ich zurück: „Piss off!“. Nur im Augenwinkel sehe ich ihn kopfschüttelnd auch noch die Schultern zucken. Dabei wollte ich den 1,3 Milliarden doch eine Chance geben, sie nett zu finden!

Am Abend finde ich in unserem Reiseführer in ein graues Kästchen gesetzt genau das beschrieben, was ich heute erlebt habe. Ob es mich vor dem Fehler bewahrt hätte, wenn ich vorher darüber gelesen hätte? Ich glaube nicht, denn als „böse Kriminelle“ hätte ich immer mit männlichen Abzockern gerechnet. Als Mann will ich unbewusst Frauen wohl einen Sympathievorschuss geben. Immerhin habe ich jetzt gelernt, dass sie ihn nicht verdient haben.
Alles Schweine, außer Mutti! Denkt dran, wenn ihr in einer ähnlichen Stuation seid!