Alle Beiträge von echt.jut

Schick die Kinder in die Wüste!

Meine Güte, was man in zwei Wochen alles erleben kann, wenn man ein Auto hat. Also erstmal fing es an zu schneien und richtig kalt zu werden, als wenn das Wetter uns auf die Norddeutschen neidisch machen wollte. 2 Tage später wars dann wieder schön, aber eigentlich gehört das so nicht.
Schließlich hatte Martje Geburtstag und wir wollten ordentlich draußen feiern. Zwischen zwei Regenschauern bekamen wir tatsächlich in schönstem Sonnenschein einen Schulbus mit 12 Kindern auf das Grundstück einer Kollegin gefahren, Mittagessen, Kuchen und Spiele verabreicht und Geschenke ausgepackt. Der Einfachheit halber hatten Solveigh und JanIngmar auch gleich miteingeladen, um ihren Geburtstag vorzufeiern. Schließlich sind einige der Kinder im Herbst schon nicht mehr da. Schade, dass nicht alle kommen konnten, der Termin war etwas unglücklich gelegen.
Als wir wieder los mussten, fing es an zu donnern und wie aus Kübeln zu gießen.
Nachdem alles schön Wasser bekommen hat, sieht die Welt hier auch schon fast so aus wie die norddeutsche Tiefebene (denkt euch die Berge weg):
Bei unseren sonstigen Ausflügen haben wir gutes Wetter, nicht zu warm, nicht zu kalt.
Im Osten THR´s gibt es den riesigen Wald-Park Lavizan, der als Aufzuchtpark und grüne Lunge arbeitet, wo man ausgedehnt spazieren kann. Ohne Auto war das für uns alles nur schwer möglich.
Die ersten Melonen aus dem Süden Irans werden auf den Autobahnen auch schon angeboten. Das Hochhalten von Melonen oder Granatäpfeln, wenn am Tag 60.000 Autos an einem vorüberbrausen ist allerdings kein Job, der mir Spaß machen würde.
Die Farbe der Appetizer ist in Wirklichkeit nicht so dunkel, daher findet man nahe der vollgeladenen Autos oft Farbdosen und rote Klexe auf dem Seitenstreifen. Werbung funktioniert nun mal nur so.Mandeln und Aprikosen werden erstaunlicherweise oft schon gepflückt, bevor sie reif sind, und man verzehrt sie als saure Nascherei mit etwas Salz. Wir brausen jetzt also öfter an solchen Ständen vorbei, und damit das auch zuverlässig machbar ist, muss unser Wagen in Schuss gebracht werden. Ohne Hilfe hätte ich diese Werkstatt sicher nicht gefunden. Wieder ging ein ganzer Tag dabei drauf, Bremsbeläge und Zündkerzen zu wechseln, na große Inspektion eben. Das Inspizieren hat jedoch auch seine Grenzen, wie wir bald feststellen mussten. Rundum-Sorglos-Werkstätten hab ich noch nicht kennengelernt. Dieser Mechaniker verstand nun wirklich was von seinem Handwerk, aber die Sache mit der Vorderachse sollte ich doch woanders machen lassen. Und die Öle kann ich in der Werkstatt 3 Garagen weiter prüfen lassen. Ist vielleicht auch nicht schlecht, wenn man überall seine Spezialisten sitzen hat. Ich hätte gern die Klappe zugemacht und ihn mitgenommen…
Bei der Eisdiele konnten wir dann nicht mehr weiterfahren. Wir hatten (wieder) einen Platten, diesmal in einem nagelneuem Reifen. Zum Glück 200 m daneben ein Reifenhändler, der ihn flicken kann.Das alles musste ja noch schnell gemacht werden, weil wir am Freitag in die Wüste fuhren.
Eine kleine Baumgruppe behauptet sich dort 10 km hinter einer Müllkippe bei Kashan gegen die Dürre. Nur Schafe, Käfer und Skorpione (ein ganz kleiner war unter dem Zelt eines Mitcampers) in der Nähe. Und an diesem Wochenende 7 Erwachsene und 11 Kinder. Achja und zwei Spinnen-Geckos, die Bekannte von einer Wüstentour mitgebracht hatten, und für ein Terrarium sind die Viecher nichts. Daher wurden wir das Auswilderungsteam und konnten wieder unser Karma verbessern.Man hätte denken können, es wäre die dänische Nordseeküste, wenn es nur Wasser gäbe. Es war allerdings ungewöhnlich grün, weil es die Tage vorher geregnet hatte.
Hier stehen alle Kinder an, um auf Dosen zu schießen. Hab ich´s schon geschrieben?; für die Kinder war es das Paradies. Manchmal waren sie für 2 h unterwegs und gruben wieder irgendwo Skorpionfallen oder rollten die Dünen runter.Auf dem Rückweg blieben wir, nachdem unsere moderner ausgestattete Begleitung vorgefahren war, auf der Autobahn, aber schon in THR liegen. Es machte klackerklonk und ein paar Metallteile des Blazer sah ich im Rückspiegel noch über den Asfalt springen. Kein Abschleppdienst in Sicht, also muss Papa wieder mal selber ran. Zum Glück hatte ich meinen Glücksbringer dabei, ein astreines Stahlkabel aus ner Mülltonne, das ich bei meinen Spaziergängen gefunden hatte. Den Querlenker hatte ich schon mal kurzfristig damit reparieren können, also auch jetzt das zerrupfte Kreuzgelenk der Antriebswelle. (Ich müsste ne Zeichnung machen, um es genau zu erklären). Bis zur nächsten Abfahrt wollte ich wenigstens, aber es hielt besser als gedacht, so dass wir bis in den Großen Bazaar uns ver-fuhren, wo ich an einem Teilehandel fragte, wo man Amerikaner reparieren würde. Ein Opa stand davor, der angab, selber Mechaniker zu sein, und als ich ihm den Schaden gezeigt hatte, sagte er mir, er würde eben mit dem Motorrad vor uns herfahren und zeigen, wo man es reparieren könnte.
Tatsächlich landeten wir vor einer Werkstatt, die NUR Antriebswellen on Stock hatte. Die beiden Jungs bockten den Wagen hoch, bauten die Welle aus, drehten das defekte Teil mit der Drehbank ab, schweißten ein anderes Gebrauchtteil an, sprühten noch schnell Farbe, bauten wieder ein, und eine Stunde später konnten wir uns durch den Stau Richtung zu Hause begeben.
Ich weiß nicht, ob es an uns liegt, aber irgendwie hatten wir schon immer Glück.

Sizdah Bedar

Jetzt ist Nouruz vorbei. Die nationale Untätigkeit ist beendet. Heute war noch ein Tag, an dem fast alles geschlossen war, aber es ist ja auch Jom´e.
Der wichtigste Tag war Sizdah Bedar, „Loswerden vom Dreizehnten“, dem Unglückstag für den, der zu Hause bleibt und nicht in die Natur geht. Oder fährt..
Hier wandern wir mit Fisch und Grün zur nächsten Taxizentrale.
JanIngmar macht es vor: man bindet eine rote Schleife um den Sabzi und dann wird er in irgendeinen Jub geschmissen.
Ich glaube zwar nicht, dass mehr als 1 Prozent wirklich anwächst, aber die Idee finden wir hübsch. Das mit den Fischen lassen wir allerdings beim nächsten Mal, die Mortalitätsrate war einfach zu hoch.Steffi betont immer, wie schön das Neujahr hier ist – kein dunkles, kaltes Fest, an dem man keinen Hund vor die Tür jagt, sondern der Beginn des Lebens mit zartem Grün an den Bäumen und freudigem Herzen, weil die Tage wieder länger werden. Also sind wir wie im letzten Jahr schon nach Jamshidieh gefahren, um dort unser Sabzi und vor allem die übriggebliebenen Fische der Natur zu übereignen. Wie wir denken natürlich alle Tehranis, also war es entsprechend voll. Alle haben gute Laune, grillen ihr Kabab, machen Musik, rauchen Wasserpfeife, alles sehr entspannt. Und fast überall, wo Platz für eine Picknickdecke ist, saß jemand.
Einen Platz gabs doch noch für uns, und inmitten von Tausenden von Städtern, die auf staubigem Boden rumhängen, fühlten wir uns einfach wohl.
Euch allen wünschen wir ein frohes neues Jahr!

Der erste Besuch

Zwei Wochen liegen hinter uns, die es in sich hatten.
Zunächst war diese Geschichte mit dem Auto, die noch nicht zu Ende ist. Immerhin bekam ich es ja vor den Feiertagen noch angemeldet und fahrbereit, so dass ich meinen Bruder und seine Arbeitskollegin mit dem eigenen Fahrzeug vom Flughafen abholen konnte.
Am selben Tag noch ließen wir uns von der Seilbahn in den Schnee bringen, wir bekamen alle Sonnenbrände, ohne dass uns warm geworden wäre.
Unser erster Auto-Ausflug führte uns in die Berge ca. 30 km von THR entfernt,
die Straße endet an einem Dorf, das einen kleinen Wasserfall hat, der das Dorf mit Wasser versorgt. Dort hielten wir uns mehrere Stunden bei bestem Wetter auf.
Nicht alle Ausflüge waren so erfolgreich, der Letzte führte uns auch wieder Richtung Berg, aber auf halber Strecke wollte der Truck nicht mehr – Motor aus, wahrscheinlich wieder die Benzinpumpe. Beim Aussteigen sagte JT: „Jochen, wir haben nicht nur ein Problem, guck mal nach rechts hinten.“ Dass die Reifen nicht mehr perfekt waren, wusste ich schon, aber dass gleich die ganze Luft rauswollte, hatte ich von ihr nicht erwartet.
Was tun? Der ADAC braucht doch zu lange, also telefonieren wir mal irgendwelche Freunde an. Dumm, ausgerechnet hier hab ich keinen Empfang. Nach 15 min. hielt jemand, der unsere Sprache spricht (Englisch), auf dem Weg über die Berge zum Kaspischen Meer. Ja, er könnte uns helfen.
(Kiitos, Eeva, für dieses Bild, wann krieg ich den sonst schon mal so zu sehn?)
Wagenheber haben wir ja, das Rad kriegen wir schon irgendwo repariert. Blöd, dass Feiertag ist. Zweieinhalb Stunden brauchten wir Familienoberhäupter, um einen neuen Reifen aufziehen zu lassen und zurückzufahren, während der Rest der Truppen am Autobahnrand bräsig in der Sonne saß, Pistazien knabberte und die letzten Neuigkeiten in der Welt diskutierte.
Na ja, der Turmbau zu Babel hat am Gedankenaustausch viel verhindert.

Vielleicht sehn wir unseren freundlichen Helfer noch mal wieder, unsere Tel.-Nr. hat er jedenfalls.

Fortan hatten wir nicht mehr so viel Vertrauen in unser Vehikel, deshalb fuhren wir lieber zu acht in kleinen Kia´s (6 Pers. hinten, 2 vorne) in die Museen oder Parks.
Aber mit unserm Auto würden wir vielleicht sowieso nicht in die Innenstadt kommen. Mit geraden Nummerschildern kommt man Sonntags, Dienstags, Donnerstags und mit ungeraden usw… (Kann auch sein, es ist andersrum) Freitags dürfen alle rein. Soll den Smog bekämpfen. Wer es sich leisten kann, hat 2 Autos mit ungerader und gerader Nummer.

Das Azadi-Monument im Osten der Stadt, das 1971 zum 2500jährigen Bestehen des persischen Reiches errichtet wurde. Man kann 268 Stufen hochkraxeln und ist dann 45 m über den Straßen. Unter dem Bauwerk befindet sich eine Ausstellung, die den Charme der DDR der 70er Jahre hat. Witzig war der Roboter, mit dem man sich unterhalten kann. Bei der Frage, welches Geschlecht er/sie denn hätte, kam die Antwort „Zan=Frau“. Warum sie den keinen Hejab tragen müsse? Für Roboter würde das nicht gelten. – Die Frau, die in irgendeiner Ecke in einem anderen Raum saß und den Mechanismus bediente und die Fragen beantwortete, war allerdings doch komplett in Chador gewandet.

Am letzten Tag wollten wir unseren Gästen den großen Bazar zeigen, wo man kaum durch die Massen kommt, weil normalerweise überall Leute und Lastkarren und Motorräder sich durch die engen Gassen quälen. Aber obwohl geöffnet sein sollte, gab es fast nur verschlossene Fenster-Läden zu sehen. Ein Scenario, in dem man problemlos Endzeit-Horrorfilme drehen könnte.

An all diesen Tagen hatten wir sehr angenehmes Wetter, um die 24 Grad, blauer Himmel, obwohl der BBC-Wetterreport an mehreren Tagen Heavy Rain angekündigt hatte. Das wurde dann unser Running Gag: So sieht also schlechtes Wetter in Tehran aus.

Und einen Tag, nachdem unsere Gäste fort waren: Schneefall mit Matsch und Temperaturen, dass wir den Gaskamin anschmeißen mussten.

Mashine nou daarim

Nun ist unser Nouruz-Tisch fertig. In der Schule wurde am Tag Chaharshanbe (=Donnerstag) Suri auch gefeiert, der Hadshi Firuz (so ne Art Schornsteinfeger, allerdings in rot gekleidet, der auf dem Tamburin Krach macht) war da, es wurden Feuer entzündet, wo die Kinder rübersprangen, was Glück bringen soll. Wer´s sehen will, muss mal die Internetseite der Schule anklicken:
schulwebs1.dasan.de/ds_teheran/aktuelles_norouzfest_0809.htm
Und die Fische vom Schul-Nouruztisch bekamen wir mit, so dass nach dem Ableben eines weiteren Fisches noch 3 bei uns übrigblieben.
Drei Tage meines Lebens musste ich der Arbeit fernbleiben, weil das Anmelden des Autos so viel Zeit in Anspruch nahm. Ein Tag mussten wir zum östlichen Ende der Stadt, wo beim Notar die Umschreibung des Autos begann. „Name des Vaters?“ – „Heinz, wieso?“ Die Frage hatte ich beim Anmelden des ADSL-Anschlusses bereits beantworten müssen.
Am nächsten Tag ging es ohne persisch-englische sprechende Bekannte mit dem Verkäufer auf die Zulassungsstelle, die am gegenüberliegenden Ende der Stadt liegt, wo wir Nummernschilder zu bekommen hofften. Da am nächsten Tag (wieder mal) Feiertag war, fanden wir eine ungelogen 2 km lange Schlange von Autos vor, in die wir uns einreihten. Nach 2 Stunden waren wir dran – leider hatte ich unsere Telefon- und Wasserrechnung nicht dabei, die beweist, dass ich auch wirklich da wohne, wo ich gesagt hatte. Und der Mietvertrag lautet ja nicht auf meinen Namen, sondern der der Schule. Also mussten wir mit dem Taxi zurück zur Schule und nach Hause. In der Schule war grade die Feier zu Chaharshanbe Suri. Trotzdem war die Verwaltungsangestellte so nett, mir den Mietvertrag zu kopieren und draufzuschreiben, dass wir die Wohnung dauerhaft in Besitz haben.
Damit und mit den Rechnungen bewaffnet gings zurück aufs Amt. Und tatsächlich konnten wir nach insgesamt 8,5 hrs die Schilder in Empfang nehmen. Für 80 Cent wurden sie noch schnell an die Stoßstange genietet. Dann konnten wir zurück ins Verkehrschaos. Glücklicherweise passierte dem Vorbesitzer das, was mir am Vorabend schon 2x passiert war – wir blieben liegen. Es war die Benzinpumpe, die Aghaye Hadi am folgenden Tag noch tauschte, auch die nicht funktionierende Handbremse wurde in Ordnung gebracht. Beim abschließenden Notarbesuch, um das Auto auf meinen Namen umzuschreiben, verifizierte ich mich nicht nur mit Unterschrift, sondern auch mit Fingerabdruck. Am Abend war das Auto fahrbereit, mit neuem linken Reifen, Muttern an allen Rädern, neuer Front- und Heckscheibe und einer CD-Stereoanlage mit Fernbedienung. Da heute auch Feiertag war, fuhr ich mit der Mashin zur Arbeit – die Straßen THR´s fast nur für mich. Ein guter Tag zum Fahrenlernen, immerhin ist der Wagen 1,90m breit und so hoch, dass ich in den geöffneten Motorraum nur greifen kann, indem ich auf die Stoßstange klettere.
Aber die Kinder lieben den Wagen schon, und am ersten Abend, an dem er vor der Haustür stand und wir ihn innen saubermachten, schlich gleich ein anderer Amischlittenbesitzer um das Fahrzeug rum, bis ich rausgeklettert kam. Wenn ich Probleme hätte, sollte ich mich nur melden. Er würde im Nachbarhaus wohnen und kenne einen guten Mechaniker.
Ich habe keinen Zweifel, dass, wenn wir liegenbleiben sollten, sofort 30 Mann hoch um uns stehen, und alles versuchen, um uns wieder flott zu kriegen. Aber das liegt ja noch in weiter Ferne ;-))

Nouruz naht

Klar, eigentlich kann sich jeder von euch sich selber über Nouruz informieren, aber in Kurzform will ich gern berichten, wie wir es hier erleben:
Es steht das iranische Neujahrsfest vor der Tür, am 21.3. ist es soweit, aber man merkt, dass die Leute jetzt schon ganz aus dem Häuschen sind. Überall auf den Geschäftsstraßen stehen fliegende Händler mit Goldfischen, minikleinen Schildkröten, Sabzi (Kräuter) und vieles mehr, was man für den Nouruztisch so braucht. Die Straßen sind voll wie nie, alle kaufen neue Möbel, die Zamjad-Pickups mit Teppichladungen sind noch zahlreicher als sonst.
Und wir freun uns auf ein leeres THR, da alle versuchen, aus der Stadt zu Verwandten oder ins Sommerhäuschen zu fahren. Letztes Jahr waren wir ja bereits für eine Woche hier, und die Stadt kam uns schön ruhig vor, und gar nicht wie nach 14 Mio. Das dauert etwa 2 Wochen, solange kann man hier eigentlich keine Geschäfte machen. Ich hab mich anstecken lassen, als ich letztens mit JanIngmar einkaufen war. Ein Glas, 2 Goldfische, eine kleine Schildkröte – fertig ist das Nouruz-Starterset. Steffi war böse, als wir damit ankamen, und ich muss sagen, zu recht, denn es dauerte keine 12 Sunden, da hatten wir 2 Todesfälle zu beklagen. Die Kinder nahmen Schildkröte und Fisch mit zum Schulgelände, wo die Leichname bestattet werden sollten. Leider blieb die Tüte bis zur ersten Pause draußen liegen. Wenigstens eine der zahllosen in Mülltonnen hausenden Katzen hatte ein kleines frisches Frühstück.

Auszug aus dem Wikipedia-Artikel über Nouruz:
„Wichtigstes Brauchtum sind die Haft-Sin („Sieben-S“). Am Vorabend des Neujahrstages, brennt in jedem Zimmer des Hauses eine Kerze (Symbol des Lichts). Auf einem festlich gedeckten Tischtuch, der in manchen Familien am Boden liegt, oder auf einem Tisch, werden sieben Gegenstände ausgebreitet, die mit dem Buchstaben „S“ (pers. Sin) beginnen: Sabzi (Grünzeug), Samanu (eine süße Speise aus Weizenkeimen), Sir (Knoblauch), Serke (Essig), Somagh (saures Gewürz), Sib (Apfel) und Senjed (Mehlbeeren). Außerdem kommen Sekke (Münzen), häufig auch Sonbol (Hyazinthe) sowie Sepand (eine wilde Raute) – für den Weihrauch – hinzu. Zusätzlich werden ein Spiegel (Symbol für Glück), ein oder einige Goldfische, die in einem durchsichtigen Wasserkrug schwimmen, ein Stück Brot, bemalte harte Eier sowie Diwan-e Hafez (Gedichtband von Hafez), bei Zoroastriern eher das Awesta und bei Moslems der Koran, gedeckt.“
Ein wenig fehlt noch, bis der Tisch komplett ist, aber wir haben ja auch noch nicht „NeuTag“. 13 Tage später wird dann das Kraut und der Fisch in die Natur entlassen, das soll Glück bringen. Und wir brauchen kein Aquarium.
Immerhin haben wir auch etwas neu, was allerdings nicht die Wohnung, sondern die Straße zieren wird: Endlich soll ein Auto unser eigen sein. Wir haben mit viel Hilfe einen Chevrolet Blazer K5 V8, 5,7 l Hubraum, Bj. 76 (und zwar nicht nach islamischem, sondern nach europäischem Kalender) gefunden, der vielleicht noch vor Nouruz angemeldet werden kann. Klar, ein bisschen Angst ist schon dabei, mit so´nem Geschoss durch die Gassen zu fahren, aber mehr, andern wehzutun, als dass uns jemand ankarrt. Aber wir haben doch immer Glück gehabt, warum nicht auch jetzt? Den Namen haben wir noch nicht festgelegt, Steffi meint „Mashin“ wäre angemessen, die Kinder plädieren für „Monstertruck“. Ich weiss, wir sind nicht ganz schussecht.
Aber auch wenn wir jetzt als Großkopferte auftreten, vergessen wir doch nicht, dass es eine ganze Menge von Menschen hier gibt, denen es so viel schlechter geht als uns. Oft sehen wir kleine Kinder an den Ampeln zwischen den Autos stehen, die, ob jetzt von einer Drückerbande geschickt oder nicht, durch den Verkauf von Spüllappen, Kaugummi oder Streichhölzern Geld verdienen müssen. Und Frauen, die das gleiche machen, halten ihre Kinder auf dem Arm mit Tabletten ruhig, damit sie das möglichst lange aushalten.
Meist sind es Afghani, die die Mülltonnen nach PET-Flaschen oder anderen wiederverwertbaren Dingen durchforsten, bevor um 12 Uhr nachts mit großem Getöse die Müllabfuhr kommt, um den Rest abzuholen und irgendwo hinzukippen. (Ich hab gehört, man buddelt Löcher und schiebt alles da rein, manche Müllberge werden auch einfach angezündet, das sehn wir oft auf dem Weg zum Reiterhof. Entschwefelungsanlagen? Woher? Im Zweifel kann man damit auch Kernkraftwaffen bauen.. Aber Warum? ist eigentlich die naheliegendere Frage, denn es gibt einfach kein Bewusstsein dafür.)
Der behinderte Straßenverkäufer auf dem Tajrish-Bazaar hat es da noch vergleichsweise gut.
Und er hier hat wenigstens ein Mopped, mit dem er seine 3 Frauen durch die Gegend kutschieren kann. Dies ist übrigens ganz alltäglich, nur nicht immer gut zu fotografieren, daher kommen die Bilder kleckerweise. Einen schönen Frühlingsanfang wünscht
[jochen]

32 Buchstaben und 12 Zahlen

Langsam muss ich ja mal was über die persische Schrift schreiben, und inzwischen kann ich es auch. Die meisten Zeichen auf den Straßen sind zwar 2-sprachig beschriftet, aber wenn man eine kleine Gasse sucht, ist man auf Schriftkenntnisse angewiesen (allerdings schnall ich auch ab, wenn es sich um Schreibschrift handelt).

Also, mit den Zahlen geht es jetzt erstmal los: Es sind nur 12 Zeichen, die man sich merken muss, und zwei davon kennen wir schon: 1 und 9 sind fast identisch, die Null ist nur ein Punkt, sehr einfach zu merken.Zwei und drei merk ich mir, indem ich den Kopf nach schräg rechts halte, die 5 ist mir sowieso die Liebste und Sieben ist wie ein Sieb und die 8 klingt wie Dach. 4 und 6 sind wirklich schwer, weil die auch noch in je 2 Arten vorkommen. Da hilft keine Eselsbrücke, nur Lernen.
Buchstaben:
Es gibt 10 Grundformen von Buchstaben, die jeweils mit Punkten oben oder unten versehen werden und damit ihren Laut ändern. 7 weitere bleiben für sich. Aber fast alle kommen noch jeweils in 3 weiteren Formen vor, je nachdem, ob man den Buchstaben vorn, in der Mitte oder am Ende des Wortes findet. Sind zusammen schlapp 100 Zeichen, die man sich merken muss.
Schwierig wird es, wenn man ein Wort sucht, oder schreiben möchte, das man gehört hat. Da es h, t und gh jeweils in 2, z in 3 und s in 4 varianten gibt, dauert das Suchen im Wörterbuch manchmal recht lange. Wenn oben ein Punkt drauf ist, ist es meistens ein z.
Ach ja, Vokale werden zwar gesprochen, aber nicht geschrieben.. (außer o und i), das heißt, man muss das Wort eigentlich kennen, um es sprechen zu können. Nach Gefühl liege ich zumindest bei 50% richtig.
Lesen kann ich ja nun ganz leidlich, aber Verkehrsschilder im fahrenden Auto überfordern mich auch noch oft. Das Dumme ist, auch wenn ich´s lesen kann, weiß ich noch lange nicht, was es bedeutet.
JanIngmar und Solveigh sind in Deutschschreiben wahrscheinlich nach einem halben Jahr weiter als ich in Farsi.

Selbstverständlich werden Zahlen und Buchstaben in unterschiedliche Richtungen geschrieben, also die Zahlen wie in Europa auch von links nach rechts, die Buchstaben aber von rechts nach links. Bücher fangen natürlich auch auf der andern Seite an.

Kalligraphie ist ein ganz großes Thema in Iran, fast in jeder Wohnung hängen kunstvoll gestaltete Gebete an den Wänden (in den Moscheen ja sowieso). Das schönste Beispiel ist auf den Moscheendächern. Die Geschichte dazu:
Vor etwa 1200 Jahren war eine große Schlacht, die die Perser verloren, und als alle auf dem Schlachtfeld dürstend vergingen, raffte sich einer auf (Sohn von Imam Hossein), der zum Fluss lief und seinen Kollegen mit bloßen Händen Wasser brachte, bis die Feinde ihn schnappten und die Hände zur Strafe abschlugen. Sein Name war Abul Fazl und JaAbulFazl! ist heute noch ein Ausspruch wie bei uns Oh Gott!
Deshalb gibt es die Hand auf vielen Moscheendächern, und zufällig sieht es mit etwas Fantasie genau so aus wie das Wort Allah in schön geschrieben.Andersrum sind die iranischen Perser mit der westlichen Schrift nicht so vertraut:

Dieser Flyer bewirbt kein Hutgeschäft, sondern ein Kebab-Bringedienst. Solche Druckfehler sieht man eigentlich an jeder Straßenecke. Iran hat nun mal nicht viele Ausländer aus dem Westen.

Unsere Freunde R. und M. haben für jeden von uns noch in D einen Stempel anfertigen lassen, auf dem unsere Namen zu lesen sind. Eigentlich wollten sie uns Türschilder machen lassen, aber Mahmood, unser Persischlehrer in HH, der ihnen die Buchstaben vorschrieb, meinte, das würds hier nicht geben. Nun haben wir beides. Vielen Dank an euch 3!
Tatsache ist aber, dass es Türschilder nicht gibt. Allenfalls steht eine Nummer auf dem Klingelschild draußen an der Haustür.
Unsere Hausnummer hat sich (neben der Klingelschild-Nummer) auch geändert, wie übrigens in fast ganz THR. Von Nummer 2 auf 44. Das erfuhren wir von dem Menschen, der unseren ADSL-Anschluss installierte, er kam nämlich zu spät, weil er unser Haus nicht gefunden hatte.
Meinem Chef hatten sie den Büro-Telefonanschluss gesperrt, weil die Hausnummer sich auch änderte, die Telefonrechnung daher nicht zugestellt wurde und folglich auch nicht bezahlt werden konnte…
Hier sieht man, dass das Nummernändern nicht zum ersten Mal vorkam. Man kann auch nur am Alter des Schildes feststellen, welche Nummer die neueste ist. Die alten werden nicht abgemacht, damit man das Haus besser beschreiben kann: „Hausnummer 25, vorher 10, davor 15“ gibt es sicher auch in THR nicht so oft.

Kurzurlaub in Lorestan

Jetzt sind wir wieder zurück von unserem 5-tägigen Ausflug nach Lorestan.A. war so nett, uns in ihrem „Sabzi-polo“ (Reis mit Kräutern), so heißt der in Iran gebaute Landrover bei ihnen, weil er grün-weiß ist, mitzunehmen. Alle Gepäckstücke aufs Dach, Kinder in den Kofferraum und los ging die fast 9-stündige Fahrt 500 km Richtung Bagdad.
Schon kurz hinter der Stadtgrenze Teherans, wo auch immer die ist, fährt man durch Wüste, an Salzseen vorbei und die Städte und Dörfer werden immer armseliger, bis wir schließlich in Lorestan auf der Araberzuchtstation einer Freundin von A. ankamen.Die Landschaft und die Häuser sind in Lehmgrau gehalten, aber wenn erstmal der Frühling durchkommt, soll es ein Fest fürs Auge sein. Vielleicht erleben wir das später noch mal. Es fing bereits an, grün zu werden, und die ersten Obstbäume hatten ihre Knospen bereits rausgeschickt.
A. behauptet, Lorestan wäre das Armenhaus Irans, und besonders im letzten Jahr muss es für die Loren schlimm gewesen sein, weil eine große Dürre herrschte, und die Bauern für die Tiere kein Futter mehr hatten. Von hier irgendwo hat A. auch den Esel, der jetzt in Tehran steht, und den sie damit vom Verhungern rettete.

Vor allem der überall rumliegende Müll ist oft nur schwer zu ertragen. Man muss eben drüberwegsehen. Es gibt kaum ein Bewußtsein dafür, dass man nicht auf seiner eigenen Scheiße wohnen muss.
Khorram Abad ist die 20 km entfernte Provinzhauptstadt, die als ein Highlight die Burg Falak-ol-Aflak aus dem Mittelalter aufzuweisen hat, in dem das Nomadenmuseum untergebracht ist. Der Ausflug in die Stadt war für die Wangen unserer Kinder, immerhin 6 gelbe Stück, wieder besonders anstrengend.

Auf dem Bazar ist es immer interessant, man kann sich kaum sattsehen an der Vielfalt an Waren. Hier ist ein Würfelzuckerhersteller am Werk. Aus Zuckerhüten werden mit ner Hacke kleine Stücke gemacht; wenn man es mit seiner Familie besonders gut meint, sucht man sich einen besonders schönen aus und macht man sich die Arbeit selber. Das Stück Zucker wird zwischen die Zähne geklemmt, und der durchlaufende Tee wird lecker süß. Natürlich braucht man so für ein Tässchen durchaus 4 oder mehr Stückchen.
Endlich waren die Kinder mal für was gut, ich musste nur mal zeigen, wie es geht, dann hatten sie für eine Stunde gut zu tun.
Hier werden Schafsköpfe für ein iranisches Nationalgericht (Kalehpaatscheh) angeboten. Wen´s interessiert, für den frag ich nach der genauen Zubereitung…
Für die Kinder war der Anblick natürlich nichts, die freuen sich lieber an in Farbe getauchten Küken. Solveigh weinte schließlich bittere Tränen, dass wir ihr keins kauften.Lorestan hat einige Wasserfälle, und an einem davon (Bisheh Ab-shar) verbrachten wir einen herrlichen Sommertag. (Ende Februar!) Ansonsten war es jedoch ziemlich kalt. Immerhin sind wir auf 2500 m Höhe.
Mühsam war es vor allem für Martje, die mit ihren Krücken Stock und Stein schlecht überwinden kann (und für die Eltern natürlich, die dann das Kind tragen müssen)
A. ist auch imer für Quatsch zu haben, und so durften die Kinder eine Weile in herrlicher Berglandschaft auf dem Sabzidach mitfahren. Was die vorbeifahrenden Iraner wieder gedacht haben?
Und danach aufs Hochplateau zum Drachensteigen lassen. Ein richtig schöner Tag (nicht nur) für die Kinder.
Die Nomaden sind noch in ihren Winterlagern, im April/Mai gehn sie wieder auf die Reise. Viele bekamen wir nicht zu sehen, das iranische Einheitsschwarz wird von ihnen jedenfalls nicht getragen. Und ihre Teppiche sind auch schön bunt. Auf dem Bazar fanden wir zwei schöne Exemplare, die eigentlich Wandbehänge sind, die jetzt unseren Fußboden zieren.
Und weils so schön gelungen ist, noch ein Bild von einer Moschee von unterwegs. Wir waren wirklich froh, dass die Fahrt ohne Unfall zu Ende ging; im Tehraner Stadtverkehr, der uns allein 1,5 Stunden kostete, kriegten wir noch einige zu sehen.

Karneval in Tehran

Tehran Alaaf!
Wir sind, wie ihr alle wisst, begeisterte Karnevalisten, und deshab freuten wir uns auch sehr über die Einladung des 2. Botschafters bzw. seiner Frau zu dem Partyevent schlechthin. Mit dem Babysitter klappte es nicht, daher mussten wir die Kinder mitnehmen und schon um 10 wieder gehen. Für einen ersten Eindruck reichte es alllerdings.
Damit man hingehen kann, braucht man natürlich ein Kostüm. Was bietet sich da eher an als ein Tschador? Ich war in Tajrish auf dem Bazaar:
„Ich möchte einen Tschador für meine Frau (hier log ich), die ist so groß wie ich.“ Es wurde ein teures Modell, aber dafür hat es Ärmel. Später erfuhr ich, dass diese Art letztes Jahr im Parlament als Tschador melli = Volkszelt verpflichtend für alle Frauen diskutiert wurde. Zum Glück wurde nichts draus. So konnte ich den Restposten käuflich erwerben.
Der Verkäufer lachte sich halb schlapp, als ich das Ding im Laden anprobierte und er mir zeigte, wie man es schafft, dass die Kutte nicht vom Kopf rutscht.
Als ich die Kinder und Steffi von der Schule abholte, wollte Steffi natürlich mal probieren (die anwesenden Iranerinnen schauen etwas betreten, weil sie sich freiwillig natürlich nie da drin verstecken):
Die Kids waren relativ schnell verkleidet, Martje kriegte noch einen Umhang von der Schneiderin in der Familie genäht und war glücklich. Auf dem Fest wurde sie oft gfragt, ob die Krücken zum Kostüm gehörten.
Es gab Tatsache echtes Bier und auch andere Alkoholika zu trinken, nicht nur dieses Holsten, was sonst so auf den Straßen beworben wird. Mit Apfel, Limonen, Minz und Granatapfel-Geschmack. Lemon geht noch so. Jever Fun ist auch weit verbreitet.Und dann auf zur Party! So schön wie die Iranerinnen kann eine Deutsche sich einfach nicht schminken. Immerhin werden pro Kopf hier weltweit am meisten Kosmetika verkauft, von den Nasen- und sonstigen OP´s ganz zu schweigen.
Da sehen die Deutschen doch echt scheiße aus, oder?
Und da endlich ich mit dem Dank immer ausreichend Zahnpasta strahlenden Lächeln.
In diesem Sinne: Helau und Allah!

[Jochen]

Wir sind…


Am 9. 2. 09 (21. 11. 1387) war der Abend vor dem 30. Jahrestag der Islamischen Revolution. Als ich um 21.00 durch die Straßen ging, standen überall Menschen auf den Dächern und riefen Allah-u-akhbar! Gott ist groß! In dieser dichtbesiedelten Stadt hatte ich das Gefühl , die ganze Stadt sei ein Chor, der es nur nicht schafft, im Gleichklang zu singen.
Es wurden die Autobahnen mit grünweißroten Fahnen geschmückt. Ansonsten scherten sich die Leute um die offiziellen Feierlichkeiten recht wenig.
Unser Freund F. berichtete, dass es einen iranischen Satellitensender gebe, der die Unzufriedenheit der Leute in Aktionen kanalisieren will: Die Bewegung gibt sich den Namen „ma hastim“, was „wir sind!“ bedeutet, ähnlich dem Slogan in der DDR „Wir sind das Volk“. Eine Aktion war, dass zu Demonstrationen auf islamischen Märyrerfriedhöfen aufgerufen wurde, bei denen die Gefahr der Verhaftung klein ist, weil man ja schlecht die Heldenverehrung verbieten kann. Trotzdem wurden angeblich Hunderte Leute gefangengenommen, von denen etliche nicht wieder auftauchten.
Deshalb findet jetzt eine andere Aktion statt: Alle, die mitmachen wollen, gehen um 5:00 Uhr zum Bäcker und kaufen Brot. Dagegen kann ja der Staat nichts machen.
Der religiöse Führer benutzte bei seiner Ansprache zum Feiertag auch den völlig üblichen Ausdruck „ma hastim“, wobei alle, die Bescheid wissen, sagen: Siehst du, sogar unser Führer spricht schon davon.
Die Menschen sind sehr unzufrieden mit der derzeitigen Situation, aber viele sagen sich auch, wozu noch eine Revolution, wo es nach der letzten schon nicht besser geworden ist? Aber in der DDR gings ja auch ganz schnell…

Nachtrag zu der Skiwoche, auf der Martje mit dem größeren Teil der Schule war:
Martje ist die auf der rechten Seite, die in rosa. Wir wollten eigentlich vor der Reise mit ihr zum Arzt gehen, weil sie wiederkehrend mal mehr und mal weniger Schmerzen in ihrem Zeh spürte, den sie vor Wochen umgeknickt hatte. Bloß hätte das u.U. dazu geführt, dass sie nicht hätte mitfahren können. Heute waren wir also zum Röntgen (das 2. Mal in Iran), diesmal war es tatsächlich ein Bruch, am großen Onkel. Der wird jetzt mit Gips ruhiggestellt. In 2-3 Wochen soll dann alles wieder gut sein.

Und noch ein Bild vom Abend vorher, wo wir mal alle zu sehen sind. Es ist bei Freunden in Karaj, einer riesigen Trabantenstadt im Westen von Teheran. S. fährt von Karaj jeden Tag 75 km nach THR zur Arbeit und abends wieder zurück. Das Gehalt wird, wenn es gezahlt werden kann, mit 3 Monaten Verspätung gezahlt. Für ihren Sohn geben sie alles, um ihm eine anständige Schulbildung zu ermöglichen, die ihm auch im Ausland eine gute Grundlage schaffen kann. Dafür nimmt S. jeden morgen Pendler mit, die als Fahrpreis zusammen vielleicht umgerechnet 4 € in die Kasse bringen. Ich weiß nicht, wie sie es schaffen, mit weniger als einem Drittel von dem, was uns zur Verfügung steht, zu überleben. Und wir müssen noch nicht mal die Wohnung selbst bezahlen…
Der Zusammenhalt in der Familie macht vieles wieder wett, und das ist das, was sie abhält, das Land zu verlassen, wenn sie es zusammen könnten.
Wir können inzwischen verstehen, warum die Iraner ihr Land gern verlassen würden, aber auch, was sie so sehr hier lieben.

Sicher nicht das, was zu solchen Merkwürdigkeiten führt:
Ein Prospekt aus dem Büro über Badewannen bestand aus etlichen Bildern, in denen jemand sich die Mühe gemacht hat, sämtliche unzüchtigen Körperteile mit schwer entfernbarer Klebefolie zu verdecken. So ganz regierungskonform war er allerdings doch nicht – der Hejab, das Kopftuch fehlt. [Jochen]

Schnee überall

Jetzt haben wir doch noch ein wenig Schnee bekommen. Leider ist es einfach zu warm (3-10°), da bleibt einfach nichts liegen. Als er nachts kam, konnten wir lange nicht einschlafen, weil die Leute auf der Straße trotzdem versuchten, den Berg hochzukommen, was ohne Winterreifen, bevor der Räumdienst da ist, nur mit Reifenquietschen und Motorgeheul abgeht.

Während Martje eine volle Woche mit ihren neuen Skiern und Stiefeln mit der gesamten Schule ab Klasse 4 nach Dizin zum Schulausflug gefahren ist, durften auch die kleinen Grundschüler Spaß im Schnee haben und sind nach Abe-Ali gefahren. Ein Hang war abgeteilt nur fürs Rodeln, man konnte auch Schlitten leihen, die noch zu Shah-Zeiten hergestellt und seitdem nicht mehr groß gewartet wurden (sagte Steffi jedenfalls). Ich war nicht mit.Später kamen auch die Leute aus der Umgebung dazu und wollten etwas Spaß haben.

Zwei Tage später wieder der wöchentliche Ausflug auf den Reiterhof. Inzwischen hat Lori, die Eselin, sich damit abgefunden, dass sie statt Lasten jetzt Kinder durch die Gegend tragen muss, und es scheint, als würde sie es sogar genießen. Jedenfalls gibt es kein Murren oder was man Eseln sonst so nachsagt.


Ein paar Kuriositäten zum Schluss:

Als wir heute mit dem Taxi aus der Stadt zurückfuhren, hatten wir einen Taxifahrer, der uns ganz bereitwillig nach Hause fahren wollte; als wir eingestiegen waren, bedeutete er uns, das Ziel aufzuschreiben. Da meine persische Schrift noch nicht so schnell ist, dass es sich gelohnt hätte, unsere Adresse aufzuschreiben, versuchte ich es mit Sprechen.
Das war aber nun völlig unmöglich, da er offensichtlich taubstumm war. Also ehrlich, dürfen Leute, die nicht hören können, in D überhaupt Auto fahren, geschweige denn Passagiere befördern? Steffi meinte, du weißt doch gar nicht, ob er einen Führerschein hat. Damit hat sie nun auch wieder recht. Er fuhr denn auch so vorsichtig wie sonst noch keiner. Und vielleicht war es auch gar kein Taxi…
Die Härte war, als wir fast zu Hause waren, wollte ein Blinder mit weißem Stock über die Straße, unser Taubstummer wollte ihn rüberlassen, konnte aber nix sagen, der Andere seine Handzeichen nicht sehen – ich hätte mich ausschütten können vor Lachen. Schließlich fuhren wir, ohne ihn rüberzulassen.
Bezahlen sollten wir schließlich 10.000 T! – Hin hatten wir 3.500 T bezahlt. Er fuhr schließlich mit 6.000 T von dannen.

Und zum Abschied noch etwas von der Verpackung von Haferflocken. Wenn ich von meinen Kindern mal genug hab, dann sag ich mir auch, dass weniger Kinder ein besseres (auf persisch: ruhigeres, gelasseneres) Leben bedeuten, aber was soll man machen, wo sie nun schon mal da sind? – Vermutlich ist das ´ne Kampagne für Geburtenkontrolle, aber den Spruch find ich klasse.