Teppich und Taorouf


Gestern haben wir leihweise einen Teppich bekommen, von Leuten, die wir eigentlich nicht kennen, die aber von uns durch unsere Kontaktvermittlerin A. Kenntnis erlangten. Man muss sich wundern, wieviel Perser es gibt, die Deutsch sprechen, ohne je in D gewesen zu sein. N. und Kh. und ihr Sohn sind solche Menschen. Sie riefen heute an und luden sich bei uns zu Besuch und als sie feststellten, dass sie uns bei der Teppichbeschaffung helfen könnten, boten Sie uns gleich ihren im Schrank liegenden Teppich an.
Ich würde das vielleicht auch tun, trotzdem hat es uns in Bedrängnis gebracht, weil es im Iranischen eine Eigenart gibt, die den Deutschen nicht bekannt ist: Taorouf. So nennt man das Höflichsein um des Höflichseins willen. Es fängt mit einer Straßenbekanntschaft an, mit der man sich zum Beispiel 5 min. unterhält, und kurz vorm Abschied lädt sie einen zum Abendessen bei sich zu Hause ein. Normalerweise nennt man so etwas Taorouf.
Das Gegenüber sagt ab, weil er schon was vor habe. – Nein wirklich, man habe schon etwas vorgekocht, es wäre gar keine Mühe. – Dann gebietet das Spielchen, noch einmal abzulehnen (gegessen habe man grade eben erst am Kabbabi oder Sandwich-Takeaway). Danach wiederholt der Einladende sein Angebot vielleicht; dann hat er´s ernst gemeint und man darf annehmen.

Die Horrorsituation wäre, dass man sagt: „Hast du aber einen schönen Teppich!“ Dann gebietet Taorouf, dass der Teppichbesitzer den Teppich zum Geschenk anbietet. Nähme man an, wäre die Katastrophe da: Der Teppichbesitzer müsste seinen einzigen Teppich hergeben, und der Beschenkte hätte einen Todfeind oder wenigstens einen Den-mag-ich-nicht-mehr.
Es ist ein traditionelles Spiel mit Worten, das vermutlich dazu da ist, den Rang oder die Größe der Freundschaft zu bemessen. Wir versuchen wenigstens dies Spiel mitzuspielen. Vielleicht haben wir es schon mal verloren, ohne es zu merken.

Oft ist man kurz davor, etwas anzunehmen, und denkt, man könne gleich nett essen und Kontakt zu Einheimischen haben, da kommt diese entscheidende letzte Einladung nicht und man weiß, dass man wieder zu deutsch gedacht hat.
Als Ausländer haben wir aber auch etwas Narrenfreiheit, weil die meisten Perser wissen, dass wir nicht so gestrickt sind.

Wir kommen gewöhnlich aus dieser Situation raus, indem wir direkt fragen, ob es denn kein Taorouf wäre. Und schätzen dann ab. Diesmal schätzten wir auf Teppichleihgabe. Vielen herzlichen Dank! Cheyli Mamnun! Wir werden ihn pfleglich behandeln.

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